Klopp: "Müssen nicht jedes Jahr Meister werden"

SID
Jürgen Klopp (2.v.r.) sieht die Leistungen seiner Mannschaft noch immer als Überraschung an
© Getty

Ein Millionenangebot aus der englischen Premier League würde Dortmunds Meistertrainer Jürgen Klopp nicht interessieren. Der schlimmste Verein für ihn sei im Moment Manchester City. "Wenn ich nur der bin, der die elf Besten bei Laune hält und durch die Saison führt, entspricht das nicht meinem Berufsverständnis", sagte der 44-Jährige im Interview.

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Frage: Hätten Sie vor der Saison erwartet, dass sie mit Bayern München um den Titel spielen, auch im DFB-Pokal-Finale?

Jürgen Klopp: Nö. Erhofft, gewünscht, aber erwartet - dazu bestand kein Anlass. Wir haben uns auch nicht damit beschäftigt. Wir können zwei Jahre zurückgehen: Damals hat niemand gedacht, dass Borussia Dortmund mit dieser blutjungen Truppe innerhalb von zwei Jahren ein logischer Champions-League-Anwärter werden muss und in jedes Bundesliga-Spiel als Favorit geht, außer in das gegen Bayern München. Das ist eine rasante Entwicklung.

Frage: Doch nun erwartet die Öffentlichkeit ständig Siege. Sie auch?

Klopp: Die Einschätzung, die Betrachtung von außen ist oberflächlicher und schneller. Da wird versucht, Druck zu machen. Da sollte man jedes Spiel gewinnen. Die Entwicklung beim BVB ist sehr schnell verlaufen, trotzdem ist unsere Mannschaft organisch gewachsen. Deswegen sind wir mit der aktuellen Situation durchaus einverstanden. Wir haben 14 Punkte Vorsprung auf Gladbach. Es ist wahrscheinlich, dass wir uns direkt für die Champions League qualifizieren. Das ist das Fangnetz, das ist das, was für unseren Verein wichtig ist. Das ist das, was die Finanzen regelt, weil dieser Wettbewerb unglaublich lukrativ ist. Und schon ist der Rest Zugabe. Wenn man ein Fangnetz hat, kann man den einen oder anderen Salto mehr machen.

Frage: Sie haben immer gesagt, dass Bayern München weit voraus ist ...

Klopp: Der Weg von Bayern München ist durch eine Vielzahl von richtigen Entscheidungen gekennzeichnet. Ganz am Anfang, als die Bundesliga ihren Betrieb aufnahm, war auch ein bisschen Glück dabei, dass die richtigen Spieler aus dem Großraum München kamen und für Furore gesorgt haben, aufgestiegen sind, und dann relativ schnell die Bundesliga dominiert haben. Daraus und aus den fantastischen strukturellen Voraussetzungen in Bayern haben sie das Optimale gemacht.

Frage: Und was ist mit der Borussia?

Klopp: Wir dagegen befinden uns in Nordrhein-Westfalen in einem Ballungsraum und haben viel mehr Konkurrenten. Das heißt, die finanziellen Voraussetzungen bei den Bayern sind einfach besser, und mit den richtigen Entscheidungen, die sie in den letzten 50 Jahren getroffen haben, macht das den Unterschied zu allen anderen Mannschaften aus. Borussia Dortmund ist inzwischen auf einem sehr guten Weg. Aber das Ganze muss nachhaltig sein. Es geht nicht darum, jedes Jahr Meister zu werden. Das haben ja nicht einmal die Bayern geschafft. Es geht darum, sich kontinuierlich zu entwickeln, ohne das Risiko zu groß werden zu lassen.

Frage: Sie vermitteln den Eindruck, als ob Sie als Trainer wunschlos glücklich wären. Wäre es für sie nicht auch verlockend, das Geld eines Roman Abramowitsch ausgeben zu können?

Klopp: Würde mich nicht interessieren. Der schlimmste Verein in diesem Moment ist für mich ManCity. Weil dort Trainer zu sein ein anderer Beruf ist als der, den ich beim BVB mache. Wenn ich nur der bin, der die elf Besten bei Laune hält und durch die Saison führt, entspricht das nicht meinem Berufsverständnis. Ich möchte mit den Jungs, die mir zur Verfügung stehen, arbeiten. Ich habe noch nie von Dingen oder Spielern geträumt, die nicht möglich waren.

Frage: Sie haben nicht zuletzt auch deswegen in Dortmund bis 2016 verlängert. Wenn man trotzdem darüber hinaus blickt: Was wäre für Sie noch vorstellbar? Vielleicht Bundestrainer?

Klopp: Das ist wie bei einem Spieler. Man spielt zuerst Fußball, weil es einem Spaß macht, weil es bezahlt wird und man seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Und irgendwann denkt man: Nationalspieler wäre jetzt auch cool. Ich bin als Trainer zweifellos näher an der Nationalmannschaft, als ich es als Spieler jemals war. Es wäre eine Ehre, aber es steht aktuell überhaupt nicht zur Debatte. Wir haben einen fantastischen Bundestrainer, einen herausragenden Bundestrainer, der den Job auch gerne macht, was ich sehr praktisch finde.

Frage: Reizt Sie diese Aufgabe wirklich nicht?

Klopp: Ich habe einen Vertrag bis 2016 beim BVB, wer weiß, was bis dahin passiert. Sollte irgendwann jemand auf die Idee kommen, mir dieses Amt anzutragen und ich bin gerade verfügbar, würde ich das wahrscheinlich wohlwollend prüfen. Es wäre eine Ehre, aber nur, wenn ich dazu Zeit hätte. Auch mein Leben ist kein Wunschkonzert. Und es gilt, Verträge und Vereinbarungen einzuhalten. Ich wurde noch nie entlassen, was ein großes Glück ist. Ich stand noch nicht einmal auf der Kippe, glaube ich zumindest.

Frage: Viele Ihrer Kollegen haben es schwerer, sie mussten wie Robin Dutt oder Marco Kurz die Koffer packen. Haben es Fußball-Trainer heutzutage so schwer wie nie zuvor?

Klopp: Eigentlich nicht. Nehmen wir Marco Kurz, den ich über alles schätze. Er war eigentlich der perfekte Trainer für Kaiserslautern. Aber vor zwei, drei Jahren wäre er mit der heutigen Punktesituation wahrscheinlich schon früher gegangen. Ich weiß, dass Marco sehr schnell wieder einen Job finden wird, weil jeder weiß, wie schwierig diese Aufgabe in Kaiserslautern war und wie er sie gemeistert hat.

Frage: Also gehört eine Entlassung zum Berufsrisiko ...

Klopp: Ich bin der falsche Ansprechpartner, weil ich das Gefühl bisher noch nicht hatte. Um darüber reden zu können, muss man wahrscheinlich mal in der Situation gewesen sein.

Jürgen Klopp im Steckbrief

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