Der Besessene aus Santpedor

Von Andreas Lehner
Pep Guardiola war von 2008 bis 2012 Trainer des FC Barcelona
© Getty

Josep Guardiola ist der erfolgreichste Trainer der jüngeren Fußballgeschichte. Was macht den 41-jährigen Spanier so besonders und warum passt er zum FC Bayern?

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Als Pep Guardiola im April 2012 seinen Abschied vom FC Barcelona verkündete, waren fast alle gekommen. Neben Journalisten aus aller Welt saßen seine Spieler Carles Puyol, Xavi, Andres Iniesta, Gerard Pique, Cesc Fabregas und Victor Valdes im Pressesaal des Klubs.

Wie Jünger lauschten sie den Ausführungen ihres Trainers, der offen über seine Erschöpfung nach vier Jahren im Amt sprach, aber auch die schönen Momente seiner Zeit als Barca-Coach noch einmal Revue passieren ließ.

Nur einer fehlte: Lionel Messi. Der kleine Argentinier mied die Abschiedsrede Guardiolas, weil er seine Gefühle nicht im Griff gehabt hätte und diese nicht öffentlich zeigen wollte.

Pep und Barca: Das gehört zusammen

Es war nicht die letzte Episode einer Liaison, die vielleicht einzigartig war im globalisierten Fußballgeschäft. Erst einige Wochen später dankte Guardiola mit dem Gewinn des spanischen Pokals ab. Das Ende einer Verbindung, die für die Ewigkeit geschlossen schien. Guardiola und Barca, das gehörte einfach zusammen - und wird auch für immer zusammengehören.

Mit 13 Jahren zog der kleine Josep Guardiola i Sala aus Santpedor in der Nachwuchsakademie La Masia ein. Er stieg zum Profi auf, gewann alle wichtigen Trophäen als Spieler und wurde zu einer Ikone des Klubs. Als Trainer führte sein Weg über die zweite Mannschaft zu den Profis und von dort auf den Thron Europas.

Doch wie schon zu seiner Spielerzeit war er am Ende seines Weges ausgemergelt, zermürbt von Kleinkriegen mit seinen Gegnern. Als Trainer machte ihm Jose Mourinho vom Erzrivalen Real Madrid zu schaffen, als Spieler lag er mit Klubpräsident Jose Luis Nunez über Kreuz. Damals würden sogar Gerüchte gestreut, Guardiola sei homosexuell. Zu viel für den sensiblen Pep.

Bescheidenheit und Demut

Die Zuneigung seiner Kameraden und Fans war ihm aber immer sicher. Es ist alles andere als gewöhnlich, dass Spieler an der Abschiedspressekonferenz ihres Trainers teilnehmen und dabei öffentlich um Fassung ringen. Es zeigt aber auch wie speziell das Verhältnis von Guardiola zu seinen Spielern gewesen sein muss.

Perfekt! Guardiola wird neuer Bayern-Trainer

Guardiola ist in seinen vier Jahren auf der Barca-Bank zum erfolgreichsten Trainer der jüngeren Fußballgeschichte aufgestiegen. Die 14 Titel, darunter zwei Mal die Champions League, die er in dieser Zeit gewonnen hat, machen aber nur einen kleinen Teil seines Ruhmes aus.

Es war die Art und Weise, wie Barca seine Spiele und Trophäen gewann und wie Guardiola diese Erfolge erklärte. "Es sind die Spieler, die so gut sind und diese Spiele gewinnen", sagte er oft. "Ich kann ihnen nur vor dem Spiel ein paar Sachen sagen."

Diese Bescheidenheit und Demut haben ihm viel Respekt eingebracht. Im Rückblick wird sein Name aber nicht vergessen werden können, wenn man über bahnbrechende Entwicklungen des Fußballs im 21. Jahrhundert spricht.

Noch immer gilt Barcelona vielen als beste Mannschaft der Welt. Das hohe Tempo, die technische Qualität und die Arbeit starker Individualisten dienen vielen Teams im europäischen Spitzenfußball als Leitmotiv. Kein Wunder also, dass die finanzstärksten Klubs des Kontinents sich Guardiola als Trainer wünschten, bevor der FC Bayern am Mittwoch alle Konkurrenten endgültig ausstach.

Prägend für den moderenen Fußball

Die andere Seite der Medaille ist, dass Peps Zurückhaltung und Verwurzelung in Barcelona auch eine nicht ganz uninteressante Frage aufgeworfen hat: Funktioniert das System Guardiola auch außerhalb des katalanischen Spitzenbetriebs?

Nicht ohne Grund hat er den FC Bayern gewählt, um sich und dem Rest der Welt den Beweis anzutreten. Guardiola wird nicht nach München kommen, um hier ein zweites Barca aufzubauen. Er ist klug genug, um zu wissen, dass zwei unterschiedliche Vereine auch unterschiedliche Konzepte brauchen und nicht analog zueinander funktionieren.

Es ist aber auch klar, dass die Grundzüge holländischer Fußballlehre unter Louis van Gaal beim FC Bayern Einzug gehalten haben und das aktuelle Team noch immer prägen. Auch Guardiola hat unter van Gaal gespielt, er hat seine Vorzüge übernommen, sie mit denen seines Ziehvaters Johan Cruyff gemixt und mit seinen eigenen Zutaten zum Stilbild des modernen Fußballs geformt.

Seine Philosophie basiert auf Ballbesitz, totaler Kontrolle, schnellem Passspiel, hoher Laufbereitschaft und kollektivem Arbeiten. Für Egoismen ist im System Guardiola kein Platz. Das mussten schon Ronaldinho, Deco und Zlatan Ibrahimovic erfahren.

