Randsteine stoppen Rekordjagd

Felipe Massas Abkürzen resultierte in Interlagos in einem Dreher
© getty

Vor dem Großen Preis von Brasilien 2015 (So., 17 Uhr im LIVETICKER) galt die Einstellung des Rundenrekords als höchstwahrscheinlich. Doch die Umbauarbeiten am Autodromo Jose Carlos Pace führten zu einer deutlichen Verlangsamung der Rundenzeiten. Was auf den ersten Blick schlecht wirkt, ist beim zweiten ein deutlicher Fortschritt für die Formel 1.

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Schon am Freitag waren die Fahrer enttäuscht. Die Renovierung von Interlagos brachte Probleme für sie mit sich. "Ich musste teilweise neue Linien suchen", sagte Nico Rosberg.

Im Jahr 2014 hatte er den Brasilien-GP dominiert, war in allen Sessions und im Rennen schneller als Teamkollege Lewis Hamilton. Ein Jahr später wurde ein neuer Rundenrekord von den Silberpfeilen erwartet, der erste der V6-Turbo-Hybrid-Ära der Formel 1.

Doch daraus wird nichts. Höhere Randsteine in den Kurven 2,3,8 und 10 machen die Autos langsamer. "Du kannst nicht mehr so schneiden wie früher", sagte Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo.

Durch die Kerbs und den durch neuen Asphalt und eine einjährige Rennpause zugunsten der Umbauarbeiten an den Boxengebäuden geringeren Grip verloren die Fahrer fast eine halbe Sekunde. Andernfalls wäre der Rundenrekord wohl am Sonntag gefallen.

Randsteine gehören nicht zur Strecke

Was anfangs nach einer schlechten Nachricht klingt, ist positiv für die Formel 1: Die Fahrer meiden die Randsteine in Interlagos aus gutem Grund. Sie bringen die Autos aus der Balance, sobald der steil ansteigende Beton zu stark überfahren wird. Felipe Massa drehte sich deshalb am Freitag.

Warum das gut ist? Es zwingt die Fahrer, auf der Strecke zu bleiben. Randsteine sind keine Erweiterung des Asphaltbands, sie sollen nur verhindern, dass Dreck auf die Strecke gelangt, wenn ein Pilot die Kurve leicht schneidet.

Manöver wie von Sebastian Vettel, der vor seinem Reifenplatzer beim Belgien-GP in Spa-Francorchamps mehrmals bei höchstem Tempo ausgangs von Eau Rouge mit allen vier Rädern außerhalb der Streckenbegrenzung fuhr, sind bei der Konstruktion in Interlagos definitiv schädlich.

Das erhöht die Sicherheit. Ein Aufschlitzen der Karkasse an scharfen Kanten ist nahezu ausgeschlossen, weil die Fahrer ihre Autos gar nicht so weit vom Asphalt wegsteuern können. Der Automobilweltverband FIA sucht seit Monaten nach effektiven Mitteln, das Abkürzen zu unterbinden. Interlagos scheint einen Weg gefunden zu haben.

Altbekanntes Bild an der Spitze

Dass für die gesteigerte Sicherheit auf einen neuen Rekord verzichtet werden muss, dürfte niemanden stören. Beim Brasilien-GP steht der nächste Schlagabtausch zwischen den Silberpfeilen mit Ferrari in Lauerstellung an.

Nico Rosberg hat sich nicht nur mit der Pole Position einen Vorteil verschafft, er strapazierte die Reifen in Q2 wohl auch deutlich weniger als sein Teamkollege. Da alle Top-10-Fahrer das Rennen mit ihnen starten müssen, hat Rosberg im ersten Stint etwas mehr Reserven.

Hamilton nach nächster Niederlage angefressen

Hamilton war sichtlich angefressen. Er ließ das obligatorische Foto der Erstplatzierten aus, er gab sich auf der Pressekonferenz kurz angebunden.

"Nein", lautete die "ausführliche" Antwort, ob es ihn beunruhige, dass er seit dem Italien-GP Anfang September 2015 keine Pole Position mehr holte. "Was zählt, ist die WM", sagte er, als er gefragt wurde, ob der Tagessieg im Qualifying eine Bedeutung habe. "Lewis hatte heute kein Mittel gegen Nico", stellte Motorsportdirektor Toto Wolff nach der Qualifikation fest.

Trotz des Schongangs in Q2 wird auch Rosberg die soften Slicks früh in der Box ablegen. Um die 15. Runde wird er wohl eine Pause bei den Mechanikern einlegen und danach nur noch die härteren Gummis fahren.

Rosberg warnt vor Ferrari-Gefahr

Zwar sind die weicheren Reifen in Interlagos schneller, die Leistung baut aber zu schnell ab. Der Medium-Slick ist deshalb der deutlich bessere Reifen für das Rennen. Das ist der Grund, warum die Mercedes schon in Q1 mit den Option-Slicks unterwegs waren. "Die roten Autos sind schnell, wir müssen aufpassen. Ich bin aber zuversichtlich", warnte Rosberg vorsorglich vor einem Ferrari-Angriff.

Die Scuderia hat zwar zwei Trümpfe in der Hinterhand, weil neben Sebastian Vettel auch Kimi Räikkönen aus der zweiten Startreihe ins Rennen geht. Doch dass die Italiener den deutschen Weltmeistern ernsthaft Konkurrenz machen, scheint nach den Longruns am Freitag unwahrscheinlich. Ferrari fuhr konstanter, allerdings war Mercedes viel schneller.

Sebastian Vettel wird in den Kampf um den Sieg wohl kaum eingreifen können. "Wenn man sich die letzten Monate betrachtet, haben wir es geschafft, näher heranzukommen", sagte der vierfache Weltmeister nach dem Qualifying: "Natürlich variiert der Abstand von Rennen zu Rennen und von Strecke zu Strecke ein bisschen, aber insgesamt bewegen wir uns in die richtige Richtung." Im Hintergrund sind die Arbeiten schon lange auf die Saison 2016 ausgerichtet. Mit neuem Konzept will Ferrari die Silberpfeile dauerhaft unter Druck setzen.

Um das schon in Sao Paulo zu schaffen, braucht die Scuderia Glück. "Die erste Möglichkeit ist der Start", spielte Vettel auf das für Berührungen bekannte Senna-S an: "Das Rennen ist hier lang. Normalerweise passieren verrückte Dinge."

Kalender und WM-Stände 2015 im Überblick