Der Bulle lacht wieder

Der Sunnyboy ist zurück: Daniel Ricciardo ist vom verbesserten Red Bull angetan
© getty

Red Bull ist endlich wieder da, wo sich das viermalige Weltmeisterteam den eigenen Ansprüchen entsprechend immer befinden müsste: In der Spitzengruppe der Formel 1. Daniel Ricciardo weckte beim Großen Preis von Ungarn Erinnerungen an seinen Vorjahressieg. Selbst Mercedes gibt zu: Die Autos aus Milton Keynes sind teils schneller als die Silberpfeile.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

7. Juni 2015, Montreal.

"Es ist frustrierend", bekannte Daniel Ricciardo, dem erstmals in seiner Formel-1-Zeit das Lächeln abhandengekommen war. Dem Vorjahressieger war es mit Glück gelungen, im Qualifying unter die ersten Zehn zu fahren. "Schlimmer kann es ein Jahr später doch kaum werden, dachte ich. Es ist aber so."

Ratlosigkeit hatte sich beim vierfachen Weltmeister aus Milton Keynes breit gemacht. "Irgendwie geht gar nichts. Wir haben in den vergangenen Rennen immer wieder Updates gebracht, aber genutzt hat das nichts. Wir wissen nicht mal genau, woran wir arbeiten müssen", fasste der Australier zusammen: "Wir wissen, dass wir auf Seite des Antriebs viel zu tun haben, aber auch auf Chassis-Seite. Damit haben wir im letzten Jahr noch einiges reißen können, aber in diesem Jahr irgendwie nicht."

Plötzlich war nicht mehr nur Renault an den Niederlagen von Red Bull schuld. Der eigene Fahrer klagte sein Ingenieurteam an.

Red Bull auf Vorjahresniveau

Wie schnell sich die Kräfteverhältnisse in der Formel 1 ändern können, stand sieben Wochen später schwarz auf weiß - oder gelb auf schwarz. Ricciardo qualifizierte sich in Budapest als Vierter. Derselbe Startplatz, von dem er den Ungarn-GP 2014 gewann.

"Heute hätte ich die Pole haben können, um ehrlich zu sein. Aber ich habe mir überlegt... ich bin sehr abergläubisch, daher dachte ich, Position vier ist besser", scherzte der 26-Jährige.

Auch wenn Sebastian Vettel im Ferrari verhinderte, dass sein vormaliger Teamkollege eine neue Qualifying-Bestmarke für Red Bull setzte, die gute Laune bei Red Bull ist zurück.

Ricciardo rechnete mit Startplatz 3

"Es war bisher unsere solideste Performance als Team", begründete Ricciardo: "Ich habe erwartet, dass mein Ingenieur mir sagen würde, dass ich unter den ersten Drei bin, aber mir fehlte eine halbe Sekunde auf Seb."

Genau waren es 35 Tausendstel. So blieb wie in Malaysia und Monaco nur Startplatz 4.

Trotzdem: Die Konkurrenz ist gewarnt. "Sie haben einen Schritt in Richtung Mercedes gemacht, wenn man sich die Lücke vor ein paar Rennen anguckt", sagte Vettel: "Das war schon in Silverstone offensichtlich."

Silverstone-Upgrade entscheidend

Seit Saisonbeginn hatte Red Bull an der Frontpartie des RB11 herumgedoktert. Die Luftleitbleche unter der Nase wurden gedreht, der S-Schacht in der Nase wieder integriert, zusätzliche Finnen an der Endplatte des veränderten Frontflügels angebracht, die statt des Red-Bull-Designs plötzlich aussah wie die von Branchenprimus Mercedes. Schon in Spanien kam eine kurze Nase hinzu, die den Luftstrom in Richtung des Diffusors verbessert. Doch es reichte nicht.

Die Verbesserungen wirkten sich erst aus, als das Team sie vollständig verstanden hatte. Das letzte Upgrade für das Heimrennen auf englischem Grund brachte durch einen neuen Frontflügel endlich den erhofften Schritt vorwärts. Das Einlenkverhalten funktioniert jetzt, das Untersteuern abgestellt.

Lauda: Red Bull teilweise schneller als Mercedes

"Man muss anerkennen: Es gibt hier Streckenpassagen, da ist der Rennwagen von Red Bull schlicht schneller als der Mercedes", gab selbst Silberpfeil-Aufsichtsratchef Niki Lauda zu.

Die flüssigen Kurvenkombinationen im zweiten Sektor liegen den Autos mit österreichischer Lizenz. Dort ist keine Beschleunigung durch Leistung der Powerunit gefragt, sondern die Balance des Autos und das Ansprechverhalten auf schnelle Richtungswechsel.

Schon nach den Trainings am Freitag war sich Red Bull der Chancen bewusst. Plötzlich war die eigene Stärke im Vergleich zu Mercedes Thema bei Motorsportberater Helmut Marko: "Auf eine Runde können wir sie nicht schlagen. Aber im Renntrimm geht unser Auto besser als im Qualimodus."

Ricciardo startete mit 1:28,2er Zeiten in seinen Longrun, bis nach vier Runden der Motor explodierte. Es war ein altes Modell, die Zuverlässigkeitsprobleme sind angeblich komplett gelöst. Teamkollege Daniil Kvyat startete sechs Zehntel langsamer, verbesserte sich aber auf 1:28,3 Minuten, bis die Roten Flaggen die Tests abbrachen. Selbst Mercedes ging dieses Tempo nicht mit.

Vettel sieht "große Aufgabe"

"Wir haben morgen eine große Aufgabe zu bewältigen", sagte Vettel. Der Kampf um den dritten Platz auf dem Podium hinter den Silberpfeilen verspricht Spannung. "Ich glaube wirklich daran, dass wir uns Chancen auf einen Podestplatz ausrechnen dürfen", meint Ricciardo: "Ich will im Rennen Vettel jagen."

Dabei kommt ihm entgegen, dass Pirelli von einer sicheren Zwei-Stopp-Strategie ausgeht. Wer schneller ist, könnte sogar dreimal zum Reifenwechsel reinkommen, da auf der Strecke kaum überholt werden kann. Ricciardos Trumpf: Als einziger Fahrer pokerte er in Q1 und fuhr nur mit den langsameren Medium-Slicks. Er hat einen Satz der soften Mischung mehr im Rennen zur Verfügung.

Kalender und WM-Stände 2015 im Überblick