Pezzaiuoli: "Meine Idole? Cruyff und Guardiola"

Von Interview: Stefan Rommel
Marco Pezzaiuoli übernahm zu Beginn des Jahres das Traineramt bei 1899 Hoffenheim
© Getty

Anfang Januar übernahm Marco Pezzaiuoli das Traineramt bei 1899 Hoffenheim und wurde Nachfolger von Ralf Rangnick. Im SPOX-Interview spricht der 42-Jährige über das frühe Ende seiner Profi-Karriere, seine Idole und die Zeit bei den Suwon Samsung Bluewings.

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SPOX: Wie tickt eigentlich ein Jugendlicher, der schon früh für sich entschied, statt Fußballer gleich Trainer zu werden?

Marco Pezzaiuoli: Ich war im A-Jugendbereich Spielführer beim KSC und hatte einen sehr engen Draht zu meinem damaligen Trainer. Er hat mir da schon die Verantwortung mitgegeben, auf dem Feld wie ein Trainer zu denken. Der klassische verlängerte Arm.

SPOX: Ihr Lebensweg erinnert ein wenig an den von Thomas Tuchel. Wie er haben auch Sie sich früh schwer verletzt und die aktive Karriere beendet. Er verfiel dann phasenweise in eine Art Sinnkrise, musste sich mit Studentenjobs über Wasser halten. Wie war das bei Ihnen?

Pezzaiuoli: Ganz anders. Ich war mit 20 Jahren schon als hauptamtlicher Jugendtrainer beim KSC aktiv. Der Werdegang war dann doch etwas anders.

SPOX: Aber wie Tuchel, Ralf Rangnick, Robin Dutt oder Mirko Slomka haben auch Sie keine große Profikarriere hingelegt und sind trotzdem Bundesligatrainer. Ist das jetzt ein neuer Trend oder Zufall?

Pezzaiuoli: Es gab immer gewisse Phasen. Mal waren es junge Trainer, mal wieder ältere. Es sind grundsätzlich alle Wege möglich. Große Trainer wie Arrigo Sacchi oder Louis van Gaal waren keine Top-Fußballer - und trotzdem sehr erfolgreiche Trainer.

SPOX: Wie lautet die Definition eines kompletten Trainers?

Pezzaiuoli: Es kann nicht schaden, alles durchlebt zu haben. Ich habe den kompletten Jugendbereich durchlaufen als Trainer, als Koordinator, als Co-Trainer bei den Profis und später als Cheftrainer, dazu habe ich mir Auslandserfahrung angeeignet und habe für den DFB gearbeitet. Man bekommt so viele Facetten des Berufs mit, die viele Ex-Profis so gar nie machen können. Sie kennen zwar die Erfahrungen als Spieler, haben den Beruf aber nicht von der Pike auf gelernt. Es gehen beide Modelle. Aber für mich war mein Weg der richtige.

SPOX: Hatten oder haben Sie auch noch ein Idol?

Pezzaiuoli: In Italien fand ich Giancarlo Antognoni als Stratege immer sehr gut, oder Johan Cruyff und Pep Guardiola als Spieler. Von den Trainern habe ich mir von jedem ein bisschen was abgeschaut.

SPOX: Sie sind in relativ jungen Jahren als Trainer nach Korea gegangen. Was genau hat Sie zu diesem eher ungewöhnlichen Schritt bewogen?

Pezzaiuoli: Ich war 14 Jahre beim KSC und hatte per Handschlag eine Vereinbarung. Dann gab es aber Probleme, gleichzeitig hatte ich anderen Bundesligavereinen schon abgesagt. Daraufhin kam diese Anfrage. Ich war jung, unverheiratet und wollte das dann auch unbedingt machen: Erfahrungen in einem anderen Land sammeln, eine neue Kultur kennenlernen und auch als Persönlichkeit dazulernen. Ich hatte das auf zwei, drei Jahre angelegt.

SPOX: Aber wie kommt man auf die Suwon Samsung Bluewings?

Pezzaiuoli: Bum Kun Cha war damals Trainer bei Suwon und gab mir eine ausgesprochen verantwortungsvolle Aufgabe: Ich sollte von der Spielphilosophie bis zur Trainingsarbeit alles machen. Wir waren schnell erfolgreich, wurden im ersten Jahr Meister, Asienmeister, haben den Supercup gewonnen. Ich habe noch ein Jahr verlängert, mehr aber auch nicht.

SPOX: Warum nicht?

Pezzaiuoli: Wenn du mehr als drei Jahre im Ausland arbeitest, bist du schnell der "Auslandstrainer". Dafür habe ich mich aber zu jung gefühlt. Außerdem wollte ich noch den Fußballlehrer machen, wofür ich vorher beim KSC keine Zeit hatte.

SPOX: Ihr Vater ist Italiener, Ihre Mutter Niederländerin, Sie sind in Deutschland aufgewachsen. Wozu fühlen Sie sich hingezogen?

Pezzaiuoli: Ich bin generell sehr weltoffen. Ich habe noch in Italien  und  den Niederlanden gelebt. Ich denke, es ist positiv, von verschiedenen Kulturen Dinge mitzunehmen.

SPOX: Nach der Zeit in Korea sind Sie nicht zurück nach Deutschland, sondern nach Amsterdam gezogen. Warum?

Pezzaiuoli: Ich war zunächst für eine sehr kurze Zeit in Deutschland, bevor ich nach Amsterdam gezogen bin. Ich fand den Einstieg für meine koreanische Frau in Deutschland einfach zu schwer. Sie hat in New York studiert und in Paris gelebt, konnte perfekt Englisch - aber kein Deutsch. Amsterdam ist eine sehr multikulturelle Stadt, jeder spricht Englisch. Zum Eingewöhnen genau das Richtige, um später zurück nach Deutschland zu ziehen.

