Ex-Spielerberater Ulrich Ferber im Interview: "Hleb hätte doch bei Bayern unterschreiben sollen"

Von Stanislav Schupp
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1999 gründete Ulrich Ferber die Berateragentur fair-sport GmbH, die unter anderem Stars wie Joshua Kimmich, Mario Gomez, Bernd Leno oder Aleksandr Hleb zu ihren Klienten zählt beziehungsweise zählte. Was zunächst als Hobby diente, entwickelte sich für Ferber schnell zu einem Business. Vor rund einem Jahr zog sich der heutige Leiter eines familienbetriebenen Hotels in Aspach aus dem aktiven Geschäft zurück.

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Im Interview mit SPOX und Goal spricht der 61-Jährige, der sich neben Fußball auch um das Schlagergeschäft seiner Ehefrau Andrea Berg kümmert, über die skurrilen Umstände des Hleb-Deals nach Stuttgart und große Proteste gegen Joshua Kimmichs Wechsel nach Leipzig. Außerdem erklärt Ferber, wie sich das Beratergeschäft im Laufe der Zeit verändert hat.

Herr Ferber, Sie sind gelernter Bäcker und Konditor, dazu leiten Sie Ihr familiengeführtes Hotel in Aspach. Wie sind Sie Berater geworden?

Ulrich Ferber: Ich bin mit der Leidenschaft für den Fußball groß geworden. Viele Mannschaften waren in den 1980er und 1990er Jahren während ihrer Trainingslager bei uns im Hotel untergebracht. Dadurch und dank meines Engagements für die SG Sonnenhof Großaspach, bei der ich seit den 80er Jahren ehrenamtlich in verschiedenen Funktionen tätig war, durfte ich viele tolle Menschen kennenlernen. Mit der Zeit wurde ich immer häufiger um Hilfe gebeten. Ich habe für nationale und internationale Vereine, die bei uns aufschlugen, als Netzwerker fungiert und mich um organisatorische Dinge gekümmert. Das machte mir Spaß, aber ich habe mir damals nie Gedanken darüber gemacht, das als zweites Standbein zu nutzen. Es war vielmehr ein Hobby, mit dem ich später dann auch gutes Geld verdienen konnte, aber ich hätte nie unser Familienunternehmen dafür aufgegeben. Den klassischen Berater gab es damals ohnehin noch gar nicht.

Wie ging es weiter?

Ferber: Ich fing an, noch enger mit den Teams zusammenzuarbeiten, aber nicht im klassischen Sinne eines Beraters. Es gab damals Spiele-Vermittler, die Mannschaften aus dem Ausland nach Deutschland brachten. Ich habe mich beispielsweise um Ausrüsterverträge, das Beschaffen von Mannschaftsbussen oder die Organisation von Trainingsanlagen gekümmert. Später wurde ich dann von Vereinen wegen bestimmter Spieler kontaktiert.

Welcher war der erste Deal, den Sie einfädelten?

Ferber: Der Transfer von Lajos Detari 1988 von Eintracht Frankfurt zu Olympiakos Piräus, mit 7,5 Millionen Mark der damals teuerste der Bundesligageschichte. Piräus war bei uns im Hotel und der Präsident Koskotas erzählte mir vom Interesse an Detari. Ich habe ihm daraufhin Anwälte organisiert und die notwendigen Kontakte hergestellt. Letztendlich habe ich ohne Honorar den zu diesem Zeitpunkt größten Transfer federführend begleitet.

Welche Auflagen mussten Sie erfüllen, um der Berater-Tätigkeit schließlich offiziell nachgehen zu können?

Ferber: 1999 erwarb ich die internationale Beraterlizenz der FIFA, diese war zur damaligen Zeit notwendig und im Vergleich zu heute auch wesentlich schwieriger zu erlangen. Man musste eine abgeschlossene Berufsausbildung, eine Zulassung vom Arbeitsamt und ein Führungszeugnis vom Bürgermeister der örtlichen Kommune nachweisen, darüber hinaus noch 200.000 Schweizer Franken [180.000 Euro, Anm. d. Red.] in Genf hinterlegen. Das war eine sehr große Hausnummer für mich. Ich musste eine mündliche Prüfung ablegen, die wochenlange Vorbereitung erforderte. Da ging es um die Statuten im Amateurfußball, lizenzrechtliche Angelegenheiten im Profifußball oder Richtlinien von FIFA, UEFA und DFB. Mit knapp 40 Jahren noch einmal die Schulbank zu drücken, war eine große Herausforderung. Ich glaube, dass ich dann in Deutschland zu den zehn ersten Spielerberatern gehörte.

1999 gründeten Sie Ihre Agentur fair-sport GmbH. Welcher war Ihr erster sozusagen offizieller Transfer?

