Vettel: "Wir wissen, was wir zu tun haben"

Von Alexander Mey
Spannende Frage: Was hat Mark Webber auf dem Podium Fernando Alonso wohl gesagt?
© Getty

Der Rennausgang des Brasilien-GP macht das Finale am Wochenende in Abu Dhabi zu einem Thriller. Theoretisch könnten Sebastian Vettel, Mark Webber und Fernando Alonso sogar am Ende punktgleich sein. Ein Wort bleibt in aller Munde: Teamtaktik.

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Sepp Herberger hat es immer gewusst: Nach dem Rennen ist vor dem Rennen. Leicht abgewandelt passt seine Fußballweisheit perfekt auf die Konstellation zwischen dem Brasilien-GP und dem Saisonfinale in Abu Dhabi.

Denn das Thema, über das alle reden, ist nach dem Rennen das gleiche wie davor: Teamorder. Genauer muss man sagen Teamtaktik, denn Teamorder im wörtlichen Sinn ist in der Formel 1 verboten.

Ferrari wendet sie an und deshalb führt Fernando Alonso vor dem Showdown die Fahrerwertung nach wie vor an. Red Bull wendet sie nicht an und deshalb hat sich die Lage für Sebastian Vettel und Mark Webber trotz des Doppelsieges kaum verbessert.

Ferrari: "Sie haben uns einen Gefallen getan"

Hätte Red Bull die Plätze getauscht, dann könnte Webber in Abu Dhabi leicht aus eigener Kraft Weltmeister werden. Haben sie aber nicht. "Damit haben sie uns einen Gefallen getan", feixte nach dem Rennen Ferrari-Chefrenningenieur Chris Dyer.

Webber hingegen nahm es sportlich: "Ein Platztausch hätte mir geholfen, aber das ist nicht die Philosophie des Teams. Sebastian ist ein tolles Rennen gefahren und hat verdient gewonnen. Fernando hat in Hockenheim einige Punkte durch Teamtaktik gewonnen. Da hat jeder seine eigene Meinung. Trotz allem habe ich in Abu Dhabi noch eine Chance."

Vettel wünscht sich "rauchenden Ferrari"

Genauso wie Vettel, auch wenn der Deutsche mit 15 Punkten Rückstand schon auf einen Ausrutscher oder technische Probleme bei Alonso hoffen muss. "Ich wünsche Fernando nichts Schlechtes, aber es wäre nicht übel, einen rauchenden Ferrari zu sehen", sagte Vettel. "Ich kann nicht mehr tun, als versuchen, erneut zu gewinnen. Danach muss ich sehen, wo Fernando ankommt."

Alonso selbst lässt sich von dem ganzen Teamorder-Gerede nicht aus der Ruhe bringen. Er sagt: "Das wird ein stressiges Wochenende für uns alle werden, an dem alles passieren kann. Jeder startet bei null und wir werden sehen, wer einen besseren Job macht."

Kurioses Rechenspiel: Alle drei Piloten punktgleich

Dann rechnet der Spanier seine WM-Rechnung vor: "Wenn Webber gewinnt, brauche ich einen zweiten Platz, um Weltmeister zu werden. Gewinnt Vettel, reicht mir ein fünfter Platz."

Da hat sich Alonso leider etwas verkalkuliert. Denn angenommen, Vettel gewinnt vor Webber und Alonso wird tatsächlich Fünfter, dann wird es kurios. Alle drei Fahrer hätten dann 256 Punkte - und Vettel wäre Weltmeister, weil er bei exakt der gleichen Anzahl an Siegen, zweiten und dritten Plätzen einen vierten Platz mehr auf dem Konto hätte als Alonso.

Teamorder? Red Bull vertraut seinen Fahrern

Ebenfalls hochinteressant wird es, wenn die Reihenfolge kurz vor dem Zieleinlauf in Abu Dhabi genau die gleiche ist wie in Brasilien. Vettel vor Webber und Alonso. Dann könnte Vettel nicht mehr Weltmeister werden, müsste aber Webber freiwillig vorbei lassen, um seinen Teamkollegen zum Champion zu machen.

Die große Frage: Wird er das tun? Anweisung wird er keine bekommen. "Das kommt gar nicht in Frage", betonte Red-Bull-Berater Helmut Marko. Teamchef Christian Horner sagte: "Wenn die Situation entstehen sollte, dass einer von beiden nicht mehr gewinnen, aber dem anderen helfen kann, dann kann ich mir vorstellen, dass sie das Richtige tun werden. Aber es wird eine reine Entscheidung der Fahrer sein."

Kein klares Bekenntnis von Vettel

Womit wir bei Vettel wären. Würde er Webber freiwillig passieren lassen und ihn so zum ersten Red-Bull-Weltmeister machen? "Das muss ich aus der Situation heraus entscheiden. Klar ist, dass wir beide wissen, was wir zu tun haben", sagte Vettel. Zu einem klaren Bekenntnis ließ er sich aber nicht hinreißen.

Bei Ferrari ist man sich nicht so sicher, ob Red Bull im Ernstfall nicht doch der Versuchung einer Teamtaktik erliegt. "Ich bin überzeugt, dass sie in Abu Dhabi nicht so großzügig sein werden", sagte Dyer.

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali will genau wie sein Fahrer Alonso von sämtlichen Rechenspielen gar nichts wissen. "Wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren. Wir wissen: Wenn wir zwischen den beiden Red Bulls ins Ziel kommen, ist alles in Ordnung. Wir wollen das bestmögliche Rennen abliefern, das bestmögliche Qualifying. Wenn wir gewinnen, verdienen wir den Titel auf jeden Fall."

WM-Außenseiter Hamilton: "Wir brauchen ein Wunder"

Hochspannung ist also nach dem Rennausgang in Brasilien garantiert. Zumindest für Alonso, Vettel und Webber. Für das McLaren-Duo Lewis Hamilton und Jenson Button hat sich die Sache mit dem Titelkampf dagegen erledigt.

Button ist ausgerechnet an der Stätte, an der er im vergangenen Jahr Weltmeister wurde, seine Chance auf die Titelverteidigung nun auch rechnerisch los geworden. Hamilton kann mit 24 Zählern Rückstand auf Alonso zwar theoretisch noch hoffen, aber de facto müssten beide Red-Bull-Piloten und Alonso ausscheiden.

Daran glaubt er selbst nicht: "Wir waren in Brasilien nicht schnell genug und werden in Abu Dhabi nicht schnell genug sein. Realistisch betrachtet brauchen wir ein Wunder."

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