Der Ursprung der Red-Bull-Eskalation

Von Alexander Maack
Red-Bull-Misstöne: Mark Webber (l.) gewann 2010 vor Sebastian Vettel in Silverstone
© getty

Nach dem Testgate-Urteil und dem Ende der Reifenaffäre um Mercedes und Pirelli steht beim Großen Preis von Großbritannien der Motorsport wieder im Mittelpunkt. Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel kann einen bedeutenden Schritt zum vierten WM-Titel in Folge machen. Allerdings kommen Ferrari-Pilot Fernando Alonso und Mark Webber mit der Strecke in Silverstone wesentlich besser zurecht.

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Erst einmal gewann der 25-jährige Heppenheimer im Königreich: 2009 erwischte er ein perfektes Wochenende und triumphierte von der Pole-Position aus. Obwohl Vettel seither auf dem 5,891 Kilometer langen Silverstone Grand Prix Circuit nicht mehr siegte, mag der Dreifachweltmeister den Kurs: "Abgesehen von dem unvorhersehbaren englischen Wetter ist der britische Grand Prix ein Highlight der Saison und eine meiner Lieblingsstrecken."

Das Team aus dem etwa 30 Kilometer entfernten Milton Keynes hat in Silverstone in den vergangenen vier Jahren drei Siege und drei Pole-Positions geholt und verpasste nur einmal das Podest, als Vettel 2010 schon in der ersten Runde einen platten Reifen hatte. Noch beeindruckender: Seit vier Jahren wurde hier kein Red Bull von einem anderen Auto überholt.

Webber erinnert an 2010

Nach Vettels Sieg triumphierte bei den folgenden drei Heimrennen des Teams allerdings nur noch Teamkollege Mark Webber zwei Mal. "Ich denke 2010 war ziemlich speziell", erklärte der Australier, der auch im Vorjahr gewann, noch bevor er seinen Rücktritt zum Saisonende ankündigte.

Damals hatte Red Bull zwei neuentwickelte Frontflügel mitgebracht. Am Samstagvormittag zerstörte Vettel den ersten und bekam danach Webbers Exemplar. Der Australier gewann trotzdem und giftete über Funk nach der Zieldurchfahrt: "Nicht schlecht für einen Nummer-zwei-Fahrer!" An dem Tag eskalierte die bis heute andauernde Rivalität zwischen den beiden Red-Bull-Piloten.

Webber ist zudem mit 74 WM-Zählern der fleißigste Punktesammler der aktuellen Piloten auf der Traditionsstrecke, wo 1950 der allererste Lauf der Formel-1-Weltmeisterschaft ausgetragen wurde. Allerdings löst seine aktuelle Form bei der Konkurrenz keine Sorgenfalten aus. Der 36-Jährige hat seit dem Vorjahressieg in Silverstone kein einziges Rennen mehr gewonnen.

Ferrari plant Lücke zur Spitze in drei Rennen zu schließen

Ferrari bläst jedenfalls zur Attacke. "Ich glaube, dass wir in Silverstone konkurrenzfähig sein werden, denn wir waren dort auch in der Vergangenheit stark", erklärte Teamchef Stefano Domenicali: "Unser Ziel lautet: Wir müssen in den nächsten drei Rennen die Lücke zur Spitze schließen."

Aktuell trennen Vizeweltmeister Fernando Alonso, der neben Webber der einzige aktive Fahrer mit zwei Siegen beim Großbritannien-GP ist, noch 36 Punkte vom WM-Führenden Vettel. "Wir wissen, dass wir ein gutes Ergebnis holen müssen, aber wir sind diesen Druck gewöhnt", versicherte Domenicali.

Weitere neue Teile sollen den Ferrari im Qualifying endlich weiter nach vorne bringen. "Die Glückssträhne von Vettel kann nicht ewig halten. Auch er wird mal Rennen haben, die schief laufen. Ich habe die bereits hinter mir", machte sich Alonso Mut. Dass die Updates echte Verbesserungen sind, ist extrem wichtig. An diesem Wochenende beginnt die vorentscheidende Phase der Saison.

