Formel 1 - Marc Surer im Interview: "Strecken kommen eher Mercedes entgegen"

Von Christian Guinin
Lewis Hamilton siegte trotz zweier Strafversetzungen beim Großen Preis von Brasilien.
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Der Formel-1-Titelkampf 2021 spitzt sich zu. Zwei Rennen vor dem Saisonende kämpfen Max Verstappen und Lewis Hamilton nach wie vor erbittert um die WM-Krone in der Königsklasse des Motorsports. Im Interview mit SPOX spricht Ex-Fahrer und Experte Marc Surer über den engen Zweikampf der beiden Kontrahenten, deren jeweilige Stärken sowie die Ausgangslage für die kommenden Rennen.

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Herr Surer, die Formel-1-Saison 2021 ist so spannend wie lange nicht mehr. Das erste Mal seit 2016 steht zwei Rennen vor dem Saisonende noch kein Fahrer-Weltmeister fest. Ganze neun Jahre ist es sogar her, dass zwei Piloten von zwei verschiedenen Rennställen so spät im Jahr noch um die F1-Krone kämpfen. Hätten Sie vor der Saison an einen derart engen WM-Kampf geglaubt?

Marc Surer: Man hat das mehr gehofft als geglaubt. Die Ansätze, dass Red Bull näherkommen könnte, hat man ja durchaus gesehen. Schon im letzten Jahr gab es Rennen, in denen sie den Mercedes davon gefahren sind. Das war aber immer nur Strecken-spezifisch und nicht über die ganze Saison. Bei den diesjährigen Wintertestfahrten in Bahrain hat man dann recht schnell gemerkt, dass der Red Bull und auch der Honda-Motor aufgeschlossen haben und mithalten können. Das hat sich bewahrheitet. Natürlich gibt es nach wie vor von Strecke zu Strecke Unterschiede, insgesamt hält sich das aber in Grenzen.

Auch in den vergangenen Jahren gab es Situationen, in denen andere Teams bei den Wintertests sehr stark aussahen. Letztlich haben sich die Silberpfeile aber immer als klar stärkstes Team durchgesetzt. Haben die Regeländerungen (u.a. am Unterboden) Mercedes doch stärker getroffen, als man angenommen hatte?

Surer: Ja, absolut. Ich glaube, die Regeländerungen haben das Auto ein bisschen aus der Balance gebracht. Dass sie nicht bluffen, hat man daran erkannt, dass sich beide Fahrer während der Testfahrten immer wieder gedreht haben und Probleme mit dem Auto hatten. Das ist etwas Ungewöhnliches, weil der Mercedes zuvor eigentlich immer wie ein Brett auf der Strecke lag. Sie haben dann zwar sehr schnell reagiert und das Auto verbessert, der große Schritt kam aber erst beim Rennen in Silverstone. Von diesem Zeitpunkt an waren sie dann wieder leicht vorne.

Marc Surer fuhr zwischen 1979 und 1986 für Ensign, ATS, Theodore, Arrows und Brabham in der Formel 1.
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Marc Surer fuhr zwischen 1979 und 1986 für Ensign, ATS, Theodore, Arrows und Brabham in der Formel 1.

Blickt man ein paar Wochen zurück, sah noch vieles nach einem Weltmeister Max Verstappen aus. Nach seinem Sieg beim Mexiko-GP wirkte man bei Mercedes ein wenig ratlos. Dann kam aber Brasilien und die Wende. Hätten Sie geglaubt, dass Hamilton und Mercedes nach dieser Schlappe noch einmal so zurückschlagen können?

Surer: Das Mercedes-Tempo in Brasilien hängt natürlich auch zu einem großen Teil mit dem Streckenlayout zusammen. Dort sind fast zwei Drittel der Strecke Geraden. Mercedes war eigentlich schon seit dem Türkei-GP auffallend schnell auf den Geraden. Hinzu kam der neue Motor von Hamilton, der auch noch einmal ein bisschen Extra-Leistung gebracht hat. Auf der anderen Seite war Red Bull in Mexiko schon immer gut, weil ihnen mit ihrem stärker angestellten Auto und dem Honda-Turbo die dünne Luft entgegenkommt. Dennoch hätte ich geglaubt, dass, weil Sao Paulo ja auch auf über 700 Metern Höhe liegt, Red Bull einen kleinen Teil dieses Vorteils aus Mexiko mitnehmen kann. Dann aber kam dieser neue Hamilton-Motor.

Es war nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass Mercedes den Motor bei Hamilton gewechselt hat. Der dadurch entstandene Vorteil war in Brasilien aber besonders stark zu spüren, vergleicht man es mit vorherigen neuen Antriebseinheiten. Wie erklären Sie sich diesen gravierend größeren Leistungs-Gewinn?

Surer: Man muss wahrscheinlich schon die Strecke als Hauptgrund angeben. Wie gesagt, in Sao Paulo gibt es zwei sehr lange Geraden. Von dem her hat die Motorenleistung eine entsprechend große Wirkung. Gleichzeitig war der Mercedes dafür bekannt, auf den Geraden ohnehin schneller zu sein. Mit dem neuen Hamilton-Motor, der nach Berechnungen von Red Bull um die 30 PS mehr Leistung hatte als der von Bottas, sind das ungefähr drei Zehntel, die Hamilton pro Runde schneller war. Auf so einer Strecke ist das dann auch für das Überholen entsprechend gut. Die Frage ist nur, wie sie das geschafft haben. Denn eigentlich darf man den Motor während des Jahres ja nicht verändern.

War Hamilton nach den beiden Grid-Strafen in Brasilien vielleicht auch nochmal besonders motiviert? Man hat sich aus Mercedes-Sicht von der Rennleitung ja ziemlich ungerecht behandelt gefühlt.

Surer: Mit Sicherheit fuhr Lewis da mit einer ordentlichen Portion Wut im Bauch. Das hat man bei den Überholmanövern gesehen, wie er da teilweise reingehalten hat. Da wurde nicht lange gezögert, so wie es beispielsweise ein Valtteri Bottas oft macht, wenn er von hinten starten muss. Bei Lewis war gewiss Frust mit dabei, aber man muss auch sagen, dass er absolut fehlerfrei gefahren ist. Wenn man zu übermotiviert ist, passieren nämlich häufig Fehler. Aber deshalb ist er siebenfacher Weltmeister. Das kann er einfach.

Lewis Hamilton siegte trotz zweier Strafversetzungen beim Großen Preis von Brasilien.
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Lewis Hamilton siegte trotz zweier Strafversetzungen beim Großen Preis von Brasilien.

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