Pole unter Gelb: Rosberg entgeht Strafe

Nico Rosberg fuhr beim Ungar-GP 2016 auf die Pole Position
© getty

Nico Rosberg hat beim turbulenten Qualifying zum Großen Preis von Ungarn den Spieß im Mercedes-internen Kampf mit Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton umgedreht. Der Deutsche fuhr in der Nähe von Budapest auf dem Hungaroring in 1:19,965 Minuten die Bestzeit. Aufgrund einer Untersuchung der Stewards musste er aber lange um die Pole Position bangen. Die 107-Prozent-Regel sorgte unterdessen für riesiges Chaos.

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Rosberg lief nach dem Qualifying Gefahr, seine Pole Position zu verlieren. Nachdem sich McLaren-Honda-Pilot Fernando Alonso (7.) gedreht hatte, schwenkten die Marshals doppelt-gelbe Fahnen. Deshalb hätte Rosberg seine Fahrt deutlich verlangsamen müssen. Stattdessen setzte der WM-Führende die absolute Bestzeit im zweiten Sektor.

Die Stewards an der Strecke ließen sich lange Zeit, beschlossen um 19:16 Uhr aber, Rosberg und einen Verantwortlichen des Teams einzubestellen, um den Vorfall zu untersuchen. Der Sportkodex des Automobilweltverbands FIA sieht eine "signifikante" Reduzierung der Geschwindigkeit unter doppelt Gelb vor.

Nach einer knappen Stunde Besprechung folgte das Urteil: Freispruch. Die Kommissare stellten anhand der Telemetrie-Daten fest, dass Rosberg seine Geschwindigkeit vor Kurve 8 signifikant reduziert hatte.

Durch eine Strafe der Rennkommissare gegen Rosberg hätte Hamilton die Pole Position übernommen. Der Weltmeister war die zweitschnellste Zeit gefahren, er hatte seinen letzten Run in Q3 abgebrochen und war in die Box gefahren, nachdem sich Alonso gedreht hatte.

Das Ergebnis des Qualifyings im Überblick

"Ich war schneller unterwegs auf dieser letzten Runde", betonte der genervte Weltmeister. Rosberg wusste das: "Da hatte ich viel Glück, aber ich habe mich sehr gefreut."

Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda bestätigte bei Sky, dass Rosberg seine Fahrt verlangsamt und deshalb keine Strafe verdient habe. Die Einschätzung teilte Motorsportdirektor Toto Wolff: "Nico ist unter Gelb vom Gas gegangen. Dann ist es eine echte Pole."

Marko: "Das ist eine Farce!"

Bei Red Bull sah man das anders. Besonders Helmut Marko regte sich auf. "Er ist in dem Sektor absolute Bestzeit von allen Fahrern gefahren, obwohl doppelt Gelb geschwenkt wurde - das heißt: Er muss zum Anhalten bereit sein. Dann müsste er drei Sekunden schneller sein. Das ist eine Farce! Ich bin gespannt, ob da endlich reagiert wird", so der Motorsportberater.

Marko forderte die Stewards zum Handeln auf: "Sie haben es von sich aus gesehen. Sie haben die Daten. Das ist sowas von offensichtlich. Zumindest diese Zeit muss gestrichen werden."

Mercedes sah das anders. "Nico hat keine Strafe bekommen, weil er sich an die Regeln gehalten hat. Er ist vom Gas und wir müssen den besten Fahrern der Welt zutrauen, dass sie die Kontrolle darüber haben, welcher Speed angemessen ist", so Wolff.

Rosberg zieht mit Häkkinen gleich

Für Rosberg ist es die 26. Pole Position seiner Formel-1-Karriere, damit zog er mit seinem Idol Mika Häkkinen gleich. Der Deutsche startet zum vierten Mal in dieser Saison vom ersten Startplatz. "Was für ein Wahnsinnsqualifying, irgendwie lief alles kreuz und quer, das hat das Ganze sehr spannend gemacht", so Rosberg.

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Den dritten Platz sicherte Daniel Ricciardo für Red Bull, sein Teamkollege Max Verstappen wurde trotz Getriebeproblemen Vierter. Sebastian Vettel belegte Rang 5 vor Carlos Sainz jr. (Toro Rosso/6.), Alonso, Jenson Button (McLaren-Honda/8.), Nico Hülkenberg (Force India/9.) und Valtteri Bottas (Williams/10.).

