Hamilton gewinnt Strategie-Krimi

Lewis Hamilton lag nach dem Start hinter Sebastian Vettel, drehte den Spieß aber um
© getty

Weltmeister Lewis Hamilton hat mit einem erfolgreichen Strategiepoker beim Großen Preis von Kanada seinen zweiten Sieg in der Saison 2016 eingefahren. Bei seinem fünften Formel-1-Sieg in Montreal verlor der Mercedes-Pilot zwar den Start gegen Sebastian Vettel, kam aber einmal weniger an die Box als der Ferrari-Pilot und fuhr als Erster über die Ziellinie.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Ferrari hatte Vettel in Führung liegend bereits nach 11 Runden in die Box geholt. Hamilton kam erst nach 14 Runden zum Reifenwechsel und kontrollierte anschließend sein Tempo. Die soften und härtesten in Montreal verfügbaren Pirelli-Slicks bekamen Runde für Runde mehr Verbrauchsspuren, hielten aber gerade so bis zur Zieldurchfahrt.

Vettel gab seine mit einem Blitzstart eroberte Führung unterdessen her, als er in der 37. Runde auf Softs wechselte. Er machte anschließend zwar Runde für Runde Zeit auf Hamilton gut, verlor diese aber in den letzten Runden wieder.

Das Ergebnis des Rennens um den Kanada-GP

Dritter wurde Valtteri Bottas, der im Williams wie Hamilton nur einmal zum Reifenwechsel an die Box fuhr. Max Verstappen (Red Bull) landete als Vierter einen Platz vor Nico Rosberg (Mercedes). Der deutsche WM-Führende fiel nach einer leichten Kollision mit Hamilton direkt nach dem Start weit zurück und kam nur mühevoll an der Konkurrenz vorbei.

Die Führung in der Weltmeisterschaft bleibt trotzdem bei Rosberg. Mit 116 Punkten liegt er noch neun Zähler vor Hamilton (107), Dritter ist Vettel (78) vor Ricciardo (72) und Räikkönen (69).

Reaktionen:

Lewis Hamilton (Mercedes): "Schon wieder ein richtig schlechter Start. Ich bin nicht sicher, aber ich habe wahrscheinlich die Kupplung überhitzt. Ich bin sehr glücklich, dass Nico und ich nicht unsere Autos beschädigt haben. Es ist noch ein langer, langer Weg. Die anderen Jungs werden schneller und schneller. Ich möchte diesen Sieg Muhammad Ali und seiner Familie widmen. Die letzten 15 Runden konnte ich nur an ihn und seinen Rumble in the Jungle denken."

Sebastian Vettel (Ferrari): "Das Rennen hat echt Spaß gemacht. Lewis war ein bisschen zu schnell, das war das Problem. Nach dem fantastischen Start hatte ich ein paar Problem emit dem Rückenwind. Es war sehr wirklich windig. Wir haben uns früh für eine andere Strategie entschieden. Lewis Reifen haben wohl besser gehalten, als wir erwartet hatten."

Valtteri Bottas (Williams): "Es war eine starke Teamleistung. Eine wirklich gute Strategie und ein wirklich guter Boxenstopp. Ich habe mich pudelwohl gefühlt."

Der Spielfilm:

Vor dem Start: Mercedes tauscht bei Rosberg kurz vor dem Start die Elektronikeinheit der Power Unit. Sainz jr. rutscht durch einen Getriebewechsel fünf Plätze zurück. Das freut unter anderem Kvyat, der wie Ericsson für Monaco-Kollisionen eigentlich um drei Plätze strafversetzt wurde. Renault hat Magnussens Auto nach dem Crash im 3. Training neu aufgebaut, er nimmt das Rennen aus der Box auf.

Fast alle Piloten starten auf Ultrasofts. Perez und Magnussen wählen die härteste Mischung für den Start, die softe Mischung hat Pirelli als Pflichtreifen vorgegeben. Button und Haryanto starten mit Supersofts. Die Außentemperatur beträgt nur 12 Grad Celsius.

