Macht McLaren sogar Ferrari nass?

McLaren hegt für den Grand Prix von Monaco große Hoffnungen auf eine Top-Platzierung
© getty

Ferrari und Sebastian Vettel schielen vor dem Großen Preis von Monaco (alle Sessions im LIVETICKER) trotz Rückstand auf Mercedes weiter auf den WM-Titel der Formel 1. Dabei müssten sie eigentlich in den Rückspiegel schauen: Renault rüstet Red Bull auf und selbst McLaren-Honda kann sich im Fürstentum Hoffnungen machen, die Scuderia aus Maranello anzugreifen.

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Michael Schumacher, Gilles Villeneuve, Jody Scheckter, Niki Lauda - wer die Siegerlisten des Grand Prix von Monaco nach Erfolgen der Scuderia aus Maranello durchsucht, muss genau hingucken. Weder Alberto Ascari noch Juan Manuel Fangio waren in der Lage, mit dem springenden Pferd in Monte Carlo auf den obersten Podestplatz zu fahren. Auch die Ferrari-Weltmeister Mike Hawthorn und Phil Hill gewannen nie mit einem Auto aus Maranello in Monaco. Fernando Alonso? Alain Prost? Kimi Räikkönen? Sebastian Vettel? Nur mit anderen Teams erfolgreich.

Neun Rennen gewann Ferrari bei 63 WM-Rennen in Monaco seit der Saison 1950. Eine Siegquote von 14 Prozent begeistert keinen einzigen Tifoso.

Dieses Jahr soll die Wende folgen. "Die Strecke liegt uns. Wir haben unser Auto in den Bereichen verbessert, die in Monaco wichtig sind", sagt Vettel, der beim Rennen in Monte Carlo 2015 Zweiter wurde: "Wenn es eine Chance auf den Sieg gibt, wollen wir sie ergreifen." Nur gibt es dabei ein paar Probleme, die der vierfache Weltmeister offenbar ausgeblendet hat.

Um den ersten Sieg für Ferrari in Monaco seit Schumachers Erfolg vor 15 Jahren einzufahren, muss die Scuderia die favorisierten Mercedes hinter sich lassen. Klar. Nur: Red Bull reist nach dem Sieg von Max Verstappen in Barcelona mit massivem Rückenwind an. Und es gibt wesentlich mehr Konkurrenz.

Das Indiz für Monaco: Barcelonas letzter Sektor

Wer vor dem Monaco-Wochenende ein ungefähres Bild vom Kräfteverhältnis in den Häuserschluchten an der Cote d'Azur haben will, muss nur ein Rennen zurückblicken. Der dritte Sektor in Barcelona bildet die Anforderungen von Monte Carlo nahezu perfekt ab. Vor Turn 10 wird die Zwischenzeit auf dem Circuit de Catalunya-Barcelona zum zweiten Mal gestoppt, danach folgen sieben langsame Kurven. Beim Blick auf die Zeiten, muss Ferrari eigentlich übel werden.

Daniil Kvyat im Toro Rosso und Daniel Ricciardo im Red Bull fuhren im Rennen hier die schnellsten Sektorenzeiten - mit DRS-Unterstützung. Doch die hatten auch beide Ferrari-Piloten, als sie hinter Verstappen und Ricciardo festhingen. Noch bedrohlicher sind allerdings die besten Sektorenzeiten der Teams vom Samstag:

  1. Mercedes: 28,736 Sekunden
  2. Red Bull: 28,931 Sekunden
  3. McLaren: 29,198 Sekunden
  4. Ferrari: 29,284 Sekunden
  5. Williams: 29,314 Sekunden

Statt Mercedes im Qualifying anzugreifen, könnte sich Ferrari ganz weit hinten anstellen müssen. Läuft es wie in Katalonien, stehen die roten Autos plötzlich auf Platz 7 und 8 in der Startaufstellung. Selbst Fernando Alonso und Jenson Button können im McLaren-Honda schneller sein.

McLaren-Honda bereitet sich auf bestes Wochenende vor

"Ich glaube, dass unser Auto ziemlich gut für diesen Streckentyp geeignet ist", lehnte sich Yusuke Hasegawa, Leiter des Honda-F1-Projekts etwas aus dem Fenster: "Wenn wir also das komplette Potenzial durch eine gute Balance aus Power Unit und Chassis herausquetschen, glaube ich, dass wir das Wochenende über wettbewerbsfähig sind."

Was er mit damit eigentlich aussagt? In Monaco wirkt sich der schwachbrüstige und durstige Honda-Antrieb kaum aus. Das gute McLaren-Chassis, die Arbeit der Ingenieure wird wichtiger als die Power Unit. McLaren-Honda erwartet das beste Wochenende seit der Wiederbegründung der am Übergang zwischen 1980ern und 1990ern so erfolgreichen britisch-japanischen Zusammenarbeit, und das pünktlich zur 50. Teilnahme des Traditionsteams am Rennen im Fürstentum.

