So wie einst in Barcelona...

Von Andreas Lehner
Bayerns Prunkstücke: Schale, DFB-Pokal, Arjen Robben und Franck Ribery
© Getty

Die Bayern holen zwei Titel, verpassen aber das ganz große Ziel. Jetzt beschwören die Münchner den Geist von 1999. Die Basis für eine erfolgreiche Zukunft ist gelegt, die Vertragsverlängerung von Franck Ribery ein Signal an Europa.

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Die Zukunft des FC Bayern begann mit einem Telefonat in gebrochenem Englisch. Auf der einen Seite saß Florentino Perez, Präsident von Real Madrid, mit seinem Assistenten und Übersetzer. Auf der anderen Seite Uli Hoeneß, Manager des FC Bayern München.

"Pedro, do you have a pen and a piece of paper? Okay, then write down a one and eight zeros", sagte Hoeneß. Eine eins mit acht Nullen markierte die Ablösesumme für Franck Ribery: 100 Millionen Euro.

Real verzichtete und der FC Bayern durfte seine "Schlossallee" (Hoeneß) behalten. Auch das Monopoly-Spielen brachte Hoeneß den Madrilenen bei: "Die Schlossallee gibt man aber nur her, wenn man in Not ist oder nicht mehr weiter weiß."

Signal an Europa

Keins von beiden war bei den Bayern der Fall. Im Gegenteil: die Münchner wollten um Franck Ribery eine neue Mannschaft aufbauen und sich so in die europäische Spitze zurückarbeiten. Dennoch schien der Abschied des Franzosen ein Jahr später unvermeidbar, wenn die Bayern noch eine Ablöse kassieren wollten.

Etwas mehr als ein Jahr später hat der FC Bayern ein weiteres Hotel auf der Schlossallee gebaut und den Vertrag mit Ribery bis 2015 verlängert.

Und das darf durchaus als Signal an die europäische Konkurrenz gewertet werden. Ein Zeichen, "dass wir nicht sofort einknicken, wenn jemand mit den großen Scheinen winkt", wie Hoeneß erklärt.

Es gibt Grenzen

Es ist gut für die Bayern, dass zugunsten von viel Geld mit einem Transfer nicht die bestehenden Strukturen eingerissen und dem Team große Qualität entzogen werden. Zumal sich die Bayern in dieser Saison mit Arjen Robben auch noch die Parkstraße und mit Louis van Gaal den richtigen Hotelmanager gesichert haben.

Die Saison 2009/10 hat gezeigt, dass die aktuelle Mannschaft ihre Dominanz in der heimischen Liga wiedergefunden hat und auch in Europa wieder konkurrenzfähig ist.

Aber das Finale gegen Inter Mailand hat auch gezeigt, dass es Grenzen gibt und "dass wir noch nicht so weit sind", wie Sportdirektor Christian Nerlinger anmerkte. Insbesondere wenn das Prunkstück des Vereins fehlt. "In so einem Spiel musst du den Franck dabei haben", sagte Präsident Hoeneß, "er fehlte an allen Ecken und Enden", meinte auch Ehrenpräsident Franz Beckenbauer.

Der nächste Schritt muss kommen

Das Team besitzt in der Breite nicht die individuelle Klasse eines FC Barcelona oder des FC Chelsea, Ausfälle ihrer Top-Stars sind nicht immer zu kompensieren. Deshalb werden die Münchner in der Sommerpause ihrer Monopoly-Sammlung weitere Straßen hinzufügen. "Wir werden uns weiter verstärken und ich glaube, dass wir in der kommenden Saison den nächsten Schritt machen", sagt Nerlinger.

Hoeneß bestätigte unlängst die Suche nach einem hochkarätigen Außenverteidiger. Auch an der Innenverteidigung sind nach der Vorführung durch Diego Milito Zweifel angebracht. Und dass die Bayern einen Nachfolger für Jörg Butt suchen ist längst kein Geheimnis mehr. Ebenso muss man sich langfristig um eine Alternative für Kapitän Mark van Bommel kümmern.

Es wird keine leichte Saison werden für den FC Bayern. Durch die WM bleibt nur wenig Zeit zur Vorbereitung mit der kompletten Mannschaft. In der Bundesliga sind sie ohnehin die Gejagten, dort müssen sie sich mit verteidigenden Mannschaften auseinandersetzen.