Hinter all dem steckt natürlich ein fußballerisches Genie, das er schon als Spieler offenbarte. Aber vor allem harte Arbeit, Akribie, Fleiß und Disziplin. "Pep ist ein Kranker des Fußballs", sagte Xavi einmal. Das deutsche Wort "fußballverrückt" greift in diesem Kontext wohl zu kurz, er ist besessen von diesem Spiel.

Genialität und harte Arbeit

Guardiola ist ein Tüftler, ein fanatischer Arbeiter. "Der plant den ganzen Tag vor sich hin. Seine Maschine läuft 24 Stunden. Und dann ist er allen anderen zwei Spielzüge voraus", sagt Xavi.

SPOX-Meinung: Glückwunsch, FC Bayern!

Natürlich ist es richtig, dass auch Guardiola davon profitierte, Lionel Messi, Andres Iniesta und Xavi in seinem Team zu haben. Und natürlich war Barca schon vor ihm ein europäisches Spitzenteam und Spanien Europameister geworden. Aber es war Guardiola, der das Duo Xavi/Iniesta zum Herzstück Barcas machte und es schließlich noch um Sergio Busquets erweiterte. Lange Zeit hieß es, die schmächtigen Xavi und Iniesta könnten nicht gemeinsam mit Mittelfeld spielen.

Außerdem machte Guardiola Messi zu dieser Tormaschine, die er heute ist. Er holte ihn von der Außenbahn ins Zentrum des Spiels, installierte ihn als Falsche Neun und schuf so einen ganz neuen, weltweit einzigartigen Spielertyp.

Es sind die Kleinigkeiten, die Barca zu einer außergewöhnlichen Mannschaft und Guardiola zu einem außergewöhnlichen Trainer machen. "Pep hat uns einen weiteren Vorteil verschafft, weil wir durch ihn den Grund einer jeden Aktion kennen. Das Warum!", sagt Xavi.

Viele Mannschaften spielen gut, ihr Erfolg beruht aber oft auf Zufällen oder individueller Klasse. Nicht so unter Guardiola. "Warum verteidigen wir bei Einwürfen so und nicht anders? Warum spielen wir Ecken kurz und nicht lang? Warum bewegen wir uns zu einer Seite, um den Spielzug auf der gegenüberliegenden zu beenden? Warum üben wir auf einem Raum von zehn Metern Druck aus, um den Ball zurückzuerobern? Pep erklärt das. Und er ist sehr didaktisch dabei."

Der optimale Partner für Sammer

Dass er mit Sammer im sportlich-inhaltlichen Bereich auf einer Welle liegt, ist offensichtlich. Beide teilen dieselben Werte und streben immer nach Perfektion. Hätte sich der Sportvorstand einen Trainer schnitzen dürfen, wäre wohl Guardiola dabei herausgekommen.

Beim FC Bayern setzt mit der Verpflichtung auch ein Richtungswechsel ein. Vom Moderator Heynckes hin zum Motivator Guardiola. Seine Art ist auf und abseits des Platzes mitreißend. Er verlangt immer 100 Prozent und lebt dies auch vor. Seine Spieler schwärmen von seinen Teamsitzungen und auch die Medien lauschten bei seinen Pressekonferenzen andächtig.

Das mag auch daran liegen, dass ihm Journalisten nur selten so nah kommen wie in diesem Moment. Einzel-Interviews lehnt er kategorisch ab. Keine der großen spanischen Tageszeitungen oder Sportzeitungen hat je ein Interview mit ihm bekommen, damit alle Journalisten gleich behandelt werden. Diese Einstellung hat er von seinem Vorbild Marcelo Bielsa übernommen, den er vor einiger Zeit als den besten Trainer der Welt rühmte.

Guardiola lernt Deutsch

An der Säbener Straße sind sie sich ebenfalls sicher, einen der besten, wenn nicht sogar den besten Trainer der Welt verpflichtet zu haben. Ob Guardiola seine Aura aus Barca-Zeiten nach Deutschland importieren kann, wird auch von der Sprache abhängen.

Sein Englisch ist gut, Italienisch spricht er aus seiner Zeit bei Brescia und Rom ohnehin. Am Deutsch arbeitet er und wird die Bemühungen in den kommenden Wochen weiter intensivieren. Es bleibt ihm noch fast ein halbes Jahr bis zu seinem Amtsantritt.

Eine Menge Zeit für einen gebildeten Mann wie ihn, der sich neben dem Fußball den Künsten widmet und den katalanischen Liedermacher Lluis Llach ebenso zu seinen engsten Freunden zählt wie die Filmemacher David und Fernando Trueba.

Neue Kraft und neue Ideen

In München wird er sowohl kulturell als auch sportlich auf seine Kosten kommen. Er hat sich für den FC Bayern entschieden, weil er von der Organisation, der Professionalität und der Geschichte des Klubs angetan war. Außerdem findet er einen Kader vor, der auf europäischem Top-Niveau agiert.

Es passt zur Person und zum Charakter Pep Guardiola, dass er sich gegen die unanständigen Summen aus London und Manchester entschieden hat, wohlwissend, dass er auch in München nicht schlecht verdienen wird.

Die mentale und körperliche Erschöpfung, die er zum Ende seiner Barca-Zeit mit sich herumschleppte, hat er dank seiner Auszeit überwunden. Er hat Kraft getankt, Ideen gesammelt und sich weitergebildet. Mit neuer Energie und neuen Vorstellungen wird er im Sommer beim FC Bayern antreten.

Pep Guardiola im Steckbrief