Marco Sturm spielte in seiner langen Karriere sowohl in Köln als auch in Ingolstadt. Im Interview spricht er über die Final-Serie der beiden Teams (Spiel 1, 19.30 Uhr im LIVE-TICKER), das Leben nach dem Eishockey und die Perspektiven beim DEB. Den Hype um Leon Draisaitl hält der frühere NHL-All-Star für voreilig.
SPOX: Herr Sturm, ab Donnerstag stehen sich mit den Kölner Haien und dem ERC Ingolstadt zwei Ihrer ehemaligen DEL-Teams im Finale um die deutsche Eishockey-Meisterschaft gegenüber. Wie sehr freuen Sie sich für Ihre Ex-Klubs?
Marco Sturm: Ich gönne es beiden Vereinen wirklich von Herzen und habe mich daher auch sehr für sie gefreut. Zum einen für den ERC Ingolstadt beziehungsweise dessen Fans, die Stadt und die gesamte Organisation, dass man dieses große Ziel "Finale" nun endlich einmal in die Tat umsetzen konnte. Zum anderen aber auch für die Kölner, dass sie - nachdem es ja im vergangenen Jahr leider nicht mit der Meisterschaft geklappt hat - wieder den Weg ins Endspiel gefunden haben.
SPOX: Wie intensiv haben Sie bislang die Playoffs 2014 in der Deutschen Eishockey-Liga verfolgt?
Sturm: Ich muss zugeben, dass ich bislang noch nicht so viel gesehen habe. Im Grunde war es nur eine komplette Partie - und zwar das erste Viertelfinal-Match der Kölner Haie gegen die Adler Mannheim. Zudem habe ich mich noch bei einer der Halbfinal-Begegnungen der Haie gegen Wolfsburg in den letzten zehn Minuten eingeloggt. Auch wenn die Kölner im Vergleich zur vergangenen Saison nichts Neues spielen, war es für mich schon beeindruckend, wie sie aufgetreten sind. Gerade die jungen Spieler wie Marcel Ohmann, Philipp Riefers oder Björn Krupp haben nochmals einen großen Sprung nach vorne gemacht und sind reifer geworden. Das hat mich sehr gefreut.
SPOX: Werden Sie jetzt während der Finalserie öfters vor Ihrem Laptop beziehungsweise TV-Gerät sitzen?
Sturm: (lacht) Wenn es zeitlich passt, dann werde ich mir die Spiele mit Sicherheit anschauen und beiden Mannschaften die Daumen drücken. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass es eine spannende und packende Serie wird.
SPOX: Blicken wir zunächst auf Ihr Engagement beim ERC Ingolstadt zurück. Aufgrund des NHL-Lockouts 2004/2005 wurde es am Ende eine komplette Saison bei den Oberbayern. Welche Erinnerungen an diese Zeit sind bei Ihnen hängen geblieben?
Sturm: Für mich war es insgesamt ein überragendes Jahr, in dem wir sehr viel Spaß hatten. Im Grunde hat alles gestimmt - die Mannschaft beziehungsweise deren Charakter war klasse, der Mix zwischen jungen und älteren, deutschen und guten ausländischen Akteuren hat ebenso gepasst. Auch Trainer Ron Kennedy und Manager Stefan Wagner haben eine sehr gute Arbeit abgeliefert. Leider sind wir in dieser Saison schon im Halbfinale gegen den späteren deutschen Meister Eisbären Berlin ausgeschieden.
SPOX: Immerhin konnten Sie mit den Panthern aus Ingolstadt in dieser Spielzeit den Pokal des deutschen Eishockey-Bundes gewinnen...
Sturm: Ganz genau. Im Finale haben wir in der heimischen Saturn-Arena die DEG Metro Stars besiegt. Auch wenn es am Ende "nur" der DEB-Pokal war, war es trotzdem eine tolle Sache und schöne Erinnerung. Die Feier ist damals auch dementsprechend etwas größer ausgefallen (lacht).
SPOX: Anschließend haben Sie dann wieder in der National Hockey League (NHL) gespielt, ehe Sie im Januar 2013 in die DEL, diesmal zu den Kölner Haien, zurückgekehrt sind. Welche Eindrücke und Momente haben Sie aus Köln mitgenommen?
