Ein Leben für den BVB

Von Daniel Börlein
Nach 13 Jahren verlässt Dede Borussia Dortmund am Saisonende
© Imago

Nach 13 Jahren trennen sich am Saisonende die Wege von Dede und Borussia Dortmund. SPOX blickt zurück auf die Zeit, in der der Brasilianer zum unumstrittenen Fan-Liebling aufgestiegen ist. Mit dabei: Titel, Rekorde, Schmerzen, Tränen, die Samba-WG, vereiste Scheiben und ein ganz persönliches Highlight.

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Dede machte keinen Hehl aus seinen Gefühlen. "Ich habe geweint. Auch Zorci stand das Wasser in den Augen", sagte der Brasilianer über den Moment, als ihm Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc mitteilte, dass der BVB seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängern wird. "Nach unserem Gespräch bin ich ins leere Stadion gefahren und bin eine Stunde heulend über den Rasen spaziert. Die Enttäuschung musste raus."

Nach 13 Jahren ist für den 32-Jährigen damit am Saisonende also Schluss bei der Borussia. Nach 13 Jahren, in denen sich Dede keinen einzigen Skandal leistete und mit keinem Trainer oder Mitspieler ein Problem hatte, sondern stattdessen zum unumstrittenen Liebling der BVB-Fans aufstieg.

"Das schwarzgelbe Trikot ist meine zweite Haut geworden", sagt er. Und gerade deshalb reißt es ihm "das Herz raus", dass er keinen neuen Vertrag mehr bekommt. Ärger macht Dede deswegen keinen. "Das, was die Menschen hier für mich getan haben, werde ich nie vergessen! Ich respektiere die Entscheidung. Ich war elfeinhalb Jahre Stammspieler und werde auch bis zum Ende weiter Gas geben." So, wie er es immer getan hat. SPOX blickt zurück auf Dedes einzigartige Karriere beim BVB.

Sommer 1998

Mit gerade mal 20 Jahren wechselt Dede von seinem Heimatklub Atletico Mineiro nach Deutschland. Die Borussia macht das Rennen, obwohl sich der Linksfuß zuvor eigentlich schon mit Bayer Leverkusen einig war. In Brasilien war Dede zuvor zum besten Linksverteidiger der Liga gewählt worden. In Deutschland ist er allerdings ein unbeschriebenes Blatt.

Dedes Gedanken: "Mir fiel der Abschied aus Brasilien unheimlich schwer. Ich wuchs mit meinen Brüdern und meinen Eltern in einer kleinen Wohnung in einer Favela von Belo Horizonte auf. Wir lebten zu acht auf nicht mal 35 Quadratmetern. Doch das war mein zu Hause, die Favela, meine Familie. Ich kannte dort jeden Stein, ich hatte an jeder Ecke Freunde, bei Atletico Mineiro, meinem damaligen Verein, liebten mich die Fans. Ich wollte in Dortmund drei Jahre meinen Vertrag erfüllen und dann zurück nach Brasilien gehen."

Mai 1999

Dedes erste Saison in Deutschland ist vorbei. Er schafft mit dem BVB als Vierter die Qualifikation für die Playoffs zur Champions League und schnell den Sprung zum Stammspieler. Der "Kicker" kürt ihn zum "Gewinner der Saison".

Abseits des Platzes tut er sich allerdings schwer, die neue Umgebung macht ihm Probleme. So bittet er beim ersten Wintereinbruch verzweifelt Michael Zorc um Hilfe, weil er die zugefrorenen Scheiben seines Autos für einen Fahrzeugschaden hält. Auch mit der Sprache kommt er nicht wirklich zurecht und telefoniert deshalb teilweise stundenlang mit seiner Familie in Brasilien.

Dedes Gedanken: "Als ich das erste Mal im Westfalenstadion aufgelaufen bin, habe ich sofort gespürt, dass das hier etwas Besonderes ist. Dieses Gefühl wurde mit jedem Spiel und jeder Saison stärker. Natürlich gab es auch Probleme. Es war einfach alles anders. Ich war alleine, keine Freunde, keine Familie, anderes Essen, andere Sprache, anderes Wetter. Die Leute waren viel reservierter als in Brasilien."

