Wer entscheidet über Ferraris Schicksal?

Von Alexander Mey
Fernando Alonso (l.) hat zum zweiten Mal in dieser Saison ein Rennen gewonnen
© xpb

Für Ferrari ist das Thema Stallorder beim Deutschland-GP in Hockenheim nach dem Akzeptieren der Geldstrafe in Höhe von 100.000 Dollar noch lange nicht ausgestanden. Das dicke Ende könnte bei der nächsten Sitzung des FIA-Weltrats kommen.

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Die Aufregung nach der Stallorder von Ferrari, mit der die Italiener Fernando Alonso an Felipe Massa vorbei zum Sieg in Hockenheim gelotst haben, war riesig. Experten, Beteiligte und mySPOX-User haben heftig über die Aktion diskutiert.

Ferrari ist schuldig, urteilten die Rennkommissare vor Ort. 100.000 Dollar Geldstrafe haben sie dem Team für einen Verstoß gegen Paragraph 39.1 des sportlichen Reglements, der Stallorder verbietet, und Paragraph 151c, der es untersagt, dem Ansehen des Sports zu schaden, aufgebrummt.

Rechtslage für Disqualifikation zu unsicher

Mehr ging nicht. Denn das ist die höchste Geldstrafe, die die Rennkommissare aussprechen dürfen. Das Team direkt zu disqualifizieren, haben sie sich nicht getraut. Dazu ist die Rechtslage in Sachen Stallorder zu unsicher. Man hätte der Scuderia eindeutig beweisen müssen, dass sie Massa befohlen hat, Alonso passieren zu lassen.

Das hat sie vordergründig nicht getan, denn der Funkspruch an Massa lautete wörtlich: "Fernando ist schneller als du. Kannst du bestätigen, dass du diese Nachricht verstanden hast?" Natürlich ist klar, was Ferrari damit gemeint hat. Aber ob man das Team dafür sportgerichtlich belangen kann, ist eine spannende Frage.

FIA-Weltrat soll am 10. September zusammenkommen

Dafür zuständig ist der FIA-Weltrat, der zum nächsten Mal planmäßig am 10. September im italienischen Como tagt. Ob es wegen der Causa Ferrari vorher eine außerordentliche Sitzung geben wird, ist noch offen. Schließlich geht die Formel 1 nach dem Ungarn-GP am kommenden Wochenende in ihre Sommerpause.

Aber egal, wann der Weltrat zusammenkommt, er wird einen Präzedenzfall für Stallorder schaffen. Er kann Ferrari freisprechen, die Geldstrafe erhöhen, Punkte aberkennen oder sogar eine Sperre aussprechen. In jedem Fall wird er durch sein Urteil endlich klarstellen müssen, was Stallorder ist und was nicht.

Brisante Personalie im Weltrat: FIA-Boss Jean Todt

Aber wer sitzt eigentlich in diesem FIA-Weltrat und entscheidet damit über Ferraris Schicksal? Er besteht aus 26 Mitgliedern, die mindestens vier Mal im Jahr zusammenkommen, um über Regelfragen im Motorsport-Bereich des Automobil-Weltverbands zu entscheiden.

Wichtigstes Mitglied ist der FIA-Präsident Jean Todt. Eine brisante Personalie, denn schließlich war er es, der 2002 als Teamchef von Ferrari zum letzten Mal offensichtlich Stallorder anwendete, um Michael Schumacher in Österreich an Rubens Barrichello vorbeizulotsen. "Let Michael pass for the championship!" Dieser Funkspruch ist unvergessen.

Mitglieder aus aller Welt entscheiden über Ferrari

Neben Todt gehören Sport-Präsident Graham Stoker aus Großbritannien und die sieben Vize-Präsidenten der FIA dem Weltrat an. Sie kommen aus Mexiko, Monaco, Neuseeland, Italien, Spanien, Tansania und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Deutsche Hermann Tomczyk hat seinen Sitz im Weltrat im Zuge der Wahl von Todt verloren.

Weitere Mitglieder sind der Präsident des Formula One Managements, Bernie Ecclestone, der Präsident der FIA-Hersteller-Kommission, Francois Cornelis aus Belgien, und der Präsident der internationalen Kart-Kommission, Nicolas Deschaux aus Frankreich.

Komplettiert wird der Weltrat durch 14 Vertreter aus FIA-Mitgliedsstaaten. Unter ihnen befindet sich für Indien Force-India-Teamchef Vijay Mallya. Die übrigen weniger bekannten Entscheidungsträger kommen aus Bahrain, Australien, Griechenland, Portugal, Kroatien, China, Russland, der Dominikanischen Republik, Paraguay, Tschechien, Schweden, Venezuela und Singapur.

100 Millionen Dollar Strafe für McLaren

Sie und ihre Vorgänger haben in den vergangenen Jahren einige weitreichende Urteile gefällt. Zuletzt sperrte der aktuelle Weltrat das USF1-Team für immer, da es seinen Startplatz für 2010 nicht eingenommen hatte.

Wesentlich mehr Aufsehen erregten aber andere Entscheidungen. Die lebenslange Sperre für Flavio Briatore wegen der Crashgate-Affäre um Renault, die später von einem ordentlichen Gericht aufgehoben wurde. Die drei Rennen Sperre auf Bewährung für McLaren wegen der Lügenaffäre um Lewis Hamilton beim Australien-GP 2009.

Und natürlich die 100 Millionen Dollar Strafe inklusive Aberkennung aller Punkte in der Konstrukteurs-WM für die Spionageaffäre um McLaren in der Saison 2007. Die drastischste Strafe, die je für ein Team ausgesprochen wurde.

Als Fahrer erwischte es Michael Schumacher am härtesten, als er 1997 für seinen Rammstoß gegen Jacques Villeneuve beim Saisonfinale in Jerez vom Weltrat alle WM-Punkte aberkannt bekam.

Ferrari 2002 für Stallorder nicht bestraft

Interessant: Bei der berüchtigten Stallorder von Ferrari 2002 wurde auch nur Schumacher bestraft, das Team nicht. Da die FIA damals noch keine Handhabe gegen Stallorder hatte, die Roten aber unbedingt für die Ungerechtigkeit bestrafen wollte, schob man die Tatsache vor, dass Schumacher auf dem Podium verbotener Weise Barrichello seinen Platz auf der obersten Stufe überlassen hatte. Dafür musste er 500.000 Dollar zahlen. Eine Summe, die jedoch das Team übernahm. Der zweite Teil der eigentlichen Eine-Million-Dollar-Strafe wurde erlassen.

Erst nach dem Vorfall von Spielberg 2002 wurde Stallorder verboten. Aber bis heute gibt es dafür keinen exakten Strafenkatalog, weil es keinen ähnlich drastischen Fall mehr gab.

Jetzt hat Ferrari für ein Renaissance des Themas gesorgt - und läuft Gefahr, dass die FIA an diesem Fall ein Exempel statuiert.

Rennanalyse: Ferrari-Geldstrafe nach Doppelsieg