Bayerische Eröffnung

Von Stefan Rommel / Fatih Demireli
Uli Hoeneß (l.) und Matthias Sammer hätten sich eine reibungslosere Vorbereitung gewünscht
© Getty

Als Matthias Sammer zum FC Bayern München kam, machte schnell der Begriff der Aufbruchstimmung die Runde. Die ist nach wenigen Wochen aber schon fast wieder verflogen. Selbstgemachte Probleme und eine anhaltende Verletzungsmisere stören die Vorbereitung auf die Saison. Der neue Sport-Vorstand registriert die Ungereimtheiten, bleibt aber optimistisch.

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Joachim Löw wird am Donnerstag den Kader für das Testspiel seiner Mannschaft gegen Argentinien am kommenden Mittwoch bekanntgeben. Mit Interesse wird Jupp Heynckes die Nominierung registrieren.

Der Termin wenige Tage vor dem Start der Pflichtspiel-Saison mit dem Auftakt im DFB-Pokal und eine Woche später in der Bundesliga passt den Vereinen mal wieder so gar nicht ins Konzept. Den FC Bayern mit seinen acht deutschen Nationalspielern ärgert er in diesen Tagen aber ganz besonders.

Hoffen auf Kompromisse

"Ich hoffe, dass man Kompromissbereitschaft zeigt", sagte Matthias Sammer am Mittwoch in Richtung DFB. "Ich verlange das nicht. Aber Jogi Löw passt dieser Termin auch nicht. Wir sollten schauen, dass es nicht so eine einseitige Geschichte wird."

Sammer war Ende Mai noch auf der anderen Seite beschäftigt, als die Bayern - ziemlich kompromisslos - ihr Freundschaftsspiel gegen die Nationalmannschaft der Niederlande abhielten. Inmitten der EM-Vorbereitung der deutschen Mannschaft.

Aufbruchstimmung fast verflogen

Nach der schmerzhaften abgelaufenen Saison soll einiges anders werden bei den Bayern. Gekoppelt wurden die Forderungen auch mit der Installation von Sammer als neuen Sport-Vorstand Anfang Juli.

Da formulierten die Bayern-Bosse mit warmen Worten einen Neustart, Sammer reihte sich schnell ein. Eine andere Gangart sollte angeschlagen werden, die "Dissonanzen" (Uli Hoeneß), die es in der Aufarbeitung mit Christian Nerlinger gab, gehörten beseitigt. Die Bayern wollten ein wenig Aufbruchstimmung und haben sie für kurze Zeit auch bekommen.

Mittlerweile ist davon von außen betrachtet aber nur noch wenig zu spüren. In den letzten Tagen rückten die üblichen Formulierungen von den tollen Trainingslagern und solide mitziehenden Spielern in den Hintergrund, es öffneten sich unerfreuliche Themen auf und außerhalb des Platzes.

Verletzungen und Wehwehchen

Für einige davon können die Bayern nichts. Wenn die Mannschaft eine Verletzungswelle erfasst wie die der letzten Wochen, bekommt selbst der Kader des Rekordmeisters Probleme.

David Alaba (Ermüdungsbruch), Rafinha (Bänderriss), Diego Contento (Stressreaktion im Fuß) fallen länger aus. Mario Gomez wurden am Dienstag freie Gelenkkörper im Sprunggelenk entfernt, auch er wird sich noch drei Wochen gedulden müssen.

Franck Ribery schleppt eine Schleimbeutelentzündung mit sich herum, Claudio Pizarro musste wegen muskulärer Probleme immer mal wieder mit dem Training aussetzen, Bastian Schweinsteiger knickte beim Turnier in Hamburg am Wochenende um.

Keine A-Mannschaft? Kein Testspiel!

Kleine Unwägbarkeiten, die sich derzeit zusammen mit den unterschiedlichen Trainingsstarts der EM-Teilnehmer zu einem nicht unerheblichen Problem auswachsen. Zumindest so relevant, dass ein für Mittwoch geplantes Testspiel gegen den Regionalligisten Sonnenhof-Großaspach abgesagt wurde.

Die Bayern wollten den Anhängern "die bekannten Spieler" präsentieren, wie Sammer sagt. "Dies wäre wegen diverser Verletzungen in den zurückliegenden Tagen nicht möglich, die Fußballfans in Großaspach darum bestimmt enttäuscht gewesen."

Manch einer kann sich in der Vergangenheit allerdings auch an Freundschafts- oder Testspiele des Rekordmeisters erinnern, in der den Fans in der Provinz gerne die B- oder C-Garnitur präsentiert wurde.

Die Absage ereilte den Regionalligisten aus der Nähe von Stuttgart, bei dem sich der Spielerberater Uli Ferber sehr stark engagiert, am Sonntag. Ein paar Stunden vorher musste Ferber-Schützling Gomez beim Spiel gegen Werder Bremen ausgewechselt werden. Als besondere Attraktion in seiner Heimat fiel der Nationalstürmer damit aus.

