Leiden für Zwei

Stefan Rommel
03. März 201312:21
Mehmet Ekici (l.) und Heiko Westermann treten mit ihren Klubs auf der Stellegetty
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Dem Hamburger SV und Werder Bremen geht im Kampf um die internationalen Plätze eine ganz entscheidende Qualität ab. Jetzt könnte es zumindest für Werder auch ganz schnell in die andere Richtung gehen.

Die Voraussetzungen waren nahezu identisch. Werder Bremen und der Hamburger SV hatten sich am letzten Wochenende so richtig schön verdreschen lassen, die einen 1:6 beim FC Bayern, die anderen 1:5 bei Hannover 96.

Da kommt so ein Heimspiel doch gerade Recht. Um Wiedergutmachung zu betreiben, die Fans zurückzugewinnen, in der Tabelle die Europa-League-Plätze wieder zu attackieren.

Viel Pathos...

Unter der Woche gab es allerhand markige Worte. HSV-Coach Thorsten Fink kündigte schon 24 Stunden nach dem Debakel in Hannover eine andere Hamburger Mannschaft an im Heimspiel gegen Greuther Fürth. Im Training sollte es mächtig auf die Socken geben, und es gab mächtig auf die Socken. SPOX

"Da war richtig Feuer drin, so muss das sein", sagte Heiko Westermann und beschwor seine Mitspieler: "Wer jetzt nicht wach ist, dem ist nicht mehr zu helfen. Wir müssen dieses schlechte Gefühl loswerden!"

Am Donnerstag sprudelte es aus Bremens Spielern nur noch so heraus. "Es geht um unsere Ehre", sagte Zlatko Junuzovic mit etwas viel Hang zum Pathos. "Wir müssen uns den Arsch aufreißen."

Landsmann Marko Arnautovic warf die Überlegenheit des Bremer Kaders gegenüber dem des Abstiegskandidaten FC Augsburg in den Raum. "Wir sind die bessere Mannschaft und werden voll drauf sein", sagt Arnautovic.

Vielleicht hätte man spätestens da hellhörig werden sollen. Stand nicht Arnautovic schon im Hinspiel gegen den FCA sinnbildlich für eine gewisse Überheblichkeit, die Werder dann mit einem verdienten 1:3 bezahlen musste.

...wenig Leistung

Spätestens nach dem 24. Spieltag sind beide Klubs nun wenigstens um eine Erkenntnis reicher: Alles Gerede ist null und nichtig, wenn am Samstag die Leistung nicht stimmt.

"Wir haben einige Spieler mit sehr hohen Ansprüchen, die müssen es jetzt auch mal auf dem Platz zeigen und nicht nur in Interviews zwischen den Spieltagen", zürnte Thomas Eichin. "In so einem Heimspiel muss man anders auftreten! Da muss sich jeder jetzt mal an die eigene Nase packen."

Bremens neuer starker Mann kann für die Misere noch am wenigsten, ist jetzt aber schon seit Tagen in der Rolle des Krisenmanagers gefragt. Werder hatte gegen Augsburg die erste Halbzeit völlig verschlafen, am Ende leistete sich die Mannschaft wieder einmal zu viel Unvermögen und eine Spur zu wenig Glück.

Eichin findet deutliche Worte

Trotzdem verbietet Eichin jeglichen Anflug von Jammern und geht einige seiner Spieler ungenannt hart an. Werder finde nur wieder auf den richtigen Pfad zurück, "wenn jeder verinnerlicht, dass individuelle Klasse allein in der Bundesliga nicht reicht, dass auch andere Qualitäten außer spielerischer Klasse Grundbedingungen sind."

Das ist neben einer völlig leblosen Diskussionskultur auf dem Rasen eins der großen Bremer Probleme. Die Augsburger, in ihrer weiterhin prekären Lage sicherlich mehr mit dem Rücken zur Wand als Werder, stachelten und raunzten sich auch mal gegenseitig an - Werders Profis spielten dagegen bis auf wenige Ausnahmen ihr Pensum herunter und einfach nur nebeneinander her.

Kaum Leben in der Mannschaft

Trainer Thomas Schaaf hat den Missstand erkannt. "Wir haben zu sehr die Einstellung, der Mitspieler erledigt das schon. Die Mannschaft muss deutlich aktiver sein, deutlich mehr miteinander kommunizieren."

Allein: Jetzt ist es an ihm, diese wahrlich nicht neue Erkenntnis in der Praxis in die richtigen Bahnen zu leiten. Und auch die von Sokratis einmal mehr deutlich zur Sprache gebrachte Erkenntnis: "Wenn ein, zwei oder drei Spieler nicht laufen, kannst du kein Spiel gewinnen."

Acht Punkte Rückstand auf Platz sechs sind schon eine ganze Menge. Der Vorsprung auf Platz 16 ist da mittlerweile schon geringer (sieben Punkte). Die Siege gegen Hannover und Stuttgart haben offenbar zu schnell wieder für Genügsamkeit beim einen oder anderen Spieler geführt.

"Eine gefühlte Niederlage"

Werder Bremen und der Hamburger SV wollen von Haus aus nicht so sehr viel miteinander gemeinsam haben. Die fehlende Konstanz in dieser Saison brandmarkt aber beide Mannschaften.

Werder sah sich nach zwei Siegen in Folge schon wieder auf dem Weg nach oben. Heute erscheinen diese beiden Erfolgserlebnisse eingebettet in den Kontext von zwei Niederlagen davor und sogar drei danach. Macht sechs Punkte aus sieben Spielen in der Rückrunde.

Der HSV steht da mit elf Punkten im selben Zeitraum schon deutlich besser da. Aber auch hier: Ein ständiges Auf und Ab: Alles kann, nichts muss. Dem überzeugenden 4:1 bei Meister Borussia Dortmund folgte eine Woche später die Bestätigung im Heimspiel gegen Mönchengladbach (1:0). Wiederum sieben Tage später die Schmach von Hannover, jetzt das Remis gegen den Tabellenletzten.

"Ich bin schlecht drauf, wir alle sind schlecht drauf. Das heute ist eine gefühlte Niederlage", sagte Heiko Westermann nach dem Spiel gegen Fürth. In Hamburg lassen sich die Schwankungen nun sogar schon keine Woche mehr Zeit, hier ist der HSV in der Lage, in ein und demselben Spiel zwei grundverschiedene Halbzeiten abzuliefern.

Die erste gegen Fürth war ziemlich ordentlich. Die zweite dagegen ziemlich grauenhaft. "Mal wieder hatten wir eine schlechte Halbzeit, das müssen wir endlich abstellen", befand deshalb auch Dennis Aogo.

Beide stehen sich selbst im Weg

Dabei haben die Trainer sowohl bei Werder als auch in Hamburg den "Luxus", sich jeweils eine komplette Woche auf den nächsten Gegner einstellen zu können.

International oder im deutschen Pokal sind beide ja längst nicht mehr unterwegs. Da müsste eigentlich genug Zeit bleiben, um Probleme zu analysieren und Abläufe einzustudieren.

Man wird aber das Gefühl nicht los, dass sich beide Mannschaften immer wieder auch selbst im Weg stehen. "Jetzt muss Schluss sein mit reden. Wir müssen wieder Spaß und Freude am Spiel finden", fordert Junuzovic.

Dass das aber gar nicht so einfach werden dürfte, sollte gerade der Österreicher eigentlich am besten wissen. War es nicht Junuzovic, der bereits vor dem Augsburg-Spiel prophezeit hatte: "Wenn das nicht gut läuft für uns, haben wir wirklich ein großes Problem."

Der 24. Spieltag im Überblick