Sturm: Eigentlich war es vergleichbar mit Ingolstadt. Ich hatte dort ebenfalls eine sehr schöne Zeit und daher auch einen perfekten Abschluss meiner Profikarriere. Die Stadt Köln hat einfach etwas Besonderes. Zudem waren wir ein echtes Team auf und neben dem Eis, das von Uwe Krupp hervorragend eingestellt und gecoacht wurde. Daher wundert es mich auch nicht, dass die Haie in diesem Jahr erneut im Finale stehen.
SPOX: Sie haben in Köln nicht nur unter Head Coach Uwe Krupp, sondern auch dessen damaligem Assistenten Niklas Sundblad gearbeitet. Seit dieser Saison steht der Schwede nun als Cheftrainer beim ERC Ingolstadt hinter der Bande und hat die Schanzer auf Anhieb ins Finale geführt. Kann man die beiden Coaches in irgend einer Art und Weise miteinander vergleichen?
Sturm: Es ist in der Tat eine ganz besondere Konstellation, dass Uwe und "Sunny" mit ihren beiden Teams im Endspiel aufeinander treffen. Vom Charakter her sind beide schon etwas unterschiedlich. Was sie jedoch gemeinsam haben: Sie lassen im Grunde das gleiche System spielen. Die Kölner haben hier vielleicht einen kleinen Vorteil, da sie dieses System, das jetzt nicht unbedingt einfach zu erlernen und umzusetzen ist, schon etwas länger anwenden. Auf der anderen Seite hat es auch Ingolstadt glücklicherweise rechtzeitig zu den Playoffs geschafft, dieses System erfolgreich umzusetzen. Wie schon gesagt, ich gehe von einer engen und spannenden Serie aus, da beide Mannschaften nicht nur defensiv gut stehen, sondern auch in der Offensive über viel Scoring-Potenzial verfügen.
SPOX: Das aktuelle Team der Kölner Haie hat sich im Vergleich zur vergangenen Spielzeit nur unwesentlich verändert. Ist es daher ein großer Vorteil für Sundblad, dass er die Stärken und Schwächen der Kölner Akteure nahezu in- und auswendig kennt?
Sturm: Sagen wir es mal so: Für "Sunny" ist es sicherlich kein Nachteil. Er kennt, wie gesagt, alles: Die Spieler und vor allem das System! Und er ist der Einzige, der auch weiß, wie man Letzteres knacken kann - neben Uwe Krupp selbst! Und dann wären wir wieder so weit, dass im Grunde doch wieder alles ausgeglichen ist. Letztlich werden deshalb wohl Kleinigkeiten in jedem Match über Sieg und Niederlage entscheiden. Wer dann zum Schluss die Nase vorne haben und sich den Titel holen wird, kann und will ich nicht vorhersagen.
SPOX: Um bei eben diesen Kleinigkeiten zu bleiben: Auf welche Details kommt es grundsätzlich in einer Finalserie an?
Sturm: Ich denke, dass das jetzt gar nicht spezifisch für die Endspiel-Serie, sondern letztlich für die gesamten Playoffs gilt. Klar, in der Finalserie bist du vielleicht noch etwas mehr angespannt und ein bisschen nervöser als sonst. Mit den bereits angesprochenen Kleinigkeiten meine ich zum Beispiel die Torhüter: Wie stabil sind sie in einer Serie? Oder wie reagiert man auf ein, zwei dumme Gegentore? So etwas kann dir auch die komplette Serie kosten. Das sind alles Dinge, die sich summieren und den Ausschlag in diese oder jene Richtung geben können.
SPOX: Haben Sie nach wie vor Kontakt zu Ihren letztjährigen Haie-Teamkollegen oder Chefcoach Uwe Krupp?
Sturm: Ja, auf alle Fälle. Es ist ja noch nicht so lange her, dass ich dort gespielt habe. Von dem her geht immer mal wieder die eine oder andere SMS hin und her. Mit Uwe habe ich mich zuletzt während der ersten Playoff-Runde gegen Mannheim ausgetauscht und ihm dabei viel Glück gewünscht.
SPOX: Mal Hand aufs Herz! Wenn Sie vor allem die Kölner Haie in diesen Playoffs verfolgen und dann auch noch das Finale gegen den ERC Ingolstadt ansteht: Kommt bei Ihnen etwas Wehmut auf, zumal Sie ja erst im Januar dieses Jahres Ihren offiziellen Rücktritt vom Leistungssport bekannt gegeben haben?
