Deutschland und seine Transfer-Machenschaften

Von Haruka Gruber
Kevin-Prince Boateng und Spielerberater Karel van Burik: Zwei, die sich fanden - und wieder trennten
© Imago

Als vor zwei Wochen beim "DSF-Doppelpass" über die Transfer-Affäre um Bremens Claudio Pizarro und den mittlerweile zurückgetretenen Werder-Geschäftsführer Jürgen L. Born diskutiert wurde, hielt sich Star-Gast Rudi Völler auffällig zurück.

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Nein, sagte der Manager von Bayer Leverkusen, er habe nicht mitbekommen, dass in Deutschland bei Spielerwechseln gemauschelt werde. "Ich habe nur Gerüchte aus Osteuropa und Südamerika gehört", sagte Völler.

Dabei berief sich die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schon vor zwei Jahren auf Aussagen einiger Spielerberater, nach denen in Deutschland bei ungefähr 40 Prozent aller Wechsel verdeckte Provisionen gezahlt werden und auf diese Weise Trainer, Fußball-Profis, Manager, Geschäftsführer und Agenten kräftig mitverdienen.

Dementsprechend tauchten in den vergangenen Jahren auch einige Beispiele auf, die bei Fans, Medien oder sogar der Justiz Zweifel weckten, ob im deutschen Profi-Fußball bei Transfers alles mit rechten Dingen zugeht.

Der Fall "TuS Koblenz": Dubiose Geschäfte mit Balkan-Duo

Am Landgericht Koblenz wird derzeit über den Rechtsstreit zwischen dem Zweitligisten TuS Koblenz und seinem ehemaligen Geschäftsführer Hermann Gläsner verhandelt.

Gläsner, dem im Dezember 2007 fristlos gekündigt wurde, weil er bei den Verpflichtungen des Serben Marko Lomic und des Bosniers Branimir Bajic nachträglich und ohne Absprache mit dem Aufsichtsrat zu hohe Ablöseverträge unterschrieben haben soll, klagt auf Lohnfortzahlung. Die fristlose Kündigung sei nicht rechtens gewesen, argumentiert Gläsner. "Alles wird sich fügen", sagt er.

Koblenz hingegen verlangt mindestens 1,49 Millionen Euro Schadenersatz von Gläsner. Nachdem im Sommer 2007 Lomic und Bajic mit Zustimmung der DFL für 420.000 beziehungsweise 250.000 Euro zur TuS gewechselt waren, soll Gläsner am Aufsichtsrat vorbei einen zweiten Transfervertrag unterzeichnet haben.

Plötzlich kostete Lomic 1,65 Millionen Euro, Bajic 850.000 Euro. Die beteiligten Berater kassierten doppelt ab, die Rede ist von bis zu 670.000 Euro.

Weil der Verein durch die nachträglichen Zahlungen für Lomic und Bajic die Lizenzierungsbestimmungen verletzt habe, bestrafte die DFL Koblenz mit dem Abzug von neun Punkten (sechs für die Saison 2007/08, drei für 2008/09). Gläsner beharrt darauf, vom Verein zu den Betrügereien gezwungen worden zu sein. "Gläsner hat den Bezug zur Realität verloren", sagt TuS-Anwalt Christoph Schickhardt.

Der Fall "Dick van Burik": Spieler und Berater in Personalunion?

Zehn Jahre spielte Dick van Burik für Hertha BSC Berlin - dennoch trennte sich der Klub im Sommer 2007 von seinem Führungsspieler. Der Vorwurf: Der stellvertretende Kapitän habe seinen Einfluss in der Kabine missbraucht und seinem Vater Karel van Burik, einem von der FIFA lizenzierten Spieleragenten, geholfen, Teamkollegen anzuwerben.

So sei es Dick van Buriks Verdienst gewesen, dass unter anderem die Brüder Kevin-Prince und Jerome Boateng sowie Sofian Chahed von Jörg Neubauer zu Karel van Burik gewechselt sind.

Berlins Manager Dieter Hoeneß erklärte, dass der wichtigste Grund für die Vertragsauflösung "der Interessenkonflikt von Dick" war. Unter anderem hegte die Hertha den Verdacht, dass Dick van Burik die Boateng-Brüder zu einem lukrativen Wechsel weg von Berlin ermutigt habe.

Van Burik beendete übrigens im Anschluss seine Fußballer-Karriere. Sein neuer Job: Spielerberater. Die Boatengs wie auch Chahed sind jedoch wieder zu Neubauer zurückgekehrt.

Der Fall "Alemannia Aachen": Wenn 290.000 Mark in bar verschwinden

Es mutet nach wie vor befremdlich an, welche kriminelle Energie bei der Alemannia vorgeherrscht haben muss, nachdem Aachen 1999 überraschend in die Zweite Liga aufgestiegen war.