SPOX: Sie hatten in den zweieinhalb Jahren in Amsterdam aber schon Ihren Job als Jugend-Bundestrainer beim DFB. Wie muss man sich das vorstellen?

Pezzaiuoli: Eigentlich ganz normal. Man ist ja immer auf Reisen, macht Spielbeobachtungen, scoutet Spieler. Ob Sie das von München aus machen oder von Amsterdam, macht kaum einen Unterschied.

SPOX: Haben Sie ab und zu auch bei Ajax vorbeigeschaut?

Pezzaiuoli: Wenn ich Zeit dazu hatte, habe ich mir den holländischen Fußball sehr gerne angeschaut.  Unter anderem auch Ajax.

SPOX: Sind Sie wirklich ein so genannter "Trainer holländischer Prägung"?

Pezzaiuoli: Eher nicht. Ich war früher sehr auf den italienischen Fußball fixiert, mein Vater ist ja Italiener. Die Viererkette hat es mir früh angetan, ich habe dann beim KSC im Nachwuchsbereich so spielen lassen. Ich habe eine Mischung gefunden aus dem italienischen, dem holländischen und dem deutschen Fußball und versuche das mit meinen eigenen Vorstellungen und denen des Vereins in Einklang zu bringen.

SPOX: Es gibt neben dem Multikulti-Spieler also auch den Multikulti-Trainer.

Pezzaiuoli: An meinen Nationalitäten gemessen schon. Man nimmt doch immer das mit, wie man aufgewachsen und geprägt worden ist. Und ich bin eben sehr international aufgewachsen.

SPOX: Matthias Sammer und Joachim Löw sind nicht immer einer Meinung. In Ihrem Fall aber schon: Beide wollten Sie unbedingt beim DFB halten. Das ultimative Lob?

Pezzaiuoli: Das war eine tolle Sache. Sie sind zwei Persönlichkeiten mit eigenständigen Philosophien. Beide sind sehr erfolgreich. Umso mehr weiß ich deren Wertschätzung  zu schätzen.

SPOX: Bei Löw steht die spielerische Komponente im Jugendbereich im Vordergrund, Sammer setzt auch auf Persönlichkeitsbildung und Willensstärke. Müsste die Linie noch einheitlicher werden?

Pezzaiuoli: Generell ist von beiden ein klarer roter Faden zu erkennen beim DFB - von Matthias Sammer in seinem Kompetenzbereich und von Jogi Löw in dessen. Auch durch die Leistungszentren sind klare Vorgaben geschaffen. Aber man sollte immer auf der Suche nach Optimierung sein. Das hat uns zuletzt stark gemacht, dass wir von anderen Nationen gelernt und einige auch schon überholt haben. Das darf uns aber nicht satt machen. Im Gegenteil: Wir müssen immer nach Verbesserung streben.

SPOX: Auch im Trainerbereich?

Pezzaiuoli: Wir sind dabei, qualitativ hochwertige Trainer zu haben, die Ausbildung wird immer besser. Letztlich profitieren davon auch die Spieler. Jeder Verein sollte für sich eine klare Linie vorgeben. Jeder Verein sollte einen Sportdirektor haben, der eine klare Philosophie vorgibt, die zu 100 Prozent zu seinem Verein passt. Das sehe ich in Deutschland noch nicht überall.

SPOX: In Hoffenheim funktioniert das Kompetenzteam?

Pezzaiuoli: Das muss alles unabhängig von einzelnen Personen sein. Wir haben in Hoffenheim sehr viel in die Infrastruktur investiert, in gute Trainer, in die tägliche Arbeit. Aber wir sind in der Bundesliga noch jung und es dauert seine Zeit, bis wir die Früchte dieser Arbeit ernten können.

SPOX: In Hoffenheim gab es unter Ralf Rangnick es so etwas wie Gewaltenteilung unter den Assistenztrainern, der eine ist Defensiv-, der andere Offensivcoach, ein anderer macht Standards. Ist das die Zukunft?

Pezzaiuoli: Die Dinge überschneiden sich aber auch. In der täglichen Arbeit auf dem Platz hat jeder auch andere Teilbereiche abgedeckt. Wichtig ist jedoch, dass Spezialisten zur Verfügung stehen, mit denen eine individuelle Arbeit möglich ist. Dazu braucht man hochqualifizierte Leute.

SPOX: Wie sieht das dann aus?

Pezzaiuoli: Mit 14 Spielern kann ich in eineinhalb Stunden weniger intensiv arbeiten als mit drei. Da bekommt jeder viel mehr Input, mehr Ballwiederholungen und Erfolgserlebnisse.

SPOX: Bleiben also nur zwei Möglichkeiten: Das Trainerteam wird vergrößert oder der Kader verkleinert?

Pezzaiuoli: Nicht unbedingt. Das Trainerteam darf nicht zu groß sein. Und man kann den Kader auch über mehrere Einheiten verteilt trainieren lassen und hat automatisch kleine Gruppen. So sieht der Cheftrainer jeden Spieler besser und kann ihn individuell besser betreuen.

SPOX: Ist individuelle Betreuung der Schlüssel, um Talente zu entwickeln?

Pezzaiuoli: Es spielen noch sehr viele andere Faktoren hinein neben einem guten Trainer, der auf einen baut und  fördert. Man benötigt eine Portion Glück, Zielstrebigkeit und vor allem Geduld. Sehr viele junge Spieler haben leider keine Geduld. Dabei muss man auf den richtigen Moment warten können. Es gibt genügend Beispiele die zeigen, dass Talente gescheitert sind, weil sie aus ihrem Umfeld negativ beeinflusst wurden.

Der Kader von 1899 Hoffenheim im Überblick