Sturm: Nun, mir wurde in den vergangenen Monaten natürlich oftmals die Frage gestellt, ob ich das Eishockey grundsätzlich vermisse. Es gibt sicherlich immer wieder mal Momente, in denen man sich denkt, dass es jetzt schön wäre, wieder dabei zu sein. Aber das Eishockey im Allgemeinen vermisse ich nicht. Und genau das beweist, dass mein Akku in dieser Hinsicht einfach komplett leer war. Ich könnte daher das Ganze - vor allem psychisch - auch nicht mehr so machen und umsetzen, wie es nötig wäre, um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Von dem her war meine Entscheidung, einen Schlussstrich unter die aktive Karriere zu ziehen, absolut richtig.
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SPOX: Wie ist denn dem ehemaligen Profisportler Marco Sturm der Übergang in sein "neues Leben", hin zum "Privatier" Marco Sturm, in den ersten Monaten gelungen?
Sturm: Mir geht es wirklich sehr gut! Langweilig wird es mir nie. Im Gegenteil, ich trainiere mittlerweile hier in Florida (Coral Springs, Anm. d Red.) drei Jugendmannschaften, in denen auch meine beiden Kinder spielen. Mit dem ganzen Training unter der Woche sowie den zahlreichen Spielen am Wochenende bin ich sehr viel unterwegs. Doch das macht mir einen Riesenspaß. Ansonsten verbringe ich natürlich sehr viel Zeit mit meiner Familie, die während meiner Profikarriere leider oftmals zu kurz kam.
SPOX: Sehen Sie Ihre weitere berufliche Zukunft vielleicht sogar im Trainer-Bereich?
Sturm: Nein, eigentlich nicht. Mein Grundgedanke war, dass ich mir einfach eine Beschäftigung suche, um nicht nur daheim rumzusitzen. Und nachdem meine beiden Kinder jetzt auch Eishockey spielen und ich bei jedem Training und jedem Match dabei sein wollte, hat sich diese Aufgabe aufgrund meiner Erfahrung und Vergangenheit eben angeboten. Momentan ist das Ganze eher vorübergehend angedacht und zugleich eine schöne Abwechslung. Zukünftig kann ich mir schon vorstellen, eine Jugendmannschaft zu trainieren. Ein solcher Job im Senioren-Bereich ist dagegen für mich absolut kein Thema.
SPOX: Nachdem ein hauptamtlicher Trainer-Posten also ausscheidet: Haben Sie sich darüber hinaus schon einmal Gedanken gemacht, in welche Richtung es stattdessen beruflich künftig gehen soll?
Sturm: Ja, so langsam habe ich jetzt den Ruck bekommen, dass ich mich mit möglichst vielen Leuten unterhalte, Kontakte aufbaue und mich umhöre, welche Möglichkeiten bestehen und was mir Spaß machen könnte. Ich bin schon selbst sehr gespannt, was dann am Ende dabei herauskommt.
SPOX: Sehen Sie Ihren Lebensmittelpunkt derzeit weiter in den USA, genauer gesagt in Florida, oder könnten Sie sich auch eine kurzfristige, dauerhafte Rückkehr nach Deutschland vorstellen?
Sturm: Nun, nachdem ich ja den überwiegenden Teil meiner Laufbahn in Nordamerika verbracht und mir dadurch auch viele Kontakte aufgebaut habe, sehe ich meine Zukunft beziehungsweise die meiner Familie momentan eher hier. Im Sommer werden wir zwar wieder daheim in Deutschland sein und ich weiß natürlich nicht, was dort alles auf mich zukommen wird. Aber derzeit konzentriere ich mich in Sachen Beruf ausschließlich auf die USA.
SPOX: Eigentlich kann der Deutsche Eishockey-Bund auf einen Mann mit Ihrem immensen Erfahrungsschatz von vier Teilnahmen an Olympischen Spielen, drei Weltmeisterschaften, einem World Cup of Hockey sowie 938 Einsätzen in der NHL nicht verzichten - in welcher Funktion auch immer. Hat es seitens des DEB seit Bekanntgabe Ihres Karriere-Endes schon eine Kontaktaufnahme gegeben beziehungsweise könnten Sie sich überhaupt vorstellen, eine Aufgabe dort zu übernehmen?
Sturm: (überlegt) Das ist eine gute Frage. Also einen Kontakt hat es bislang noch nicht gegeben - und darum habe ich mir wahrscheinlich in diese Richtung auch noch gar keine Gedanken gemacht. Aber klar, für den Fall, dass es einmal einen Anruf vom DEB geben sollte, würde ich mir das selbstverständlich anhören. Ich habe immer wieder betont, dass es für mich stets eine große Ehre war, für Deutschland zu spielen. Warum sollte man daher nicht auch für andere Funktion oder Tätigkeiten offen sein.
