Sieg! Vettel zu 99,9 Prozent Weltmeister

Von Alexander Mey
Sebastian Vettel ging von der Pole-Position aus in das Nachtrennen von Singapur
© Getty

Sebastian Vettel hat das Nachtrennen in Singapur souverän gewonnen, ist rechnerisch aber noch nicht ganz Weltmeister. Da Jenson Button Zweiter wurde, fehlt Vettel noch die Winzigkeit von einem Punkt. Michael Schumacher überstand einen heftigen Unfall.

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Ein Punkt in fünf Rennen: Das ist das, was Sebastian Vettel nach seinem souveränen neunten Saisonsieg in Singapur noch zum zweiten WM-Titel fehlt. Eine Winzigkeit, die ihn an der ganz großen Party nach dem Nachtrennen hindert.

Trotzdem war er auf dem Podium zu Tränen gerührt: "Der Sieg bedeutet mir sehr viel. Es ist mit das anstrengendste Rennen. Man hat keinen Platz für Fehler - das macht das Rennen beinhart. Mit der Meisterschaft hat es heute nicht ganz geklappt, aber die Chancen stehen gut, dass es im nächsten Rennen klappt."

Marko: "Die WM ist gelaufen"

Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko gab sich weniger vorsichtig als Vettel und stellte fest: "Die WM ist für mich gelaufen, weil keiner unserer Verfolger stark genug ist, um alle fünf ausstehenden Rennen zu gewinnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da noch etwas passiert."

Jenson Button verhinderte als Zweiter die rechnerische Entscheidung im Titelkampf. Er liegt bei noch 125 zu vergebenden Zählern 124 Punkte hinter Vettel. Zwischen Button, Fernando Alonso (4.) und Mark Webber (3.) entwickelt sich ein enger Kampf um die Vize-WM. Die drei trennen nur drei Punkte.

Heftiger Abflug von Schumacher

Für die Schrecksekunde des Abends sorgte Michael Schumacher. Er überstand einen heftigen Unfall mit Sergio Perez unverletzt. Nachdem er auf das Hinterrad des Sauber aufgefahren war, hob er wie auf einem Katapult ab und segelte in die Streckenbegrenzung. "Das war bestimmt nicht ohne, aber auch nicht zu heftig", sagte Schumacher. "Mir geht es gut. Kompliment an die Sicherheitsvorkehrungen."

Mercedes-Kollege Nico Rosberg kam auf Platz sieben hinter Überraschungsmann Paul di Resta ins Ziel. Adrian Sutil wurde Achter, Timo Glock schied nach einem Unfall aus.

Massa wegen Hamilton-Crash außer sich

Lewis Hamilton verschuldete einen Unfall mit Felipe Massa und wurde nach einem Notstopp und einer Durchfahrtsstrafe Fünfter, obwohl das Podium möglich gewesen wäre. Hamilton liegt in der WM-Wertung auf Rang fünf.

Während Hamilton zunächst nicht zu sprechen war, war Massa, der nicht zum ersten Mal in dieser Saison ein Opfer von Hamiltons Fehlern wurde, außer sich vor Wut. Er sagte: "Er kann sein Gehirn nicht benutzen. Er bezahlt immer wieder mit Strafen dafür, aber er versteht es trotzdem nicht. Es ist wichtig, dass ihn die FIA jedes Mal bestraft, wenn er sich ans Steuer setzt."

Schlüsselszenen des Rennens:

Start: Vettel kommt nicht sehr gut weg, Webber erwischt es von Platz zwei aus noch schlimmer. Button ist direkt auf zwei und hängt sogar Vettel im Heck. Aber es führt kein Weg vorbei. Alonso schnappt sich auch noch Webber und ist Dritter. Hamilton hängt hinter Webber fest und wird bis auf Rang sieben durchgereicht. Wenig später lässt er sich auch noch von Schumacher überrumpeln. Nur noch Rang acht.

Runde 5: Hamilton nutzt das DRS und geht locker an Schumacher vorbei auf Rang sieben. Nur eine Runde später ist Rosberg Hamiltons Angriff wehrlos ausgeliefert. Dank DRS ist Überholen in Singapur offensichtlich überhaupt kein Problem. An der Spitze rast Vettel dem Feld davon. Er fährt eine bis eineinhalb Sekunden schneller als Button.

Runde 11: Spektakuläres Duell zwischen Alonso und Webber. Alonsos Hinterreifen geben den Geist auf, Webber legt sich den Spanier zurecht und trickst ihn in einem Duell über zwei Kurven aus. Alonso kommt direkt im Anschluss zum Reifenwechsel. Er nimmt die harten Pneus - erstaunlich, dass ausgerechnet Ferrari am schlechtesten mit den superweichen Reifen haushalten kann.

Runde 13: Hamilton und Massa kollidieren! Hamilton hat nach einem parallelen Boxenstopp der beiden mehr Grip, weil er auf superweichen Reifen geblieben ist, Massa aber auf die weichen gewechselt hat. Er greift mit DRS außen an, steckt aber zu spät zurück, obwohl sich Massa wehrt. Hamiltons Frontflügel schlitzt Massas Hinterreifen auf und geht dabei kaputt. Beide müssen zum Notstopp kommen und fallen weit zurück. Hamilton erhält für sein Manöver außerdem eine Durchfahrtsstrafe.

