Frischer Teamgeist schlägt feurige Tradition

Von Marco Heibel
Nach der 1:2-Niederlage im Rückspiel gegen Hoffenheim bleibt Kaiserslautern zweitklassig
© getty

Gegen elf Kaiserslauterer Spieler und knapp 45.000 pfälzische Kehlen hat die junge Mannschaft von 1899 Hoffenheim ihre Feuerprobe bestanden und den Klassenerhalt gesichert.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Nimmt man beide Spiele zusammen, hat 1899 Hoffenheim den 1. FC Kaiserslautern in der Relegation um die 1. Bundesliga klar in die Schranken verwiesen. Dem 3:1 aus dem Hinspiel folgte ein 2:1 auf dem Betzenberg, bei dem die junge Hoffenheimer Elf gegen rund 45.000 Lauterer Kehlen ihre Feuertaufe bestanden hat - und zwar als echtes Team.

In der Pfalz hatten sie vor dem Rückspiel gegen das verhasste "Projekt" alles mobilisiert. So wurde noch einmal die Erinnerung an die großen Comeback-Spiele auf dem Betzenberg geweckt, wie das 7:4 nach 1:4-Rückstand gegen Bayern München aus dem Jahr 1974 oder das 5:0 nach einem 1:3 im Hinspiel gegen Real Madrid anno 1982.

"Ohne ein gutes Team gewinnst du gar nichts"

Und so hatten die FCK-Fans von 2013 ihrem Relegationsgegner mit dem vergleichsweise kleinen Namen 1899 Hoffenheim vom Anpfiff weg mit enormer Leidenschaft akustisch die Hölle heiß gemacht. Genutzt hat es am Ende nichts, das Wunder vom Betzenberg ist ausgeblieben. Dafür ist das Wunder von Hoffenheim Realität geworden.

"Der Schlüssel war nicht das heutige Spiel allein. Als wir angefangen haben, hat uns die Mannschaft viel Vertrauen geschenkt. Jeder Einzelne hat sich zurückgenommen und das Team in den Vordergrund gestellt", betonte 1899-Erfolgstrainer Markus Gisdol die Gründe für den vor zwei Wochen fast schon abgeschriebenen Klassenerhalt, als die Mannschaft nach dem 1:4 gegen Hamburg einen Spieltag vor Saisonende noch zwei Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz aufwies.

Der 43-Jährige, der erst seit dem 2. April im Amt ist und mit seinem fünften Sieg im neunten Spiel den Ligaverbleib sicherstellte, erläuterte die Gründe für die Cinderella-Story: "Wir waren in dieser Saison eigentlich tot. Ein großes Kompliment an die ganze Truppe. Ohne ein gutes Team gewinnst du gar nichts."

Teamgeist ist in Hoffenheim wieder mehr als ein Wort

Auch die Spieler, unter Gisdols Vorgängern Markus Babbel und Marco Kurz mehrfach wegen vermeintlicher charakterlicher Mängel gescholten, schreiben den Klassenerhalt dem neu entfachten Teamgeist zu. Mittelfeldspieler Tobias Weis: "Man hat uns zwar schon früher immer gesagt, dass wir eine Mannschaft sind, aber das waren wir nicht. Erst Markus Gisdol hat uns zu einer echten Einheit gemacht."

Doch der Hoffenheimer Erfolg gegen Kaiserslautern hatte nicht allein moralische Gründe. Auch die Taktik hat gestimmt gegen einen Gegner, der zwar 90 Minuten alles gegeben hat, aber eben auch erst in der 65. Minute mit dem Freistoßtor von Alexander Baumjohann zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich seine erste richtige Torchance hatte.

Derer hatte Hoffenheim mehr zu bieten. Dabei hätte der verschossene Foulelfmeter von Sejad Salihovic in der 28. Minute - Keeper Sippel lenkte den Ball mit einer sensationellen Parade an die Latte - das gesamte Duell sogar kippen können. Doch Hoffenheim hielt dem noch einmal zunehmendem Druck der Pfälzer stand und machte mit zwei Toren nach Standards durch die Abwehrrecken David Abraham (44.) und Jannik Vestergaard (74.) alles klar. Sehr zur Verdrossenheit der Hausherren.

Der Betze flennt

Doch auch in der Niederlage bot der Betzenberg selbst nach dem Abpfiff ein imposantes Bild: Eben weil die Roten Teufel und ihre Anhänger alles gegeben hatten, fielen die Emotionen nach dem Spiel besonders intensiv aus. Die Fans feierten ihr Team mit einer Mischung aus Trotz und Stolz und verabschiedeten sich mit einem schallenden "You'll never walk alone" in die Sommerpause.

Spielgestalter Alexander Baumjohann, der den Verein wohl verlassen wird, fand kaum Worte für diese Darbietung: "Ich habe schon in großen Vereinen wie Bayern und Schalke gespielt, aber so etwas wie hier habe ich noch nie erlebt. Das ist nicht natürlich, dass man gefeiert wird, obwohl man gescheitert ist."

Vorstand Stefan Kuntz war sogar so ergriffen, dass er seinen Tränen auf dem Rasen freien Lauf ließ. Später fand das FCK-Idol auch in der Enttäuschung klare Worte: "Es ist schade, weil man sich den Aufstieg für die Fans und jeden im Klub wünscht. Wir müssen das in den nächsten Tagen verdauen, aber dann werden wir wieder mit breiter Brust angreifen."

Ins gleiche Horn blies Trainer Franco Foda: "Ich bin brutal stolz auf meine Mannschaft und die Fans. Wir werden nächstes Jahr einen neuen Versuch starten."

Hoffenheim deutlich stärker als Platz 16

Einen etwas nüchternen Blick auf die Lage leistete sich Kaiserslauterns Linksverteidiger Chris Löwe, der nicht zuletzt auch die Klasse des Gegners anerkannte: "Wer in beiden Spielen zusammengerechnet 5:2 gewinnt, bleibt verdient drin."

Nachdenklich stimmt vor allem der Nachsatz des 24-Jährigen, wonach es im rätselhaft sei, "dass so eine Mannschaft in der Bundesliga nur Sechzehnter geworden ist." In der Tat war Hoffenheim alles andere als ein typischer Relegationsteilnehmer, was das Scheitern für den FCK doppelt bitter macht.

An dieser Kluft zwischen Potenzial und Realität gilt es für Hoffenheim nun anzusetzen. Die Mannschaft hat in der Endphase der Saison und in den Relegationsspielen gezeigt, wozu sie auch unter riesigem Druck in der Lage ist. Rechnet man Gisdols Punkteschnitt von 1,89 Zählern pro Partie auf eine komplette Saison hoch, wäre Hoffenheim 2012/13 Vierter in der Bundesliga geworden.

Nun mag diese Platzierung ebenso wenig dem Leistungsvermögen der TSG entsprechen wie Rang 16. Doch für die kommende Spielzeit sollte man die Kraichgauer etwas prominenter auf dem Zettel haben. Nicht von ungefähr lobte Sebastian Rudy nach dem perfekten Klassenerhalt die veränderte Spielweise der Mannschaft unter Markus Gisdol: "Der Trainer hat uns als Mannschaft sehr gut im Griff. Er ist zwar erst seit sieben Wochen da, aber es fühlt sich an, als wäre es die ganze Saison." Man darf gespannt sein was passiert, wenn er tatsächlich einmal eine ganze Saison da ist.

Hoffenheim - Kaiserslautern im Überblick