Der damalige Präsident Wilfried Sawalies bildete schwarze Kassen und wurde rechtskräftig verurteilt, genauso wie sein Nachfolger Hans Bay, der wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung und Beihilfe eine Geldstrafe zahlen musste.

Alles in den Schatten stellte jedoch der damalige Schatzmeister Bernd Krings. Anfang 2001 wechselte der Australier Mark Rudan von Northern Spirit Sydney nach Aachen. Die vermeintliche Ablösesumme von 290.000 Mark übergaben die Vereinsverantwortlichen auf der Geschäftsstelle in bar und in einem Koffer verstaut einem Mann, der vorgab, Manager von Northern Spirit zu sein. Nur: Mister X war ein Hochstapler und das Geld verschwunden. Später sollte herauskommen, dass Rudan gar keine Ablöse gekostet hätte.

Geboren war die "Koffer-Affäre", fingiert von den beiden Spielervermittlern Frano Zelic und Hans Hägele. Im Zuge dessen landeten Krings, Rudan sowie Hägele zeitweise im Gefängnis, Zelic war zunächst untergetaucht, bevor er sich stellte.

Nach einer dreijährigen Ermittlung begann gegen Krings der Prozess wegen des Vorwurfs, den Verein in insgesamt neun Fällen um 470.000 Euro betrogen zu haben. Im Sommer 2005 erging das endgültige Urteil der ersten großen Wirtschaftsstrafkammer: ein Jahr und acht Monate auf Bewährung.

Der Fall "Rogon": Wie viel Macht hat eine Spieleragentur?

Die von Mario Baslers Schwager Roger Wittmann geleitete Spieleragentur "Rogon" gehört zu den zehn größten weltweit - und verfügt dementsprechend über Einfluss in Deutschland.

Besonders zu Beginn des Jahrhunderts in Kaiserslautern, seit einigen Jahren auch auf Schalke, verpflichteten die Klubverantwortlichen auffällig viele Rogon-Klienten - was für Misstrauen bei den Fans und den Medien sorgte. Wer derart viele Spieler eines Teams vertritt, hat zu viel Macht, so der Vorwurf.

"Die Wittmann-Spieler laufen beim Training rum und sagen anderen, sie sollen lieber zu Wittmann gehen, damit sie hier weiter Fußball spielen können", erzählte einst der ehemalige FCK-Torwart Andreas Reinke.

Der Vater von Bremens Mesut Özil wiederum erinnert sich daran, wie ein Rogon-Vertreter im September 2007 einen Berater-Wechsel schmackhaft machen wollte, indem seinem Sohn neben einer Prämie von 50.000 Euro auch eine Art Einsatzgarantie bei seinem damaligen Verein Schalke offeriert wurde.

"Wortwörtlich hat er mir gesagt: 'Bei uns würde Mesut das Vier- oder Fünffache verdienen und mehr spielen'", so Mustafa Özil. Rogon wies den Vorwurf als "durchweg unzutreffend" zurück.

Der Fall "Reiner Calmund": Freispruch auf ganzer Linie

2004 endete Reiner Calmunds Ära in Leverkusen. An die Öffentlichkeit wurde zunächst kommuniziert, dass er aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten sei. 2006 kam jedoch heraus, dass Calmund von Bayer entlassen wurde.

Der Verein hatte eine interne Ermittlung gegen seinen damaligen Geschäftsführer eingeleitet, weil Bayer den Verdacht hegte, dass Calmund Gelder veruntreut habe. Den Ausschlag für die Entlassung soll eine von Calmund angeordnete Zahlung über 580.000 Euro an Spielerberater Volker Graul gegeben haben.

So hatten Calmund und ein Mitarbeiter im Juni 2003 drei Schecks über 50.000, 150.000 und 380.000 Euro ausgestellt und bei der Sparkasse Leverkusen eingelöst. Die Beträge wurden in bar von Calmund an Graul übergeben. Nach Calmunds Aussage war die Summe dafür vorgesehen, Kaufoptionen für fünf Spieler (unter anderem Darijo Srna) zu erwerben.

Dennoch geriet Calmund wegen des Vorwurfs des Betrugs und der Untreue ins Visier der Justiz. In der Öffentlichkeit wurde sogar darüber spekuliert, dass das Geld dafür gedacht war, Spiele zugunsten Leverkusens zu manipulieren.

Schlussendlich wurde Calmund aber von allen Vorwürfen freigesprochen. "Es ist zwar denkbar, dass Herr Calmund etwas großzügig mit dem Geld umgegangen ist. Aber dafür, dass er in die eigene Tasche gewirtschaftet hat, gibt es bislang keine klaren Hinweise", sagte der leitende Oberstaatsanwalt Jürgen Kapischke.

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