Zwar ging Alonso 2012 selbst mit 40 Punkten in die Sommerpause nach dem Ungarn-GP. Dass sich eine Aufholjagd wie die von Sebastian Vettel im letzten Jahr wiederholt, ist aber aufgrund der gravierenden Regeländerungen 2014 höchst unwahrscheinlich. McLaren kündigte zuletzt an, bereits ab August fast alle Ressourcen aufs neue Auto zu verlegen.

Lotus mit größtem Update-Paket des Jahres

Weil Kimi Räikkönen nach seinen aufeinanderfolgenden zweiten Plätzen in China, Bahrain und Barcelona in Monaco (10.) und Kanada (9.) gerade noch in die Punkteränge fuhr, hat auch Lotus zuletzt im Eiltempo entwickelt. Die Truppe aus Enstone kündigte für ihr Heimrennen auf dem früheren Militärflughafen das größte Upgrade der Saison an.

Die Karosserie liegt enger an und sowohl die Aufhängung wie auch die Flügel und andere aerodynamische Teile wurden modifiziert. "Hoffentlich helfen uns die neuen Teile, besonders in den schnellen Kurven", erklärte Räikkönen, der 2007 im Ferrari in Silverstone siegte. "Es wäre fantastisch, hier erneut zu gewinnen, vor allem weil sich das Werk die Straße runter befindet. Ich bin mir sicher, dass wir das richtig feiern würden."

Mercedes testet den Reifenverschleiß

Noch näher an der Strecke liegt die Fabrik von Mercedes in Brackley. Für die Silberpfeile wird das erste von zwei Heimrennen binnen zwei Wochen zur Belastungsprobe: Silverstone ist mit rund 60 Prozent Vollgasanteil eine der Hochgeschwindigkeitsstrecken im F1-Kalender. Allerdings beschränken sich die Topspeed-Abschnitte nicht auf Geraden. Besonders der zweite Sektor mit der berühmten Kurvenkombination Maggots, Backetts und Chapel fordert viel Abtrieb.

"Die einzige Strecke, die man noch mit Silverstone vergleichen kann, ist Suzuka. Sonst gibt es keine andere Strecke im Kalender, die eine solche Abfolge an superschnellen Kurven hat wie Silverstone", erklärte Weltmeister Vettel. Sieben von 18 Kurven werden mit mehr als 250 Stundenkilometern durchfahren, was die Reifen ähnlich stark belastet wie in Barcelona, als Nico Rosberg von Startplatz eins auf sechs und Lewis Hamilton vom zweiten auf den zwölften Rang zurückfielen.

Pole-Position ohne Wert

Weil der Asphalt zudem auf einigen Strecken neu und deshalb rau ist, hat Pirelli abermals die belastbarsten Reifenmischungen Medium und Hart nominiert. "Ich denke, Silverstone wird ein richtig guter Test, wie wir uns geschlagen haben", erklärte Hamilton bezüglich der Entwicklung des Teams.

Der Engländer ist bisher der einzige nichtdeutsche Pilot, der in dieser Saison bereits von der Pole-Position ins Rennen startete. An diesem Wochenende ist das aber kein Erfolgsrezept. Nur drei der letzten zehn Silverstone-Rennen gewann der Fahrer von Startplatz eins.

Ein Grund dafür ist das britische Wetter, das oftmals zu spektakulären Regenschlachten führt. Beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon scheint seit Montag durchgehend die Sonne. Trotzdem prophezeiten die Meteorologen für das Qualifying am Samstag am Mittwoch noch 80 Prozent Regenwahrscheinlichkeit. Wie sprunghaft die Wetteränderungen sind, bewiesen die Wissenschaftler am Donnerstag: Mittlerweile soll Regen ausgeschlossen sein.

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