Das gesamte Rennen im RE-LIVE

Start: Was für ein Blitzstart! Vettel beschleunigt wie ein Düsenjet gegen Mercedes-Propellermaschinen. Er kassiert beide Silberpfeile problemlos ein und bremst Turn 1 schon wieder auf der Ideallinie an. Die Silberpfeile kollidieren mal wieder! Hamilton kommt schlechter weg als Rosberg, wehrt ihn aber ab. Der Deutsche muss durchs Gras und fällt aus den Top 10, der Weltmeister rettet Platz 2. Verstappen zieht an Ricciardo vorbei und ist Dritter.

Runde 1: Vettel zieht durch die Silberpfeil-Mini-Kollision ein paar Sekunden weg, verpasst aber die Schikane vor Start-Ziel. Das zwingt ihn zu einem Umweg und schon ist Hamilton wieder in Schlagdistanz. Weiter hinten kollidieren Magnussen und Nasr. Der Brasilianer ist mit seinem Sauber Letzter.

Runde 10: Buttons McLaren-Honda brennt. Der Engländer stellt das Auto auf der langen Geraden ab. Virtual Safety Car.

Runde 11: Vettel biegt in die Box ab. Das VSC wird im selben Moment aufgehoben. Der Deutsche bekommt Supersofts. Räikkönen folgt ihm und wird auf dieselbe Taktik geschickt.

Runde 17: Vettel läuft auf die Red Bull auf. Zeitverlust? Nein. Er schnappt sich Ricciardo mit einem entschiedenen Manöver schon vor der Haarnadel und darf danach bei freier Bahn DRS aktivieren. So kommt er direkt an Verstappen ran und schnappt ihn sich in der nächsten Runde auf der langen Gerade. Palmer stellt seinen Renault derweil in der Box ab.

Runde 20: Verstappen kommt an die Box und holt sich einen Satz Softs. Er bleibt vor Räikkönen und sortiert sich als Achter ein. Eine Runde später folgen Ricciardo, Rosberg und Hülkenberg. Danach die Williams. Ricciardo kommt hinter Räikkönen wieder raus.

Runde 24: Hamilton stoppt, nachdem Rosberg eine absolute Bestzeit mit den Softs im Mittelsektor hingeknallt hat. Alle Piloten außer den Ferrari fahren auf Softs. Magnussen und Perez sind noch auf den Startreifen unterwegs.

Runde 33: Räikkönen kommt zum zweiten Stopp. Er holt sich die Pflichtreifen: Softs. Aber: Er muss noch 37 Runden damit überstehen.

Runde 36: Massa fährt in die Box und stellt ab.

Runde 37: Zweiter Boxenstopp für Vettel. Er bekommt die vorgeschriebenen Softs und fährt mit knapp sieben Sekunden Rückstand als Zweiter hinter Hamilton raus. Kann der Weltmeister auf seinen Reifen durchfahren? Ricciardo folgt eine Runde später und tauscht Softs gegen Softs, weil Red Bull keine Supersofts mehr in der Garage hat. Der Australier kommt hinter Räikkönen wieder raus, weil der Mechaniker vorne rechts den Reifen nicht draufbekommt.

Runde 40: Magnussen kommt zum ersten Boxenstopp. 40 Runden auf der härtesten Mischung. Ein guten Zeichen für Mercedes.

Runde 46: Rosberg funkt sein Team mit der Bitte um mehr Informationen an. Sein Problem: Er sieht nicht mehr durch, weil sein Display lauter Warnmeldungen anzeigt. Überhitzende Bremsen durchs Fahren hinter Bottas? Unterdessen fährt der drittplatzierte Verstappen an die Box. Perez und Grosjean machen's ihm nach.