SPOX: Stichwort Nationalmannschaft: Für die Truppe von Bundestrainer Pat Cortina steht die Weltmeisterschaft in Minsk (Weißrussland) vom 9. bis 25. Mai bevor. Wie wichtig ist ein erfolgreiches Auftreten und Abschneiden, gerade nach der verpassten Qualifikation für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi?
Sturm: Natürlich wäre es wichtig - allerdings nicht nur für dieses eine Turnier, sondern vor allem auch für die Zeit danach! Deutschland muss wieder zu Olympischen Spielen sowie regelmäßig zu den besten zehn oder zwölf Eishockey-Nationen auf der Welt gehören. Wir müssen es darüber hinaus schaffen, dass sich das Team von Jahr zu Jahr verbessert und Fortschritte erkennbar sind. Ich hoffe, man hat dafür mit Pat Cortina den richtigen Trainer. Auch wenn ich ihn persönlich nicht kenne, macht er auf mich - was ich bisher so mitbekommen habe - einen sehr guten Eindruck. Es wäre jedenfalls wünschenswert, wenn gerade auch mit den jungen Spielern wieder ein neuer Schwung in die Mannschaft kommt.
SPOX: Sind Sie der Meinung, dass ein gesundes Fundament an jungen Spielern für eben diesen "neuen Schwung" überhaupt vorhanden ist oder besteht diesbezüglich - gerade in Sachen Nachwuchsarbeit und Förderung - deutlicher Nachholbedarf?
Sturm: Ich habe jetzt sicherlich nicht den großen und tiefen Einblick. Aber eines ist klar: Bei der Nachwuchsarbeit fängt alles an! Vielleicht waren ja einige Jahre dabei, in denen man dieses Thema ein bisschen verschlafen hat. Aber ich kann letztlich nur das sagen, was mir berichtet wurde und ich gelesen habe. Deshalb ist es schwierig, sich dazu detailliert zu äußern. Das Wichtigste ist aber sicherlich, dass DEL und DEB eng zusammenarbeiten. Nur so kann es funktionieren und wieder aufwärts gehen.
SPOX: Vor allem ein junger deutscher Spieler sorgt derzeit für großes Aufsehen: Leon Draisaitl. Der 18-jährige gebürtige Kölner, der seit 2012 in der kanadischen Junioren-Liga WHL für die Prince Albert Raiders auf Torjagd geht, wird von nahezu sämtlichen NHL-Experten beim diesjährigen Draft als einer der absoluten Top-Picks gehandelt. Wie schätzen Sie sein Leistungsvermögen ein?
Sturm: Obwohl Leon jetzt auch beim gleichen Spieleragenten ist und ich deshalb im Vorfeld mit seinem Vater Peter gesprochen habe, kenne ich ihn persönlich nicht. Nachdem jedoch sämtliche Partien der U-20-Weltmeisterschaft bei uns im Fernsehen live übertragen wurden, habe ich mir die deutschen Begegnungen angeschaut und konnte mir dabei ein erstes Bild von ihm machen. Dass die WM jetzt aus seiner Sicht nicht gerade überragend lief, das weiß er sicherlich selbst. Auf der anderen Seite hat er aber - gerade durch seinen Körper und seine Reichweite - in der kanadischen Junioren-Liga enorm eingeschlagen. Ich bin jedenfalls gespannt, an welcher Position er tatsächlich gedraftet wird.
SPOX: Sowohl in Nordamerika als auch in Deutschland wird Draisaitl bereits als "deutscher Gretzky" geadelt. Tut man dem Youngster damit einen Gefallen?
Sturm: Ehrlich gesagt kann ich darüber nur den Kopf schütteln. Dass er Lob und Anerkennung bekommt, finde ich gut und absolut richtig! Aber dass er bereits mit Gretzky verglichen wird - und das auch noch zu einem Zeitpunkt, wo er noch nicht einmal gedraftet wurde -, halte ich für absolut überzogen und unpassend. Einen Gefallen tut man Leon damit erst recht nicht. Beim Draft hofft man zunächst natürlich einmal darauf, früh gezogen zu werden, um möglichst schnell seine Chance in der NHL zu bekommen. Erst wenn das der Fall ist, geht's richtig los! Dann wird sich zeigen, ob und wie man sich in der besten Eishockey-Liga der Welt durchboxt.
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Die DEL-Finals im Überblick
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