"Alonso ist wirklich enttäuschend"

Von Interview: Alexander Mey
berger, vettel
© Imago

München - Wann immer es in der Formel 1 gilt, einen kompetenten und ehrlichen Gesprächspartner zu finden, der auch bei kritischen Themen kein Blatt vor den Mund nimmt, kommt Gerhard Berger ins Spiel.

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Der Österreicher hat viel zu sagen. Sei es zu seinem in der zweiten Saisonhälfte aufstrebenden Team Toro Rosso, das ihm zu 50 Prozent gehört, der sportlichen Zukunft des vermeintlichen Wunderkinds Sebastian Vettel, dem WM-Showdown in Brasilien oder der Enttäuschung über Fernando Alonso.

SPOX.com hat den 48-Jährigen genau nach diesen Themen befragt.

SPOX: Herr Berger, Ihr Team hatte zuletzt zwei starke Rennen im Regen. Wenn es nach Ihnen ginge, könnte es eigentlich immer regnen.

Gerhard Berger: Es ist sicher im Moment ein Vorteil für uns.

SPOX: Ist Regen die einzige Chance für Toro Rosso, so weit nach vorne zu fahren wie in China?

Berger: Nicht die einzige. Es stimmt zwar, dass wir momentan im Regen etwas besser aufgestellt sind als im Trockenen, aber auch im trockenen Qualifying in China haben wir die Top Ten nur ganz knapp verpasst. Das war eine sehr gute Leistung.

SPOX: Woher der Aufschwung in der zweiten Saisonhälfte?

Berger: Der Trend geht in der Tat nach oben. Wir haben einige starke Verbesserungen am Auto erzielt. Es kommt aber auch dazu, dass Sebastian Vettel speziell im Regen extrem gute Leistungen zeigt.

SPOX: Sind die Plätze vier und sechs aus Schanghai das Maximum, das man mit einem Team wie Ihrem erreichen kann?

Berger: Ja. Sicher kann man unter bestimmten Bedingungen auch mal noch mehr Glück haben, man hat aber auch oft genug Pech. Im Hinblick auf Brasilien ist unser Ziel, sicher in die zweite Qualifying-Runde zu kommen. Sollten wir das schaffen, dann sehe ich uns im Rennen zwischen den Plätzen acht und zwölf.

SPOX: Wird das auch in Zukunft das Limit sein?

Berger: Nein. Wir werden unsere Ziele sicher noch höher stecken. Aber für den Moment ist das, was wir erreicht haben, ein schöner Erfolg, den wir versuchen werden, im kommenden Jahr zu stabilisieren.

SPOX: Wovon haben Sie zu Beginn der Saison geträumt?

Berger: Ungefähr von dem, was wir jetzt leisten. Allerdings sind wir erst ein bisschen später dahin gekommen, als es geplant war.

SPOX: Haben Sie Sebastian Vettel zu spät verpflichtet?

Berger: Ja, keine Frage. Vettel wäre schon das ganze Jahr über die richtige Wahl für unser Team gewesen. Aber wichtig ist am Ende, dass wir ihn überhaupt geholt haben.

SPOX: Sie haben nach dem China-GP gesagt, Vettel werde einmal ein ganz Großer. Wie kommen Sie darauf?

Berger: In einem Auto wie dem Toro Rosso, in dem man keine Siegchancen hat, gibt es immer besondere Situationen, in denen der Fahrer derjenige ist, der den Unterschied macht. Das gilt besonders im Regen. Man denke nur an Glanzvorstellungen von Stefan Bellof, Ayrton Senna und natürlich auch Michael Schumacher.

SPOX: Die deutsche Boulevard-Presse bezeichnet Vettel ja schon als "Bubi-Schumi".

Berger: Bei so etwas ist Vorsicht geboten. Man muss Vettel Zeit geben und darf nicht versuchen, zwei Schritte auf einmal zu machen. Er muss 2008 einfach mal eine ganz solide Saison hinlegen und Formel-1-Luft schnuppern.