Zu viel Euphorie soll allerdings unter keinen Umständen aufkommen. "Die Wetterbedinungen verändern sich oft. Unfälle sind häufig und haben tendenziell einen größeren Einfluss auf den Ausgang des Rennens als normal. Und Überholen ist berüchtigterweise oft frustrierend schwer", erklärte Rennleiter Eric Boullier die Besonderheiten des Straßenkurses im Fürstentum. Und genau das spielt McLaren in die Karten, zumal Honda für Monte Carlo ein Update für Alonsos Auto im Gepäck hat.

Zwischen den Leitplanken des Fürstentums ist Fahrbarkeit statt purer Power gefragt. Kontrolle statt Höchstgeschwindigkeit, um einen Kontakt mit den Leitplanken sicher zu vermeiden und gleichzeitig möglichst viel Vortrieb im unteren Drehzahlbereich zu generieren.

Schafft es McLaren, dies im Qualifying wie in Barcelona umzusetzen, wird es für die Hinterherfahrenden extrem schwer, sie am Sonntag noch zu überholen. Egal, wie langsam Alonso und Button fahren müssen, um mit dem durstigen Honda nicht zu viel Sprit zu verbrauchen.

Vettel schielt unverfroren auf WM-Titel

Noch immer wollen Vettel und Ferrari um die Fahrer-WM kämpfen. "Der erste Schlüssel dazu ist das Rennen in Monaco. Wir gehen das Schritt für Schritt an", sagt Vettel: "Wir werden besser, die Resultate zeigen es nur noch nicht immer."

Ein verpasster Monaco-Sieg wäre normal. Doch ein Rückfall hinter McLaren wäre kaum mehr als Betriebsunfall zu werten. Es wäre ein Weckruf per Wassereimer mitten in der Nacht.

Ferraris Schwäche ist weiterhin die Aerodynamik. "Ich habe mir größere Fortschritte erwartet", hatte Ex-Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo schon vor der Anreise des Formel-1-Trosses nach Monaco gegenüber The Australian erklärt: "Ich weiß, dass wir uns schon 2014 verbessert hatten. Die Fortschritte des Vorjahres waren die Früchte der Arbeit der Saison zuvor." Selbst sein Nachfolger, FIAT-Boss Sergio Marchionne, machte seinem Ärger schon Luft und forderte öffentlich bessere Ergebnisse.

Red Bull rüstet auf

Wenn ein Team die Silberpfeile an diesem Wochenende aus eigener Kraft herausfordern kann, ist es Red Bull. Anpressdruck und Traktion, die wichtigsten Eigenschaften eines Monaco-Autos, hat der RB12 ohnehin. Zusätzlich braucht es einen sicheren, schnellen Fahrer.

Der steht mit Ricciardo bereit. Er wird in Monte Carlos gegenüber Verstappen bevorzugt. Denn anders als ursprünglich geplant, führt Renault die Ausbaustufe seiner Power Unit nach den erfolgreichen Testfahren in Barcelona schon in Monaco und nicht erst in Kanada ein.

Der Haken: Nur zwei Aggregate haben die Franzosen rechtzeitig fertiggestellt. Eins geht an Renault und wird bei Kevin Magnussen verbaut, das andere hat Red Bulls Australier im Heck. Zwei bis drei Zehntel soll die Ausbaustufe pro Runde bringen.

"Wenn man zu aufgeregt nach Monaco kommt, kann sich das umdrehen und man beißt sich ins eigene Bein", warnte Ricciardo vorsichtshalber: "Wir müssen ruhig bleiben. Aber ich denke, wir haben eine gute Chance."

Ab sofort könnte nicht mehr Ferrari der erste Herausforderer der Silberpfeile sein. Mercedes rückt für Red Bull in Sichtweite.

Mercedes bleibt Favorit

Trotz aller Fortschritte der Verfolger: Der Favorit hat weiterhin seine Firmenzentrale in Stuttgart. "Ein Sieg in Monaco ist ganz groß im Rennsport, darüber kommt eigentlich nur noch der WM-Titel", sagt Nico Rosberg. Drei Mal in Folge gewann er zuletzt sein Heimrennen. Sein Teamkollege Lewis Hamilton wartet seit seinem ersten WM-Titel im Jahr 2008 auf einen Erfolg in seiner Wahlheimat.

"Ob wir gesprochen haben, ist unsere Sache", sagte Rosberg am Mittwoch trotz mehrfacher Nachfragen, als er auf die Stimmung nach dem Unfall in der Startphase des GP von Spanien angesprochen wurde: "Es ist ein Ding der Vergangenheit."

Mercedes weiß um die brenzlige Situation. "Wir können es uns nicht leisten, nachzulassen. Deshalb müssen wir zusammenhalten, stark bleiben und an diesem Wochenende gestärkt zurückschlagen", sagte Motorsportchef Toto Wolff: "Ich habe einen sehr unglücklichen Rennunfall gesehen, den beide Seiten hätten verhindern können."

Oberste Prämisse sei deswegen, dass beide Fahrer die Zielflagge sehen. Ob das Mercedes dieses Mal gelingt?

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