"Sunny kann das Haie-System knacken"

Von Interview: Dirk Sing
Marco Sturm beendete seine Karriere bei den Kölner Haien
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SPOX: Wie ist denn dem ehemaligen Profisportler Marco Sturm der Übergang in sein "neues Leben", hin zum "Privatier" Marco Sturm, in den ersten Monaten gelungen?

Sturm: Mir geht es wirklich sehr gut! Langweilig wird es mir nie. Im Gegenteil, ich trainiere mittlerweile hier in Florida (Coral Springs, Anm. d Red.) drei Jugendmannschaften, in denen auch meine beiden Kinder spielen. Mit dem ganzen Training unter der Woche sowie den zahlreichen Spielen am Wochenende bin ich sehr viel unterwegs. Doch das macht mir einen Riesenspaß. Ansonsten verbringe ich natürlich sehr viel Zeit mit meiner Familie, die während meiner Profikarriere leider oftmals zu kurz kam.

SPOX: Sehen Sie Ihre weitere berufliche Zukunft vielleicht sogar im Trainer-Bereich?

Sturm: Nein, eigentlich nicht. Mein Grundgedanke war, dass ich mir einfach eine Beschäftigung suche, um nicht nur daheim rumzusitzen. Und nachdem meine beiden Kinder jetzt auch Eishockey spielen und ich bei jedem Training und jedem Match dabei sein wollte, hat sich diese Aufgabe aufgrund meiner Erfahrung und Vergangenheit eben angeboten. Momentan ist das Ganze eher vorübergehend angedacht und zugleich eine schöne Abwechslung. Zukünftig kann ich mir schon vorstellen, eine Jugendmannschaft zu trainieren. Ein solcher Job im Senioren-Bereich ist dagegen für mich absolut kein Thema.

SPOX: Nachdem ein hauptamtlicher Trainer-Posten also ausscheidet: Haben Sie sich darüber hinaus schon einmal Gedanken gemacht, in welche Richtung es stattdessen beruflich künftig gehen soll?

Sturm: Ja, so langsam habe ich jetzt den Ruck bekommen, dass ich mich mit möglichst vielen Leuten unterhalte, Kontakte aufbaue und mich umhöre, welche Möglichkeiten bestehen und was mir Spaß machen könnte. Ich bin schon selbst sehr gespannt, was dann am Ende dabei herauskommt.

SPOX: Sehen Sie Ihren Lebensmittelpunkt derzeit weiter in den USA, genauer gesagt in Florida, oder könnten Sie sich auch eine kurzfristige, dauerhafte Rückkehr nach Deutschland vorstellen?

Sturm: Nun, nachdem ich ja den überwiegenden Teil meiner Laufbahn in Nordamerika verbracht und mir dadurch auch viele Kontakte aufgebaut habe, sehe ich meine Zukunft beziehungsweise die meiner Familie momentan eher hier. Im Sommer werden wir zwar wieder daheim in Deutschland sein und ich weiß natürlich nicht, was dort alles auf mich zukommen wird. Aber derzeit konzentriere ich mich in Sachen Beruf ausschließlich auf die USA.

SPOX: Eigentlich kann der Deutsche Eishockey-Bund auf einen Mann mit Ihrem immensen Erfahrungsschatz von vier Teilnahmen an Olympischen Spielen, drei Weltmeisterschaften, einem World Cup of Hockey sowie 938 Einsätzen in der NHL nicht verzichten - in welcher Funktion auch immer. Hat es seitens des DEB seit Bekanntgabe Ihres Karriere-Endes schon eine Kontaktaufnahme gegeben beziehungsweise könnten Sie sich überhaupt vorstellen, eine Aufgabe dort zu übernehmen?

Sturm: (überlegt) Das ist eine gute Frage. Also einen Kontakt hat es bislang noch nicht gegeben - und darum habe ich mir wahrscheinlich in diese Richtung auch noch gar keine Gedanken gemacht. Aber klar, für den Fall, dass es einmal einen Anruf vom DEB geben sollte, würde ich mir das selbstverständlich anhören. Ich habe immer wieder betont, dass es für mich stets eine große Ehre war, für Deutschland zu spielen. Warum sollte man daher nicht auch für andere Funktion oder Tätigkeiten offen sein.

