"Vettel hat mich enttäuscht"

David Coulthard landete nach Sebastian Vettels Sieg in Monaco mit ihm im Pool
© getty

Er fuhr für Williams, McLaren und Red Bull - und auch nach seiner aktiven Zeit kennt David Coulthard die Formel 1 aus dem Effeff. Mit SPOX spricht der Schotte über Sebastian Vettel und Ferrari, erklärt Nico Rosbergs Nachteile im Vergleich zu Lewis Hamilton und äußert Zweifel am Engagement von Fernando Alonso bei McLaren.

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SPOX: Herr Coulthard, Sie konnten als BBC-Experte zuletzt einen Blick hinter die Kulissen von Mercedes werfen. Welche Geheimnisse verrät das Team in der dreiteiligen Dokumentation?

David Coulthard: Glauben Sie wirklich, die würden der ganzen Welt ihre Geheimnisse verraten? (lacht) Nein, es ging nicht wirklich darum zu schauen, welche Geheimnisse sie haben. Wenn man ein Hardcore-Fan der Formel 1 ist oder großes Interesse an Ingenieurs- und Designsachen hat, die für den Erfolg in diesem Sport nötig sind, dann muss man hinter die Kulissen blicken. Man muss sehen, wie die Arbeit innerhalb des Teams funktioniert.

SPOX: Anders gefragt: Was lernt der Zuschauer, wenn er die Dokumentation sieht?

Coulthard: Einige wären sicher über die Einfachheit des Aufbaus überrascht, mit dem das Team eine gute Arbeitsatmosphäre schafft. Außerdem geht es um Arbeitsmoral. Viele Menschen denken, sie arbeiten hart. Viele sprechen über Teamwork. Aber die Kluft zwischen normalem Business und der Moral in der Formel 1 ist noch immer erheblich. Das kann ich aus meiner eigenen Erfahrung beurteilen: Ich vermisse es nicht, Rennfahrer zu sein. Aber ich vermisse dieses Engagement: Wenn diese Leute sich verpflichten, sind sie da, bis die Arbeit getan ist.

SPOX: Sie sind selbst Hotelbesitzer. Gibt es so große Unterschiede bei der Motivation?

Wenn jemand im normalen Geschäftsleben sagt, er sei engagiert, dann geht er auch, wenn der Job nur zur Hälfte getan ist und hält das für normal. So ist das normale Leben. Die Dokumentation hat also auch einen erzieherischen Aspekt. Am Ende geht es aber auch um das Zusammenspiel der Kulturen: eine deutsche Firma, österreichisches Management, englische Designchefs, Angestellte aus verschiedensten Ländern. Sie entwickeln zusammen ein Fahrzeug, um auf der Rennstrecke zu gewinnen.

SPOX: Welchen Eindruck hatten Sie vom Team, als das Gespräch auf die Saison 2015 fiel? Glauben Sie, dass Nico Rosberg eine reale Chance hat, in diesem Jahr die Weltmeisterschaft für sich zu entscheiden?

Coulthard: Nico wird in diesem Jahr ein besserer Fahrer sein. Er hat letztes Jahr das erste Mal um die WM gekämpft, Lewis Hamilton hat diese Erfahrung schon viermal gemacht und nur zweimal gewonnen. Nico weiß wirklich, was nötig ist, um in der Formel 1 an der Spitze zu kämpfen. Das sieht man an den letzten Jahren bei Mercedes: Er hat Michael Schumacher geschlagen. Wenn man Favorit ist und erwartet wird, dass man das Rennen gewinnt, ist das aber ein ganz anderer Druck. Lewis weiß, wie sich das anfühlt. Er war im Qualifying immer gut, musste sich aber am Sonntag verbessern. Ich erwarte, dass Nico für Lewis in diesem Jahr ein wesentlich stärkerer Widersacher sein wird.

SPOX: Gab es Schwächen, die Rosberg abstellen musste?

Coulthard: Natürlich musste er etwas ändern. Das ist wie beim Backen: Wenn man immer dieselben Zutaten nimmt, bekommt man denselben Kuchen. Es geht um Kleinigkeiten. Ich konnte keine Analyse aller Runden und Boxenstopps der beiden machen, ich kann aber jedem versichern, dass Mercedes jede einzelne Runde der beiden im Rennauto analysiert hat. Sie haben denselben Bericht bekommen und der erlaubt ihnen, genau nachzuvollziehen, wo Nico stärker ist und wo Lewis Vorteile hat.

SPOX: Coaching schön und gut. Aber in einigen Momenten schien Hamilton seinen Teamkollegen im Rennen fast zu überrumpeln.

Coulthard: Das Einzige, was man mit Daten nicht beeinflussen kann, ist das Rad-an-Rad-Racing - wie man sich positioniert und am besten den Abtrieb des Autos nutzt. Es geht um den Instinkt. Nach links oder nach rechts zu fahren bestimmt nicht der Verstand. Wenn das der Unterschied zwischen beiden ist, wird es schwer für Nico, daran zu arbeiten. Der einzige Weg, seine Racing-Skills zu verbessern, ist Rennen zu fahren. Wenn es aber daran liegt, dass er nicht schnell genug vor dem Boxenstopp war oder während des Rennens die Leistung um ein paar Prozent sank, dann kann er darauf reagieren.

SPOX: Als BBC-Experte und langjähriger Formel-1-Fahrer haben Sie nicht nur zu Mercedes eine enge Beziehung, sondern auch zu McLaren. Sie sind neun Jahre lang für das Team gefahren. Glauben Sie, dass McLaren mit dem neuen Motorenpartner Honda die Silberpfeile attackieren kann oder ähnliche Schwierigkeiten hat wie die Renault-Teams in der letzten Saison?

Coulthard: Ich dachte, dass Honda auf demselben Niveau sein muss wie Renault und Ferrari. Sie hatten ein zusätzliches Jahr, um das Paket zu entwickeln, mit dem sie auf die Strecke gehen. Sie haben vor zwei Jahren angekündigt, dass sie in die Formel 1 zurückkehren. Was mich deshalb wirklich überrascht hat, waren die Probleme beim Test nach dem letzten Rennen in Abu Dhabi - ihrem ersten Test mit McLaren. Und jetzt haben sie noch immer Installationsprobleme.

SPOX: Muss das Vorbild also Ihr anderes Ex-Team sein: Red Bull?

Coulthard: Wir müssen geduldig sein und die nächsten Tests abwarten. Red Bull hat letztes Jahr in Jerez fast keine einzige Runde geschafft und ist am Ende Zweiter in der Konstrukteurswertung geworden. Wenn Red Bull drei Rennen gewinnen konnte, dann muss McLaren einfach einen Sieg anpeilen. Sie sind ein Gewinner-Team, ihr Misserfolg der letzten Jahre entspricht überhaupt nicht ihrem Leistungsniveau. Klar, sie können sagen: "Das ist das erste Jahr der Zusammenarbeit." Aber das geht nicht lange gut. Honda ist dabei, um zu siegen - und das gilt auch für McLaren.

Seite 1: Coulthard über Rosberg, Hamilton, Mercedes und McLarens Probleme

Seite 2: Coulthard über Alonso bei McLaren und Vettel bei Ferrari

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