Auch in der Champions League haben sie viel Reputation zurückgewonnen, aber auch hier werden die Mannschaften gegen einen Finalisten jetzt abwartender agieren.

Wo steht Bayern wirklich?

"Es ist sehr schwierig, dieses Finale zu erreichen. Wir hätten gewinnen können, aber wir müssen das in der nächsten Saison bestätigen. Wir können auch in der Gruppenphase ausscheiden", sagte van Gaal. Schon in der abgelaufenen Saison hing das Wohl und Wehe der Bayern mehrmals am seidenen Faden. Sei es gegen Haifa, in Turin, in Florenz oder in Manchester.

Wo die Bayern im internationalen Vergleich wirklich stehen, wird erst die nächste Spielzeit in der Königsklasse zeigen. "Man muss dieses Niveau, unter die letzten Acht zu kommen, über Jahre halten, erst dann ist man eine europäische Spitzenmannschaft. Jetzt sind wir noch eine Einjahres-Fliege", sagte Kapitän Mark van Bommel schon vor dem Finale.

Die Bayern haben trotz einer der erfolgreichsten Saisons der Vereinsgeschichte den Realitätssinn nicht verloren. Sie wissen, dass sie auf dem richtigen Weg sind, aber der schwierigste Abschnitt vor ihnen liegt.

Van Gaals Maßnahmen greifen

Die Basis ist mit der sehr guten finanziellen Grundlage, den entwicklungsfähigen Talenten und den Stars gelegt. Außerdem hat van Gaal seinem Team eine Spielidee und damit eine neue Identität verpasst. Das Spiel der Bayern war zum Ende hin so erfrischend, dass sich die Münchner sogar ungewohnter Sympathien ausgesetzt sahen.

Neben dieser spielerischen Komponente war vor allem die Mentalität der Mannschaft der entscheidende Faktor für den Erfolg. Die Triumphe in der Champions League gegen Florenz und Manchester waren vor allem Willensleistungen.

Van Gaal hat dem Team ein neues Selbstbewusstsein und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gegeben. Mit harter Hand hat er in der Winterpause den Kader verkleinert und von Anfang an Spielern aus dem eigenen Nachwuchs eine Chance gegeben. Das brachte ihm besonders beim kritischen Anhang gleich zu Beginn viele Sympathiepunkte.

Bayern vor einer neuen Ära?

Es waren diese zum Teil einfachen Handgriffe, die die Verantwortlichen von der fähigsten und stärksten Mannschaft seit 2001 sprechen ließen. Selbst Vergleiche mit der hochheiligen Mannschaft aus den 70er Jahren durften ungestraft angestellt werden.

Ex-Bayern-Spieler Thorsten Fink sieht "eine neue Ära des FC Bayern München und eine noch bessere Zukunft mit einem tollen Trainer Louis van Gaal". Er glaubt, dass die jungen Spieler an dieser Negativ-Erfahrung wachsen werden.

Fink war 1999 in Barcelona dabei und nicht ganz unschuldig an der Finalniederlage gegen Manchester United, die bei der damaligen Mannschaft das Trauma auslöste, das sie zwei Jahre später zum Champions-League trieb.

Das etwas andere Barcelona

Nun war diese Niederlage in Madrid weniger grausam und epochal als die vor elf Jahren. Aber ihre Wirkung ist dieselbe. Der viel beschwörte Wille dieser Mannschaft ist durch dieses Negativerlebnis nicht gebrochen.

"Der Wille ist noch stärker geworden", sagt Bastian Schweinsteiger, der den Fans auf dem Münchner Rathausbalkon kurzerhand den Titel in der Königsklasse versprach.

Dieses Ziel hatte auch der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge auf dem Festbankett - übrigens im Saal "Barcelona" des Mannschaftshotels "Eurostars-Madrid Tower" - nach der Finalniederlage ausgegeben und sich einen ganz besonderen Ort dafür ausgesucht. "Ich wünsche uns, dass wir spätestens 2012 noch einmal im Finale stehen und es dann packen." Da findet das Finale in München statt.

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