SPOX: Stichwort Nationalmannschaft: Für die Truppe von Bundestrainer Pat Cortina steht die Weltmeisterschaft in Minsk (Weißrussland) vom 9. bis 25. Mai bevor. Wie wichtig ist ein erfolgreiches Auftreten und Abschneiden, gerade nach der verpassten Qualifikation für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi?

Sturm: Natürlich wäre es wichtig - allerdings nicht nur für dieses eine Turnier, sondern vor allem auch für die Zeit danach! Deutschland muss wieder zu Olympischen Spielen sowie regelmäßig zu den besten zehn oder zwölf Eishockey-Nationen auf der Welt gehören. Wir müssen es darüber hinaus schaffen, dass sich das Team von Jahr zu Jahr verbessert und Fortschritte erkennbar sind. Ich hoffe, man hat dafür mit Pat Cortina den richtigen Trainer. Auch wenn ich ihn persönlich nicht kenne, macht er auf mich - was ich bisher so mitbekommen habe - einen sehr guten Eindruck. Es wäre jedenfalls wünschenswert, wenn gerade auch mit den jungen Spielern wieder ein neuer Schwung in die Mannschaft kommt.

SPOX: Sind Sie der Meinung, dass ein gesundes Fundament an jungen Spielern für eben diesen "neuen Schwung" überhaupt vorhanden ist oder besteht diesbezüglich - gerade in Sachen Nachwuchsarbeit und Förderung - deutlicher Nachholbedarf?

Sturm: Ich habe jetzt sicherlich nicht den großen und tiefen Einblick. Aber eines ist klar: Bei der Nachwuchsarbeit fängt alles an! Vielleicht waren ja einige Jahre dabei, in denen man dieses Thema ein bisschen verschlafen hat. Aber ich kann letztlich nur das sagen, was mir berichtet wurde und ich gelesen habe. Deshalb ist es schwierig, sich dazu detailliert zu äußern. Das Wichtigste ist aber sicherlich, dass DEL und DEB eng zusammenarbeiten. Nur so kann es funktionieren und wieder aufwärts gehen.

SPOX: Vor allem ein junger deutscher Spieler sorgt derzeit für großes Aufsehen: Leon Draisaitl. Der 18-jährige gebürtige Kölner, der seit 2012 in der kanadischen Junioren-Liga WHL für die Prince Albert Raiders auf Torjagd geht, wird von nahezu sämtlichen NHL-Experten beim diesjährigen Draft als einer der absoluten Top-Picks gehandelt. Wie schätzen Sie sein Leistungsvermögen ein?

Sturm: Obwohl Leon jetzt auch beim gleichen Spieleragenten ist und ich deshalb im Vorfeld mit seinem Vater Peter gesprochen habe, kenne ich ihn persönlich nicht. Nachdem jedoch sämtliche Partien der U-20-Weltmeisterschaft bei uns im Fernsehen live übertragen wurden, habe ich mir die deutschen Begegnungen angeschaut und konnte mir dabei ein erstes Bild von ihm machen. Dass die WM jetzt aus seiner Sicht nicht gerade überragend lief, das weiß er sicherlich selbst. Auf der anderen Seite hat er aber - gerade durch seinen Körper und seine Reichweite - in der kanadischen Junioren-Liga enorm eingeschlagen. Ich bin jedenfalls gespannt, an welcher Position er tatsächlich gedraftet wird.

SPOX: Sowohl in Nordamerika als auch in Deutschland wird Draisaitl bereits als "deutscher Gretzky" geadelt. Tut man dem Youngster damit einen Gefallen?

Sturm: Ehrlich gesagt kann ich darüber nur den Kopf schütteln. Dass er Lob und Anerkennung bekommt, finde ich gut und absolut richtig! Aber dass er bereits mit Gretzky verglichen wird - und das auch noch zu einem Zeitpunkt, wo er noch nicht einmal gedraftet wurde -, halte ich für absolut überzogen und unpassend. Einen Gefallen tut man Leon damit erst recht nicht. Beim Draft hofft man zunächst natürlich einmal darauf, früh gezogen zu werden, um möglichst schnell seine Chance in der NHL zu bekommen. Erst wenn das der Fall ist, geht's richtig los! Dann wird sich zeigen, ob und wie man sich in der besten Eishockey-Liga der Welt durchboxt.

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