Formel 1 - Kommentar zu Lewis Hamiltons 7. WM-Titel: Zu den Größten fehlt etwas

Von Christian Guinin
Lewis Hamilton ist zum siebten Mal Formel-1-Weltmeister.
© imago images / Motorsport Images

Durch seinen Sieg beim Großen Preis der Türkei ist Lewis Hamilton vorzeitig zum siebten Mal Formel-1-Weltmeister. Drei Rennen vor Saisonende kann der Brite nicht mehr von der Spitze der WM-Wertung verdrängt werden und zieht damit nach Titeln mit Michael Schumacher gleich. Dass dem Mercedes-Fahrer dies gelingt, ist außergewöhnlich, zu den Größten des Sports fehlt ihm aber eine fordernde Konkurrenz. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Christian Guinin.

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Im Sport gibt es Rekorde, bei denen es unmöglich erscheint, dass sie jemals gebrochen werden könnten. So beißt sich ein Robert Lewandowski beispielsweise seit Jahren an der magischen Marke von 40 Bundesliga-Saisontoren eines Gerd Müllers die Zähne aus, an Michael Phelps Rekord von acht Olympia-Goldmedaillen in einem Kalenderjahr führte bislang kein Weg vorbei und auch das Kunststück der Boston Celtics, die zwischen 1958 und 1966 acht NBA-Titel in Folge feiern konnten, scheint so schnell niemand nachahmen zu können.

Lange Zeit galt auch Michael Schumachers Bestmarke von sieben Fahrer-WM-Titeln in der Formel 1 als ein Rekord, der für die Ewigkeit gemacht zu sein schien. Nach dem Großen Preis der Türkei gelingt es Mercedes-Pilot Lewis Hamilton nun jedoch, mit dem ewigen Schumi gleichzuziehen.

Keine Frage: Dass der Brite diese Marke knackt, ist mehr als außergewöhnlich und so kann man die Leistungen, die der 35-Jährige seit mittlerweile 13 Jahren im Formel-1-Sport zeigt, nicht hoch genug würdigen. Hamilton ist ein Ausnahmetalent, der es wie kein anderer Fahrer seiner Zeit geschafft hat, eine derart perfekte Balance zwischen rohem Speed und andauernder Konstanz zu finden.

Er bringt das wohl kompletteste Gesamtpaket des aktuellen Teilnehmerfeldes mit, ohne dass ihm dabei große Fehler unterlaufen. Selbst bei den wenigen schwierigen Rennen der vergangenen Jahre, wie etwa auf dem Istanbul-Park-Circuit, bringt Hamilton auf den Punkt seine Leistung und fährt, ohne unbedingt das beste Auto zu haben, ungefährdet zum Sieg. All das verdient Anerkennung und Respekt.

Und dennoch: Um sich in einem Atemzug mit den ganz Großen der Königsklasse des Motorsports, etwa einem Schumacher oder Ayrton Senna, nennen zu dürfen, fehlte dem Briten bei seinen sieben Titeln eine entscheidende Komponente: eine dauerhaft fordernde Konkurrenz.

Hamilton und Mercedes profitieren von Reglement

Seit Beginn der Hybrid-Ära im Jahr 2014 stellt Mercedes das mit Abstand schnellste Auto in der Formel 1. Die damit einhergehende Dominanz von sieben Konstrukteurs-Titeln in Folge, 74 Prozent gewonnener Rennen, 75 Prozent erreichter Podestplätze sowie 80 Prozent eingefahrener Pole-Positions sucht in der F1-Geschichte ihresgleichen. Selbst die Überlegenheit der Scuderia Ferrari anfangs der 2000er Jahre, in der Schumacher einen Großteil seiner Titel einfuhr, kann nicht ansatzweise solche Zahlen vorweisen.

Zusätzlich profitiert Mercedes wie kein anderes Team zuvor von einem stark gleichbleibenden Reglement. Während sich Schumacher mit Ferrari oder Senna mit McLaren an teilweise grundlegende Regeländerungen anpassen mussten, änderten sich die technischen Vorschriften seit 2014 nur äußerst geringfügig. Dass sich daran in naher Zukunft etwas ändern wird, bezweifeln schon jetzt viele Experten. Die für 2022 angekündigten Reformen seien nicht radikal genug, dafür hätten vor allem Teams wie Mercedes in den vergangenen Jahren zu viel Mitspracherecht gehabt.

Bliebe letztlich noch der Teamkollege, der ja über das gleiche oder zumindest ähnliche Material verfügt. Doch Valtteri Bottas, der Mann im zweiten Silberpfeil, spielte über die vergangenen Jahre brav Hamiltons Wasserträger. An sehr guten Tagen kann der Finne das Tempo Hamiltons mitgehen, über die Dauer einer gesamten Saison ist er chancenlos. Epische (teaminterne) Duelle zwischen einem Schumacher und Alonso oder Senna und Prost? Fehlanzeige!

Selbst der einzige Titel, den Hamilton in dieser Zeit nicht einfuhr, die Weltmeisterschaft 2016, wurde eher durch Pech und Pannen auf Hamiltons Seite als die fahrerische Leistung von Nico Rosberg entschieden.

Das alles ist freilich nicht Hamiltons Schuld, schließlich hat der Brite weder auf die Regelgebung noch auf seinen Teamkollegen noch auf die Leistungen der Konkurrenz einen Einfluss. Will man ihn aber mit den anderen Größen des Sports vergleichen, bleibt dieser fade Beigeschmack.

Lewis Hamilton: Alleiniger Rekord nur noch Formsache

Sein Weg zum erfolgreichsten F1-Fahrer aller Zeiten ist mit der Einstellung des Schumacher-Rekords jedoch noch lange nicht zu Ende. Auch wenn sich der Brite in den vergangenen Wochen und Monaten in Bezug auf seinen, am Jahresende auslaufenden Vertrag, stets kryptisch gab und betonte, dass ihn auch "vieles nach einem Leben als Formel -1-Fahrer reizen" würde, gilt eine Verlängerung seines Kontaktes schon als beschlossene Sache.

Die englische Daily Mail will erfahren haben, dass es zwischen ihm und Mercedes bereits Einigkeit über einen Dreijahresvertrag gebe, der ihm umgerechnet 133 Millionen Euro einbringen könnte.

Unter einem wegen der weltweiten Corona-Krise und den damit einhergehenden Sparmaßnahmen der Formel 1 weitestgehend eingefrorenen Reglement würde er 2021 dann erneut in einem überlegenen Auto sitzen, sein Teamkollege würde weiterhin Valtteri Bottas heißen und die Teamstrukturen wären weiterhin ganz auf ihn ausgerichtet. Der Weg zum achten Titel, zum alleinigen Rekord also, wäre dann nur noch Formsache.

Formel 1: Die Fahrer mit den meisten WM-Titeln

PlatzWM-TitelFahrerNationJahre
17Lewis HamiltonEngland2008, 2014, 2015, 2017 - 2020
7Michael SchumacherDeutschland1994, 1995, 2000 - 2004
35Juan Manuel FangioArgentinien1951, 1954 - 1957
44Alain ProstFrankreich1985, 1986, 1989, 1993
4Sebastian VettelDeutschland2010 - 2013
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