Alonso bricht die Red-Bull-Dominanz

Von Alexander Mey
Sebastian Vettel übernahm nach dem Start des Großbritannien-GP die Führung
© Getty

Fernando Alonso hat Sebastian Vettel beim Großbritannien-GP in Silverstone besiegt und den ersten Saisonsieg für Ferrari eingefahren. Vettel wurde ein verpatzter Boxenstopp zum Verhängnis.

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Der Bann der Scuderia ist gebrochen. Fernando Alonso hat in Silverstone den ersten Saisonsieg für Ferrari eingefahren und das Red-Bull-Duo Sebastian Vettel und Mark Webber geschlagen.

"Das war ein Rennen, in dem man die Ruhe bewahren musste und keine Fehler machen durfte. Ich wusste, dass ich mit dem Auto um den Sieg fahren kann. Und das habe ich am Ende ja auch geschafft", sagte Alonso und betonte: "Das ist ein gewaltiger moralischer Schub."

Vettel nach dem Start in Führung

Vettel, der bei halb nasser und halb trockener Strecke den Start gewonnen und in Führung gelegen hatte, verspielte den möglichen siebten Saisonsieg bei seinem zweiten Boxenstopp. Hinten war der Wagenheber defekt, der Weltmeister verlor einige Sekunden und seine Führung an Alonso.

In den letzten Runden wäre fast sogar Webber noch an Vettel vorbeigegangen, doch er erhielt die Anweisung des Teams, auf einen Angriff in den letzten Runden zu verzichten. So hat Vettel nun in der Fahrerwertung mit 204 Zählern 80 Punkte Vorsprung auf Webber. Alonso ist mit 112 Punkten neuer Dritter.

Webber macht trotz Ansage Druck auf Vettel

"Das war ein schwieriges Rennen für uns. Auch ohne den Defekt beim Boxenstopp wäre es schwierig gewesen zu sagen, ob wir Fernando hätten schlagen können. Er war das ganze Wochenende sehr stark", sagte Teamchef Christian Horner. Zu der Ansage an Webber meinte er: "Wir brauchten aus der Sicht des Teams die Punkte. Die wegzuwerfen, wäre dumm gewesen."

Das sah Webber ganz anders. In der Pressekonferenz machte er keinen Hehl daraus, die Entscheidung des Teams "nicht in Ordnung" gefunden zu haben. Er habe trotz der Ansage Druck auf Vettel gemacht.

Starke McLaren-Piloten im Pech

Die McLaren-Piloten Lewis Hamilton und Jenson Button fuhren beim Heimspiel bärenstark, fielen aber Fehlern ihres Teams zum Opfer.

Hamilton musste nach toller Aufholjagd von Startplatz zehn aus Benzin sparen und konnte daher seinen dritten Platz gegen Webber nicht halten. In der letzten Runde konnte er sich nur mit allergrößter Mühe noch vor Felipe Massa behaupten und wurde Vierter. Jenson Button schied aus, nachdem seine Boxencrew beim Stopp ein Rad nicht festgeschraubt hatte.

"Der Regen war für mich ein Segen. Ich wusste, dass ich bei Nässe nach vorne kommen konnte. Danach trocknete es leider ab und ich bekam wieder die alten Probleme mit der Haltbarkeit der Reifen. Außerdem muss ich dringend nachfragen, wie uns 15 Runden vor Schluss das Benzin knapp werden konnte. Das ist doch sehr selten", sagte Hamilton, resümierte aber trotzdem: "Alles in allem bin ich mit meinem Rennen sehr glücklich, auch wenn es nur zu Platz vier gereicht hat."

Schumacher trotz harter Strafe in den Punkten

Mercedes fuhr zwar mit beiden Piloten in die Punkte, aber gegen die drei Top-Teams war kein Kraut gewachsen. Michael Schumacher verschenkte eine bessere Platzierung bei einem von ihm verschuldeten Crash mit Kamui Kobayashi. Dafür erhielt er eine Stop-and-Go-Strafe.

Sein Kommentar: "Ich habe in der Situation zum ersten Mal den Heckflügel verstellt und kam mit zu viel Speed an der Kurve an. Den konnte ich nicht mehr runterbremsen. Schade, dass es so zu der Kollision kam. Ich denke, die Stop-and-Go-Strafe war etwas zu hart, eine Durchfahrtsstrafe hätte ausgereicht."

Nick Heidfeld kam nach einem starken Rennen auf Rang acht, Adrian Sutil und Timo Glock verpassten als Elfter und 16. die Punkteränge.

Schlüsselszenen des Rennens:

Start: Die Strecke ist halb nass und halb trocken. Alle Fahrer starten auf Intermediates. Damit kommt Vettel deutlich besser weg als Webber und übernimmt die Führung. Button geht an Massa vorbei und ist Vierter. Schumacher ist nach einem sehr guten Start Zehnter, Hamilton kommt ebenfalls sehr gut weg und schiebt sich auf Rang sieben nach vorne.

Runde 1: Hamilton prescht durch das Feld, kassiert di Resta und ist Sechster.

Runde 2: Button verliert erst einen Platz gegen Massa und dann auch noch einen gegen Hamilton. Schumacher ist gut unterwegs und geht an Maldonado vorbei. Vettel setzt sich vorne leicht ab.

Runde 9: Fahrfehler von Schumacher! Er will Kobayashi angreifen, rutscht aber auf den nachlassenden Intermediates nach außen. Dabei schlittert er ins Heck des Japaners und beschädigt einen Frontflügel. Er kommt notgedrungen rein, lässt den Flügel wechseln und holt sich gleichzeitig als Erster Slicks. Ein Drahtseilakt, da einige Stellen noch sehr nass sind.

