Riberys Cousin

Von Interview: Alexis Menuge
Jacques, Abardonado
© Imago

München - Das Risiko, an zu hohen Erwartungen zu scheitern, ist bei Jacques Abardonado überschaubar. Der Neuzugang des 1. FC Nürnberg wechselte mit einem Sack voll Erfahrung aus Nizza ins Frankenland, eine hervorragende Reputation war jedoch nicht im Gepäck.

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Zwar begann er seine Profilaufbahn beim einst großen Olympique Marseille, nach neun mittelmäßigen Jahren in der Ligue 1 eilt ihm aber lediglich der Ruf des etwas grobmotorischen Abwehrhaudegens voraus. Aber auch wenn "Pancho", so Abardonados Spitzname, spielerisch einige Wünsche offen lässt - was das Kämpferische angeht, macht ihm keiner etwas vor.

Vor Nürnbergs Rückrunden-Auftakt in Karlsruhe (Sa., ab 15.30 Uhr im SPOX-TICKER und bei Premiere) spricht der Franzose im SPOX.com-Interview über einen avantgardistischen Coach, einen Riesen mit einem noch größeren Herz und eine schicksalhafte Unterhaltung mit Franck Ribery.

SPOX: Was ist Ihr erster Eindruck vom 1. FC Nürnberg?

Jacques Abardonado: Mit meinem Ex-Verein OGC Nizza ist es nicht vergleichbar. Hier sind die Trainingsbedingungen einfach weltklasse. Außerdem gibt es bei jeder Trainingseinheit sehr viele Menschen, die uns zuschauen. Das Stadion ist ebenfalls geil. Die Nürnberger leben für ihren FCN, das habe ich sehr schnell gemerkt. Ich bin positiv überrascht. Meine neuen Mitspieler haben mir auch erzählt, dass der FCN an seine früheren Erfolge demnächst wieder anknüpfen möchte. Ich spüre, dass der 1. FC Nürnberg ein echter Klub ist.

SPOX: Wie lautet Ihre Bilanz der Vorbereitung?

Abardonado: Ich muss zugestehen: So hart hatte ich in meiner Karriere bisher noch nie trainiert. Körperlich war ich im Trainingslager in Portugal ziemlich am Ende meiner Kräfte.

SPOX: Glauben Sie, am Samstag in Karlsruhe von Anfang an spielen zu dürfen?

Abardonado: Das hängt einzig und allein vom Trainer ab. In der Vorbereitung habe ich gleich zu Beginn gespielt. In den letzten Spielen wurde ich dann nur eingewechselt, aber ich war körperlich nicht soweit. Meine Chance ist, dass der FCN beim letzten Testspiel gegen Grasshopper Zürich drei Treffer kassierte und da war der Trainer mit der Leistung seiner Abwehrspieler unzufrieden. Ich bin froh, nur am Ende dieser Partie mitgewirkt zu haben.

SPOX: Was haben Sie für Ziele mit Ihrem neuen Arbeitgeber?

Abardonado: Die Priorität lautet: Klassenerhalt. Wir sind auf einem Abstiegsplatz und davon wollen wir uns schnellstmöglich entfernen. Wir haben keine Zeit zu verlieren und wollen sofort viele Punkte sammeln, um am Ende der Saison nicht zittern zu müssen. Und wir wollen gleich am kommenden Samstag in Karlsruhe ein Zeichen setzen.

SPOX: Wie sehen Sie den Konkurrenzkampf im Abwehrzentrum mit Andreas Wolf, Michael Beauchamp und Glauber?

Abardonado: Ich bin nach Nürnberg gekommen, um eine weitere Etappe in meiner Karriere zu schaffen. Ich werde alles geben, um das Maximum an Spielen zu bestreiten. Mein persönliches Ziel ist ein Stammplatz.

SPOX: Was für ein Trainer ist Hans Meyer?

Abardonado: Mir gefällt, dass er kein Kick and Rush spielen lässt, sondern einen modernen Fußball. Immer nach vorne gerichtet, mit einem Kurz-Pass-Spiel. Das ist der richtige Weg. Mit dieser Mannschaft haben wir das Potenzial, in der Rückrunde zu überraschen. Mit Herrn Meyer zu kommunizieren ist aber schwierig, weil er kein Französisch spricht und ich kein Deutsch.

SPOX: Sie kennen Jan Koller aus der französischen Ligue 1: Was für ein Typ ist der tschechische Nationalstürmer?

Abardonado: Ein Mensch mit einem großen Herz. Er hilft mir sehr, was die Sprache betrifft. Er sagt auch, dass die Arbeitsweise völlig anders ist als in Frankreich. Nach jeder Übung kommt er auf mich zu, um mir Mut zu machen oder mir zu helfen. Vor ihm kann ich nur meinen Hut ziehen. Ich bin echt froh, dass er hier ist.  

SPOX: Er hat sich sofort integriert...

Abardonado: Jan kennt bereits die Bundesliga in- und auswendig. In vier Freundschafsspielen hat er gleich vier Tore gemacht. Hier wird er von allen sehr respektiert, denn er ist ein Star. Hier ist er schon der Boss.

SPOX: Wie kam Ihr Kontakt zum Club ursprünglich zustande?

Abardonado: Nürnberg suchte einen erfahrenen Innenverteidiger, und die Verantwortlichen hatten mich mehrfach beobachtet. Ich brauchte eine neue Herausforderung, nachdem ich in Frankreich alles erlebt hatte. Ich habe mich auch bei Gernot Rohr erkundigt. Er hat mir sofort geraten, meine Familie mitzubringen. Ohne Familie in meiner Nähe wirke ich auf dem Platz wie ein Phantom. Rohr habe ich ja drei Jahre als Trainer in Nizza gehabt. Ich habe ihm viel zu verdanken. Er hat einen großen Anteil daran, dass ich nun seit zehn Jahren in der ersten Liga spiele. Dann habe ich in Nürnberg alles besichtigt und war sofort begeistert. Ich habe nicht lange überlegen müssen.

SPOX: Ein Wort zu Ihrem Landsmann Franck Ribery, der die Bundesliga seit August verzaubert...

Abardonado: Ich bin ein großer Ribery-Fan. Aber ich schätze ihn besonders als Mensch. Ich habe eine kleine Anekdote: Als er noch unbekannt war und damals beim FC Metz spielte, kam er zu mir nach einer Liga-Partie und sagte mir, obwohl wir uns überhaupt nicht kannten: "Cousin, ich bin froh zur Fußball-Familie zu gehören." Und dann sagte ich ihm: "Cousin, du wirst es schaffen." Ein paar Monate später ist er förmlich explodiert und ist zu einem der Besten der Welt geworden. Ich freue mich sehr für ihn, weil er ein genialer Mensch ist, aber bescheiden geblieben ist.

SPOX: Was mögen Sie besonders an seinem Spiel?

Abardonado: Mit dem Ball ist er kaum zu stoppen. Technisch ist er fantastisch. Er hat keine Schwächen. Alles was er erreicht hat, hat er sich verdient. Sogar beim FCN wird oft über ihn geschwärmt.

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