"Das ganze Land wird betrunken sein"

SID
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Quebec - Die alte Sowjethymne erklang, doch Russlands Spieler feierten den ersten Weltmeistertitel seit 15 Jahren ausgelassener als es ihre übermächtigen Vorgänger jemals taten.

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"Das ist der größte Sieg für unser Land, der Wechsel kommt", sagte Stürmerstar Alexander Owetschkin euphorisch nach dem denkwürdigen Final-Triumph über Gastgeber Kanada, der in den vergangenen Jahren wieder die dominierende Rolle übernommen hatte.

Die Kanadier standen angesichts ihrer vergebenen 4:2-Führung mit gesenkten Häuptern auf dem Eis, als die russische Fahne nach dem spektakulären 4:5 (3:1, 1:1, 0:2) nach Verlängerung in Quebec aufgezogen wurde.

Owetschkin kündigt Party an

Owetschkin ahnte danach schon, was das Ende der langen Durststrecke in Russland dort trotz nächtlicher Stunde auslösen würde. "Das ganze Land wird betrunken sein - und wir auch", kündigte der Profi der Washington Capitals an.

Auf dem Eis hatte Verbands-Präsident Wladislaw Tretjak den tanzenden Spielern gratuliert. Die Torhüter-Legende war Teil der Sowjet-Ära, als die rote Maschine 22 Mal Weltmeister war.

Rechnet man den erst zweiten Titel durch Russland nach der Zerfall der Sowjetunion dazu, ist die andere Eishockey-Supermacht Kanada mit 24 Championaten nun wieder eingeholt.

Ausgerechnet Kanada

Dass ein Jahr nach der Enttäuschung mit Platz drei in Moskau ausgerechnet in Kanada die langersehnte und fällige Rückkehr auf den Thron gelang, bereitete Owetschkin besondere Freude. "Hier lieben alle Eishockey. Ich habe keine Worte, das ist so bewegend", sagte der 22-Jährige auf Englisch, sprudelte dann aber nach einem Glückwunsch-Anruf einen russischen Wortschwall in sein Handy und herzte seine Goldmedaille.

Kapitän Alexej Morosow sah es nach der tollen Aufholjagd nüchterner: "Es ist nicht so wichtig, dass es hier in Kanada war. Wichtig ist, dass wir es endlich wieder geschafft haben."

Trainer Wjatscheslaw Bykow, zu Sowjet-Zeiten als Spieler Weltmeister, hat aus hochtalentierten Individualisten wieder eine disziplinierte Einheit geformt. "Das Finale war so spektakulär und dramatisch, dass die ganze Welt gewonnen hat. Das Glück war auf unserer Seite", sagte der von einem Journalisten zunächst als sowjetischer Trainer angesprochene Bykow und rang sich auch nach dem Triumph kein Lächeln ab.

Kowaltschuk Matchwinner

"Ich freue mich für unsere Spieler, unsere Fans und die Leute, die an uns geglaubt und lange gewartet haben. Sie können stolz auf die Mannschaft sein. 15 Jahre sind eine lange Zeit."

Freude bereitete Bykow, dass der im WM-Verlauf zweimal gesperrte Ilja Kowaltschuk der Matchwinner war. Kowaltschuk erzwang mit dem 4:4 (55.) erst die Verlängerung und traf dort in 4:3-Überzahl zum Sieg (63.). "Es war hart für mich", sagte der Stürmer der Atlanta Thrashers zu seinen Zwangspausen, "aber das Finale war das Beste".

Owetschkins Vereinskollege Alexander Sjomin aus Washington schoss die ersten beiden Tore. Doch Kanadas Trainer Ken Hitchcock hob jene russischen Akteure heraus, die nicht in der NHL spielen, sondern daheim. Von einer Wachablösung mochte Hitchcock nicht sprechen, weil beiden Mannschaften wegen der NHL-Playoffs wichtige Spieler fehlten.

Olympia ist der Maßstab

"Wir alle wissen, dass Olympia der Maßstab ist", betonte Hitchcock zwei Jahre vor den Spielen in Vancouver. Für seine jungen Spieler sei das Finale eine Lektion gewesen, wie groß daheim der Druck sei, fügte der Coach hinzu. Auch Kanada gelang es nicht, als erster Gastgeber seit den Sowjets 1986 daheim den Titel zu holen.

Für Hitchcock gab es keinen Zweifel an der entscheidenden Strafzeit für Stürmerstar Rick Nash, der in der Verlängerung den Puck aus dem eigenen Drittel über die Bande hob und wegen Spielverzögerung vom Eis musste.

"Eine schlimme Regel", sagte WM-Torschützenkönig Dany Heatley, dem weder seine zwölf Tore noch die zweite Auszeichnung als wertvollster Spieler nach 2004 etwas bedeuteten. Nash meinte: "Es ist hart, wenn so ein Fehler ein Finale entscheidet."