Runde 14: Nachdem alle Fahrer auf Slicks gewechselt haben, ist der Vorsprung von Vettel auf Webber deutlich geschrumpft. Vettel war eine Runde später dran als seine Gegner. Dahinter trumpfen beide McLaren auf. Button geht in einem beinharten Manöver über mehrere Kurven an Massa vorbei, Hamilton bremst auf der nassen Linie Alonso aus. Beide Aktionen bärenstark!

Runde 17: Schumacher erhält für seinen Crash eine Stop-and-Go-Strafe, die ihn bis auf Rang 17 zurückwirft. Das Rennen kann er schon wieder vergessen.

Runde 28: Vettel und Alonso kommen gleichzeitig an die Box. Aber bei Vettel klemmt es hinten links. Er verliert einige Sekunden und damit auch die Führung an Alonso. Hamilton ist Zweiter, weil er früher an der Box war und einige schnelle Runden drehen konnte. Erst auf Platz vier kommt Webber. Jetzt ist Red Bull unter Druck.

Runde 38: Vettel kommt zum letzten Boxenstopp. Früher als geplant, weil er schon seit Runden hinter Hamilton fest hängt und Alonso enteilt. Diesmal geht alles glatt. Hamilton reagiert und kommt eine Runde später rein. Aber es reicht für Vettel, er ist wieder vor dem McLaren und kann Jagd auf Alonso machen.

Runde 40: McLaren patzt bei Buttons Boxenstopp. Vorne rechts ist die Radmutter nicht drauf. Button rollt am Ende der Boxenausfahrt aus. Das war's beim Heimspiel.

Runde 46: Nächste Pleite bei McLaren. Hamilton bekommt über Funk gesagt, dass er Benzin sparen muss, wenn er ins Ziel kommen will. Offenbar hat man sich verrechnet. Webber kommt von hinten locker an Hamilton heran und geht vorbei auf Rang drei.

Ziel: Alonso gewinnt deutlich, weil Vettel langsamer wird. Er muss sich in der Schlussphase gegen Webber wehren, doch der bekommt in der letzten Runde von Red Bull die Anweisung, die Position zu halten. Stallorder light. Dahinter wird es zwischen Hamilton und Massa noch spektakulär. Massa bremst sich in der letzten Schikane vorbei, aber Hamilton wehrt sich. Leichte Kollision, Hamilton geht innen neben Massa und beschleunigt ihn im Sprint zur Ziellinie aus.

Mann des Rennens: Lewis Hamilton. Er hätte sich das Podium bei seinem Heimrennen verdient gehabt. Besonders zu Beginn bei feuchter Strecke waren er und sein McLaren unglaublich schnell und Hamilton arbeitete sich wie in besten Zeiten von Startplatz zehn aus bis zeitweise sogar auf Position zwei nach vorne. Ein Jammer, dass sich sein Team bei der Benzinmenge verrechnet und ihn damit mit stumpfen Waffen zurückgelassen hat.

Flop des Rennens: McLaren. Zwei schwere Fehler der Crew haben die beiden Engländer um eine gute Show vor ihren eigenen Fans gebracht. Hamilton musste gegen Ende Benzin sparen und war daher im Kampf um das Podium gegen Mark Webber wehrlos. Auch Jenson Button hätte ein sehr gutes Ergebnis einfahren können, hätte die Boxencrew nicht den Reifenwechsel vermasselt.

Manöver des Rennens: Hamilton vs. Massa. Überragender Zielsprint zwischen Hamilton und Massa! Massa ist klar schneller, weil Hamilton Benzin sparen muss, und greift den McLaren in der letzten Schikane außen an. Er ist fast schon vorbei, aber Hamilton hält trotzdem noch einmal rein. Beide kollidieren leicht, Massa kann die Linie bei der Ausfahrt nicht ganz halten und Hamilton beschleunigt ihn auf der Innenbahn bis zur Ziellinie aus.

Analyse: Ferrari hat die Aufholjagd, die eine halbe Saison gedauert hat, mit dem Sieg in Silverstone erst einmal abgeschlossen. Sei es durch die veränderten Motorenregeln oder durch die Updates am Auto: Ferrari hat zumindest auf dieser Strecke die Lücke zu Red Bull geschlossen.

Das sollte Alonso und Co. umso mehr Mut machen, da die schnellen Kurven in Silverstone eigentlich kein Heimspiel für die Roten hätten sein sollen. Zumindest im Kampf um die Vize-WM ist Alonso voll im Rennen.

Im Kampf um den Titel hat Vettel auch der zweite Platz weitergeholfen. Schließlich ist der Vorsprung auf den Zweiten sogar angewachsen. Er muss in seiner Situation nicht mehr jedes Rennen gewinnen. Dass er die klare Nummer eins bei Red Bull ist, sollte nach dem Funkspruch von Teamchef Christian Horner ("Maintain the Gap!"; Abstand halten!) in der letzten Runde jedem klar sein.

Bei McLaren hängt dagegen der Haussegen schief. Spätestens seit den Regeländerungen in Sachen Zwischengas scheint das Team hinter Ferrari zurückgefallen zu sein. Die Fahrer geben alles, sind aber sicher mit der Leistung des Autos unzufrieden. Dazu kamen nun auch noch taktische und handwerkliche Fehler.

Mercedes tritt weiter auf der Stelle und kann in dieser Saison die Lücke zu den drei Top-Teams wohl nur noch schwer schließen.

LIVE-TICKER: Das Rennen in Silverstone zum Nachlesen

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