Ferber: Der Wechsel von Aleksandr Hleb von BATE Borisov zum VfB Stuttgart im Jahr 2000. Er kam gemeinsam mit seinem Bruder Vyacheslav, der ebenfalls sehr talentiert war, aus Weißrussland nach Deutschland und hat bei uns gewohnt. Beide haben bei uns zur Familie gehört und gehören das noch immer. Wir haben Aleks und Vyacheslav ins Training gefahren, uns um Dinge wie Führerscheinprüfung und Deutschunterricht gekümmert. Aleks' erstes Haus in Deutschland besitzt er immer noch in Aspach. Wir haben darauf geachtet, dass er behutsam mit seinem Geld umgeht. Daraus hat sich eine sehr enge Freundschaft entwickelt. Ich bin heute noch für seine komplette Verwaltung und Immobilien in Deutschland zuständig.

Sie sollen die Ablösesumme von 300.000 Mark an BATE Borisov aus eigener Tasche bezahlt haben.

Ferber: Richtig. Die Abwicklung des Transfers war sehr steinig. Hleb war mit der weißrussischen U18-Nationalmannschaft in unserem Hotel. Ursprünglich hätte er bei 1860 München unterschreiben sollen. Helmuth Reuscher, damals Chefscout der Löwen, hatte ihn bei einem Testspiel gegen den VfB entdeckt. Er war direkt angetan und hat mir zugesichert, dass er den Transfer hinbekäme, wenn ich ihn für 300.000 Mark nach Deutschland bringen würde. Wir hatten die Rechnung jedoch ohne Trainer Werner Lorant und Präsident Karl-Heinz Wildmoser gemacht.

Inwiefern?

Ferber: Als wir nach München kamen, um den Spieler vorzustellen, hatten Lorant und Wildmoser nicht mal annäherndes Interesse an einer Verpflichtung. Daraufhin hat Hleb weder mit 1860 trainiert noch Gespräche geführt.

Und dann?

Ferber: Ich stand mit der Summe beim Präsidenten von Borisov im Wort und kam nicht mehr drumherum. Auf der Rückfahrt von München nach Aspach habe ich zwei Stunden mit Ralf Rangnick telefoniert, der damals noch Trainer beim VfB war. Unter ihm habe ich beim FC Viktoria Backnang in der Landesliga gespielt. Ich schilderte die Situation, doch er meinte, dass er keine neuen Spieler aufnehmen könne. Letztlich überredete ich ihn, Hleb drei Tage in Stuttgart mittrainieren zu lassen. Das war ein rein freundschaftliches Entgegenkommen. Mit der Last der Ablösesumme musste ich mir aber noch etwas einfallen lassen.

Das war?

Ferber: Ich gab einem Journalisten von der Stuttgarter Zeitung die Info, dass ein neuer Spieler beim VfB mittrainiert. Er war dann beim Training anwesend und nahm Aleks unter die Lupe. Aleks hat tatsächlich sehr gut trainiert, am nächsten Tag erschien ein Artikel über ihn. Rangnick hat sich nach den Probetrainings aber nicht umstimmen lassen. Auch mit allen anderen Vereinen, mit denen ich im Gespräch war, kam ich auf keinen Nenner. Ich fuhr dann erneut zu Ralf und bat ihn, Aleks beim Abschiedsspiel von Frank Verlaat mitwirken zu lassen. Ich wollte ihm noch einmal eine Plattform bieten.

Ulrich Ferbers erster offizieller Transfer: Aleksandr Hleb zum VfB Stuttgart.
© IMAGO / Sportfoto Rudel
Ulrich Ferbers erster offizieller Transfer: Aleksandr Hleb zum VfB Stuttgart.

Das hat Rangnick tatsächlich zugesagt?

Ferber: Zunächst erklärte er mich für verrückt und betonte erneut, der VfB Stuttgart habe keine Möglichkeit, ihn zu verpflichten. Am Ende stimmte er zu, ohne aber zu versprechen, ihn auch einzusetzen. Kurz nach der Halbzeit kam er aber in die Partie und hat gemeinsam mit Krasimir Balakov ein überragendes Spiel gemacht. Am nächsten Tag stand er bereits als neuer Zauberlehrling von Balakov erneut in der Zeitung und auf einmal gab es viele Interessenten. Der VfB wollte ihn jetzt natürlich auch verpflichten, konnte jedoch nicht die geforderte Transfersumme bezahlen. Also haben mein Bruder und ich jeweils 150.000 Mark in die Hand genommen und den Transfer über die Bühne gebracht.

Hleb hat bei Ihnen gewohnt, Sie kümmern sich um seine persönliche Angelegenheiten: Wie weit gehen die Aufgaben eines Beraters und wo liegen die Grenzen?

Ferber: Unsere Agentur um meinen heutigen Geschäftsführer Joannis Koukoutrigas und sein Team vertritt eine überschaubare Anzahl an Spielern. In großen Agenturen werden einige wenige Superstars gesondert behandelt, der Rest basiert auf einem System. Für mich ging es immer um eine persönliche Beziehung, ich habe mich mit den Spielern und ihren Vereinen identifiziert. Es wurde gemeinsam gefeiert und gelitten, da gab es keine Grenze. Bei manchen ist man so nah dran, dass man sogar persönliches Dinge wie Liebeskummer spürt und darüber redet. Bei anderen sind Themen wie Vermögensverwaltung und Zukunftsplanung nach der Karriere präsenter.

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