Unnötige öffentliche Diskussion

Immerhin beendete dessen Verletzung unfreiwillig eine in diesem Umfang unnötige Diskussion. Losgetreten von Uli Hoeneß, in einem Bierzelt im Bayerischen Wald. Der Bayern-Präsident kritisierte den besten und zuverlässigsten Bayern-Torjäger der letzten Jahre und legte einige Tage später noch nach.

Plakativ zwar, aber eben auch nicht wirklich fair. Hoeneß hängt Gomez die Niederlage im Champions-League-Finale an. Dabei gab es in diesem Spiel wenigstens ein halbes Dutzend Spieler, die unter ihren Möglichkeiten blieben und am Ende sogar die Verantwortung verweigerten.

Hoeneß wolle seinen teuersten Transfer kitzeln, ihm "sein Phlegma austreiben". Bei Bastian Schweinsteiger habe er das auch schon exerziert, mit Erfolg. Bei Gomez sieht Hoeneß "die letzte Möglichkeit, dass es besser wird."

Mit etwas Abstand ruderte Hoeneß ein wenig zurück, er wisse, dass es ein gefährlicher Weg sei. "Das kann man nicht jeden Tag machen, vielleicht nur alle zwei Jahre mal. Aber wenn du so etwas machst, hast du ja noch die Hoffnung, dass sich was ändert."

Im selben Atemzug wollte Hoeneß "auch mal was relativieren". Und zwar die Aussage seines ehemaligen Sportdirektors, der Gomez nach dessen Toren bei der EM einen "Top-Stürmer in Europa" genannt hatte.

Erst Verlängerung, dann Druck

Überhaupt sieht es ein wenig danach aus, als gelte es derzeit, Entscheidungen Christian Nerlingers genauer zu hinterfragen. Von Nerlinger wurde die Vertragsverlängerung Gomez' forciert und durchgewunken. Wohlgemerkt von den Bossen.

Jetzt wird der Spieler, mit dem erst vor vier Monaten vorzeitig bis 2016 verlängert wurde, öffentlich unter Druck gesetzt. "Das Wohlfühlgehabe, das es bei uns ständig gab, ist nicht immer gut", sagt Hoeneß.

Dazu passt Sammers Darstellung nicht, der am Mittwoch noch einmal bekräftigte: "Nach außen schützen wir unsere Mannschaft. Und nach innen sprechen wir die Probleme in aller Deutlichkeit an."

Butt-Abschied bleibt überraschend

Beim plötzlichen Abschied von Jörg Butt - auf Nerlingers Vorschlag und gemäß der Direktive, Ehemalige nur zu gerne in der Bayern-Familie unterzubringen - gab es offenbar kaum noch etwas zu besprechen. Sammer habe dem scheidenden Leiter des Jugendleistungszentrums noch seine Hilfestellung angeboten. Butt habe abgelehnt, seine Entscheidung bereits Mitte letzter Woche unwiderruflich getroffen.

Im Kommuniqué der Bayern hieß es, dass Butt die Aufgabe laut eigener Aussage "nicht die gewünschte Zufriedenheit und Passion bringt." Dabei hatte der fast ein Jahr darauf verwendet, nach den Trainingseinheiten ins Büro seines Vorgängers Werner Kern zu eilen und sich in die Aufgaben seines künftigen Betätigungsfelds einweisen zu lassen.

Völlig unvermittelt traf Butt die neue Herausforderung keineswegs, der Rückzug des "geradlinigen und konsequenten Mannes" (Karl-Heinz Rummenigge) ist deshalb umso überraschender.

Gefährlicher Supercup?

Diese neuerliche Wendung soll die vorerst letzte bleiben. Am Sonntag steht das Spiel im Supercup an, in der heimischen Allianz Arena gegen Borussia Dortmund. Gegen den Meister und Pokalsieger gab es zuletzt fünf Niederlagen in Folge.

Ob deshalb für die Bayern nicht mehr auf dem Spiel stehe, als "nur" der Verlust des ersten Titels der Saison? Eine sechste Niederlage, ein neuerlicher gefährlicher Rückschritt inmitten der Aufbauarbeit?

"Oberflächlich betrachtet zu einhundert Prozent. Inhaltlich betrachtet aber überhaupt nicht", antwortet Sammer. "Es gab zuletzt deutliche Entwicklungsunterschiede. An deren Ursachen müssen wir arbeiten."

Jetzt aber unter etwas erschwerten Bedingungen. Seit Sammers Amtsantritt vor fünf Wochen hat sich allerhand getan. "Was ich am Anfang gesagt habe, war am Anfang richtig. Während unseres Entwicklungsprozesses ändern sich aber einige Dinge. Ich bin überzeugt, dass wir weiter an den richtigen Stellschrauben arbeiten."

Hoeneß denkt weniger langfristig, ihn würde eine erneute Niederlage schon enorm stören. "Ich kann mir die Schlagzeilen schon vorstellen, die die Presse produzieren wird, falls wir nicht gewinnen sollten. Also dieses Spiel wird auf jeden Fall ein Ernstfall sein."

Das ist der FC Bayern München

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