Runde 52: Schleichender Plattfuß bei Rosberg! Er bekommt nochmal den härtesten Satz. Hamilton haut derweil in Sektor 2 eine absolute Bestzeit raus.

Runde 56: Vettel verpasst die letzte Schikane und macht sich dadurch die Arbeit der letzten fünf Runden zunichte. 5,7 Sekunden beträgt der Rückstand auf Hamilton jetzt wieder. Bottas hat als Dritter 35 Sekunden Rückstand und liegt vor Verstappen, Rosberg und Räikkönen.

Runde 57: Rosberg setzt die Aufholjagd fort. Auf der Bremse geht er vor der Zielschikane an Räikkönen vorbei, der die Tür offen lässt.

Runde 62: Hamilton dreht die Leistung auf! Der Weltmeister reiht persönliche Bestzeit an persönliche Bestzeit. Die Lücke zu Vettel wächst. Der Deutsche verbremst sich mehrfach.

Runde 69: Rosberg attackiert Verstappen. Es geht nicht gut. Mit der Brechstange geht der Deutsche in der letzten DRS-Zone vorbei, nur um beim Anbremsen einen Dreher hinzulegen.

Ziel: Sieg für Hamilton vor Vettel und Bottas. Vertappen vor Rosberg, Räikkönen und Ricciardo wird Vierter. Hülkenberg Sainz und Perez komplettieren die Top 10.

Mann des Rennens: Carlos Sainz jr. tastete sich von Startplatz 20 Stück für Stück und vollkommen unauffällig nach vorne. 34 Runden fuhr er auf den Softs und gewann Position für Position. Erst als er in den Top 10 war, wechselte er die Slicks. Zwei Punkte holte er als Neunter.

Flop des Rennens: Daniel Ricciardo hat das Pech weiterhin gepachtet. Nach der falschen Strategie in Barcelona und dem Reifenpatzer in Monaco bekam in Kanada sein Mechaniker den Reifen nicht drauf. Zuvor hatte er schon den Start gegen Verstappen verloren. Am Ende wurde er Siebter.

Das fiel auf:

  • Auf den ersten Blick eine brillante Strategie der Scuderia: Ferrari wählte einen sehr frühen Stopp unter VSC. Für Vettel ging die Taktik zunächst auf: Er gewann Zeit, weil Hamilton auf der Geraden kein Vollgas geben durfte und der Weg in die Box kürzer ist als der über die Zielgerade. Zudem konnte der Deutsche vor den Williams den Pace-Vorteil der neuen Reifen ausspielen.
  • Ferrari drehte mit der Strategie den Spieß um. Statt einen Mercedes-Angriff abzuwehren, zwangen die Italiener die silberne Brackley-Truppe, Hamiltons Stopp soweit wie irgendwie möglich herauszuzögern. Das Ziel: Ein-Stopp-Strategie. Die Konsequenz: großer Zeitverlust für den Weltmeister im ersten Stint, weil die Ultrasofts hinüber waren, bevor er zum Reifenwechsel kommen konnte.
  • Ferraris Problem: Die Softs brachen einfach nicht ein. Auch Bottas verzichtete auf einen zweiten Boxenbesuch und kam so aufs Podium. Vettel machte im Schnitt nur 0,1 Sekunden pro Runde gegenüber dem führenden Mercedes gut und hatte selbst mit abbauenden Reifen zu kämpfen, weil er ein zu hohes Tempo gehen musste, als klar wurde, dass Hamilton bis zum Ende durchfahren würde.
  • Mercedes' Strategie, die eigenen Piloten gegeneinander kämpfen zu lassen, kostet mehr und mehr Punkte. Nach dem desaströsen Totalausfall in Barcelona steckte Rosberg in Montreal nach der Startkollision im Verkehr fest. Mal hielt ihn Hülkenberg auf, mal war es Bottas.

Formel 1: Kalender und WM-Stand 2016 im Überblick

Artikel und Videos zum Thema