Sommer 2001

Längst hat sich Dede in Deutschland eingelebt. Sportlich zählt er zu den besten Außenverteidigern der Liga. Mit Ewerthon und Marcio Amoroso wechseln zwei weitere Brasilianer zum BVB. Dede kümmert sich um die Integration seiner Landsleute und wird zu "Borussias Außenminister".

Im Hause Dede in Herdecke vor den Toren Dortmunds entsteht die berühmte "Samba-WG", in der nicht nur die BVB-Südamerikaner ein und aus gehen und ein Stück Brasilien nach Deutschland bringen. Auch die ehemaligen Schalker Marcelo Bordon, Lincoln oder Kevin Kuranyi sind jederzeit herzlich willkommen. Für seine Landsmänner Tinga und Santana wird Dede in den folgenden Jahren zur wichtigsten Bezugsperson.

Dedes Gedanken: "Für meine brasilianischen Kollegen habe ich die ganzen kleinen Dinge im Alltag erledigt. Ich habe das gerne gemacht, denn mir hat das damals, als ich nach Dortmund kam, gefehlt. Mit den Brasilianern war es immer laut, und wir haben viel gelacht. Tinga war jeden Tag bei mir. Felipe Santana ist es auch. Sie kommen zum Playstation spielen, um mit mir zu quatschen oder Samba zu spielen. Ewerthon hat bei mir gewohnt. Evanilson, Amoroso - wir waren immer zusammen. Das ist ein kleines Stück Heimat. Da ich keine Frau und Kinder habe, ist das eine gute Lösung."

Mai 2002

Unter der Regie von Trainer Matthias Sammer holt der BVB den sechsten Meistertitel der Vereinsgeschichte. Dede ist dabei einer der Erfolgsgaranten. Im UEFA-Cup-Finale scheitert die Borussia allerdings mit 2:3 an Feyenoord Rotterdam. Zuvor erlebt Dede jedoch mit dem 4:0-Heimspielsieg im Halbfinale gegen den AC Milan "einen meiner unvergesslichsten Momente in Dortmund".

Sommer 2002

Zur neuen Saison wechselt Dedes älterer Bruder Leandro aus Brasilien zum BVB. Der Angreifer tut sich allerdings schwer, sich in Dortmunds Starensemble durchzusetzen. Nach zwei Jahren, zwölf Ligaspielen und zwei Toren verlässt Leandro den BVB 2004 wieder. Ihr persönliches Highlight erleben die beiden Brüder im November 2002, als sie im Champions-League-Spiel in Auxerre erstmals gemeinsam in der Startelf stehen.

Dedes Gedanken: "Das war mit der schönste Tag in meinem Leben, als ich damals in der Champions League gemeinsam mit meinem Bruder im gleichen Trikot ins Stadion einlaufen konnte. Dieses Gefühl kann ich gar nicht beschreiben. Ich war so nervös wie bei meinem ersten Spiel in Dortmund, aber glücklich zugleich."

April 2004

Dede zählt seit Jahren zu den besten Linksverteidigern in Europa. Im Nationalteam ist allerdings an Roberto Carlos kein Vorbeikommen. Dede wird zwar das eine oder andere Mal in die Selecao berufen, es reicht allerdings nur zu einem einzigen Länderspiel. Am 28. April wird Dede beim 4:1-Erfolg gegen Ungarn zur Pause eingewechselt.

Frühjahr 2005

Der BVB ist wirtschaftlich schwer angeschlagen, sogar die Insolvenz droht. Präsident Gerd Niebaum und Manager Michael Meier müssen ihren Hut nehmen, Reinhard Rauball und Hans-Joachim Watzke versuchen, die drohende Katastrophe zu vermeiden - was ihnen schließlich auch gelingen wird. Für die Rettung sind allerdings ein gnadenloser Sparkurs und damit verbundene Spielerverkäufe und Gehaltskürzungen nötig.

Dedes Gedanken: "Als es die große Krise um den Verein gab und viele Spieler nicht mehr mitmachen wollten, habe ich mich sofort entschieden, dass ich den Weg mit Borussia weitergehe. Ich habe sogar freiwillig auf 50 Prozent Gehalt verzichtet. Diese Entscheidung war auch für mich nicht einfach. Heute bin ich froh, dass es so gelaufen ist."

Zu Teil 2: Ein Angebot, der Schock, die Rückkehr und der Blick nach vorne

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