Zufrieden war Vettel nicht. Er fühlte sich von Button behindert. "Ich weiß nicht, warum manche nicht aus dem Weg fahren, wenn sie ihre Runde abbrechen", schimpfte der vierfache Weltmeister im Anschluss an das Qualifying.

Regen sorgt für Probleme

Mehrere Fahrer hatten zuvor lange mit dem Wetter zu kämpfen. Schon im zweiten von drei Abschnitten der dreigeteilten Qualifikation wäre Hamilton beinahe ausgeschieden. Er rutschte als Zehnter in Q2 gerade noch in die Top 10, als die Strecke nach heftigen Regenschauern vor und zu Beginn der Qualifikation gerade abtrocknete.

Noch schlechter präsentierte sich Kimi Räikkönen: Ferraris Finne schied in Q2 vorzeitig aus. Der Iceman startet am Sonntag nur von Rang 14. Ähnlich enttäuscht war Sergio Perez, der schräg vor ihm auf Platz 13 mit seinem Force India ins Rennen gehen wird.

Zwischenzeitlich hatte Alonso ein dickes Ausrufezeichen gesetzt. Der McLaren-Honda-Pilot nutzte die abtrocknende Strecke, um im unterlegenen McLaren-Honda sein Talent zu beweisen. Er führte das Klassement während Q2 fast durchgängig an. Anfangs war selbst der Zweitschnellste über eine halbe Sekunde langsamer.

Viermal Rote Flaggen in Q1

Schon während des ersten Abschnitts kam es zu vier Unterbrechungen. Zuerst wurden die Roten Flaggen geschwenkt, weil der Regen für Aquaplaning sorgte, Sebastian Vettel rutschte deshalb selbst bei Schleichfahrt von der Strecke. Dann gab es Unfälle en masse.

Als die Rennleitung die Zeitenjagd wieder freigab, drehte sich Sauber-Pilot Marcus Ericsson prompt in die Streckenbegrenzung. Rot. Als es dann weiterging, sorgte Felipe Massa (Williams) für die nächste Pause, als er auf Intermediates in die Leitplanken rutschte.

Schließlich verlor Manors Rio Haryanto die Kontrolle über sein Heck und blieb im Kies stecken, zum Leidwesen seines Teamkollegen: Pascal Wehrlein war bei jedem Abbruch kurz vor Überquerung der Ziellinie, keine seiner schnellen Runden zählte. Der DTM-Champion beendete das Qualifying in Budapest deshalb mit der zweitschlechtesten Zeit.

Völlige Verwirrung um 107-Prozent-Regel

Insgesamt schafften in Q1 nur elf Fahrer eine Zeit innerhalb der 107-Prozent-Marke, die laut Reglement für einen Start am Sonntag nötig ist. Dieser Umstand sorgte nach dem Rosberg-Freispruch für völlige Verwirrung.

Die Stewards gaben bekannt, sämtliche Piloten ohne die nötige Zeit würden am Ende des Feldes in Reihenfolge ihres Abschneidens im 3. Freien Training aufgestellt. Also neben den gecrashten Fahrern auch Ricciardo, Verstappen, Hülkenberg, Perez und Bottas.

Allerdings entschieden die Kommissare, die Regel nur bei den Piloten anzuwenden, die nicht über Q1 hinausgekommen waren. Durch die "außergewöhnlichen Umstände" müsse Article 35.2 des sportlichen Reglements über Article 35.1 stehen. Mit anderen Worten: Die Reihenfolge der Piloten, die an Q2 und Q3 teilnahmen, ist wichtiger als die 107-Prozent-Regel.

Die übrigen Teams haben laut Reglement kein Recht, diese Entscheidung anzufechten. Durch diese Tatsache sowie der Entscheidung, dass Ericsson aufgrund eines Chassiswechsels aus der Boxengasse starten muss, stand die Startaufstellung acht Stunden nach Beginn des Qualifyings fest - sofern es keine weiteren Strafversetzungen wegen Motoren- oder Getriebewechsel gibt. Kurios dabei: Die Reihenfolge derjenigen Piloten, die nach dem 3. Freien Training aufgestellt werden, ist identisch zu der Reihenfolge in Q1 (abgesehen von Ericsson).

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