SPOX: Wird er trotz Gerüchten um einen möglichen Wechsel 2008 definitiv seinen Vertrag bei Toro Rosso erfüllen?

Berger: Man kann nicht mehr haben als einen Vertrag.

SPOX: Bei einem wirklich großen Angebot würden Sie ihm aber keine Steine in den Weg legen.

Berger: Nein, das stimmt nicht. Wir brauchen ihn genauso nötig in unserem Team und sehen ihn auch in Zukunft bei uns. Wir setzen alles daran, dass er weiter bei uns fährt.

SPOX: Wie lange können Sie so ein Talent wie Vettel im Team halten? Auch über 2008 hinaus?

Berger: Er hat bei uns einen Vertrag über drei Jahre und wird auf jeden Fall in den nächsten Jahren in der Red-Bull-Familie bleiben.

SPOX: Er wird also nicht 2009 zu BMW-Sauber zurückkehren.

Berger: Nein.

SPOX: Wie lautet Ihr WM-Tipp für das Wochenende?

Berger: Theoretisch hat Lewis Hamilton die besten Karten. Ich glaube, dass er seinen Vorteil nutzen wird. Dennoch muss er jetzt natürlich Risiken eingehen, auch mit dem neuen Motor, den er bekommt. So ein Schuss kann auch nach hinten losgehen. Dazu kommt, dass Fernando Alonso alles daran setzen wird, das Rennen zu gewinnen. Lachender Dritter könnte deshalb Kimi Räikkönen sein.

SPOX: Wenn sich Hamilton und Alonso gegenseitig ins Auto fahren.

Berger: So ist es. Ich glaube nicht, dass sie das mit Absicht tun werden, aber es wird sicher ein hartes Duell werden.

SPOX: Können Sie das Phänomen Hamilton erklären?

Berger: Er ist hervorragend über viele Jahre von McLaren ausgebildet worden und ist zusätzlich zu seiner Grundschnelligkeit auch noch ein cleverer Bursche. Das ist eine perfekte Kombination. Ich hätte nicht gedacht, dass man so etwas hinbekommen kann.

SPOX: Kann man seinen Einstieg mit denen von Stars wie Schumacher oder Senna vergleichen?

Berger: Die Ausbildung von Hamilton war noch besser als die von Schumacher oder Senna. Die sind von Kindesbeinen an Kart gefahren und hatten deshalb Leuten wie mir gegenüber Vorteile, die erst mit 21 Jahren angefangen haben, Rennen zu fahren. Hamilton hat dagegen eine ganz neue Art von Ausbildung gehabt, mit Simulatoren, Daten uns so weiter. Aber er konnte es auch umsetzen, das macht ihn einfach gut.

SPOX: Haben Fahrer wie Nico Rosberg und auch Vettel das gleiche Potenzial?

Berger: Ich schätze alle drei sehr stark ein. Vettel ist aber schon wieder eine Generation dahinter. Doch mit etwas mehr Erfahrung hat er auch das Potenzial.

SPOX: Hat die Formel 1 jemanden wie Hamilton gebraucht?

Berger: Absolut. Er hat einen Eindruck hinterlassen, der einzigartig ist.

SPOX: Auch bei Alonso, der mit der Herausforderung wenig souverän umgegangen ist.

Berger: Alonso ist wirklich enttäuschend. Er hat es nicht geschafft, Hamilton sportlich ins Abseits zu stellen, sondern er hat es mit fragwürdigen Methoden versucht. Ich habe eigentlich sehr viel von ihm gehalten und er war vor der Saison sogar meine erste Wahl unter den Piloten. Aber so ändern sich die Zeiten.

SPOX: Gibt es für Alonso eine Zukunft bei McLaren-Mercedes?

Berger: Ich glaube nicht.

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