Runde 16: Vettel kommt zu seinem ersten Stopp und hat schon so viel Vorsprung, dass er auf Platz eins bleiben kann. Sofort dreht er wieder die mit Abstand schnellsten Rennrunden. Das riecht nach einem lockeren Start-Ziel-Sieg.

Runde 30: Heftiger Abflug von Schumacher! Er saugt sich im Windschatten an Perez heran, verschätzt sich aber offensichtlich, weil der Mexikaner sehr früh vom Gas geht. Er fährt auf Perez' Hinterreifen auf und hebt spektakulär ab! Zum Glück überschlägt er sich nicht. Dennoch kracht er hart in die Barrieren. Er steigt aber unverletzt aus. Um ein Haar hätte er auch noch unkontrolliert Rosberg getroffen. Das Safety-Car kommt raus.

Runde 35: Das Rennen wird wieder freigegeben. Vettel düst los wie ein Irrer und nutzt aus, dass Button im Überrundungsverkehr fest hängt. Vettel macht in nur eineinhalb Runden neun Sekunden gut! Hinter Button zeigt Webber das nächste bärenstarke Manöver und überrascht Alonso an einer Stelle, an der man eigentlich nicht überholen kann. Starkes Rennen des Australiers!

Ziel: In den letzten Runden verliert Vettel noch einen großen Teil seines Vorsprungs gegenüber Button, bringt den Sieg aber letztlich doch sicher nach Hause. Button hält als Zweiter das WM-Rennen zumindest theoretisch offen. Webber komplettiert das Podium.

Mann des Rennens: Paul di Resta. Über Vettels Alleinherrschaft im Rennen von Singapur brauchen wir nicht zu reden. Aber nach ihm hat di Resta am meisten überzeugt und am positivsten überrascht. Seine Taktik, mit den härteren Reifen zu starten, hat sich als goldrichtig erwiesen. In seinem allerersten Rennen in Singapur hat er die Zweistopp-Strategie aber auch fehlerlos nach Hause gefahren. Klare Argumente für eine Weiterbeschäftigung bei Force India.

Flop des Rennens: Lewis Hamilton. Das Wochenende sollte er ganz schnell vergessen. Schon im Qualifying ging es mit zerstörtem Unterboden, Plattfuß und Problem beim Nachtanken drunter und drüber. Im Rennen dann eine ganz miese erste Runde und die Dummheit gegen Massa. Er war zum Zeitpunkt des Crashes so viel schneller als der Brasilianer, dass er einfach nur geduldig auf seine Chance hätte warten müssen. Stattdessen war er wieder mal viel zu ungeduldig und ist durch seinen zerstörten Frontflügel und die Durchfahrtsstrafe doppelt bestraft worden. Ganz davon abgesehen hat er Massas Rennen zerstört. Dass Hamilton trotzdem noch Fünfter geworden ist, zeigt, dass ein Podestplatz locker drin gewesen wäre.

Manöver des Rennens: Unfall zwischen Schumacher und Perez. Eine riesige Schrecksekunde, die an den Webber-Überschlag in Valencia 2010 erinnert hat. Wie damals der Australier fuhr Schumacher auf den Hinterreifen von Perez auf und hob ab wie auf einer Sprungschanze. Zum Glück hat sich Schumacher nicht überschlagen und wurde von den Barrieren abgefedert, sodass er sich nicht verletzt hat. Ebenfalls Glück, dass Schumacher bei seinem Abflug nicht auch noch den vor ihm in die nächste Kurve einbiegenden Rosberg abgeräumt hat. Das wäre für Rosberg nach seinem Monza-Crash mit Liuzzi ein böses Deja-vu geworden.

Analyse: Vettel ist der Alleinherrscher der Formel 1. Sieg, Pole-Position, alle Rennrunden geführt - eine größere Demonstration haben wir in dieser Saison nicht gesehen. Daran ändern auch die letzten Runden nicht viel, in denen Button die Lücke zugefahren hat. Dass ihm trotzdem noch ein Punkt zur Titelverteidigung fehlt, ist für die Konkurrenz eher Hohn als Trost. De facto ist die Sache schon lange gelaufen.

Der Kampf um die Vize-WM bleibt dafür als Spannungsmoment übrig. Button, Alonso und Webber liegen innerhalb von drei Punkten. Auch Hamilton hat zumindest noch theoretische Chancen auf Platz zwei, sofern ihm der etwas wert ist.

Letzte und vielleicht wichtigste Erkenntnis ist, dass die Sicherheitsmaßnahmen auf dem Stadtkurs in Singapur ausgezeichnet sind und Schumacher bei seinem heftigen Abflug vor einer Verletzung bewahrt haben.

LIVE-TICKER: Das Nachtrennen in Singapur zum Nachlesen

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