"Spinnen auf einem Kebabspieß!"

Deon Thompson wurde 2014 mit dem FC Bayern Basketball Meister
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Nach einem wilden Jahr ist Deon Thompson zurück beim FC Bayern Basketball. Im Interview spricht der Big Man über seine Erfahrungen in China und das Phänomen Stephon Marbury - und sein Leben als Wandervogel des Basketballs.

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SPOX: Deon, Sie waren bloß ein Jahr weg aus München. Es war allerdings ein ereignisreiches Jahr.

Deon Thompson: Das kann man so sagen! Erst war ich vier Monate lang in China, dann habe ich die Saison in Israel zu Ende gespielt und bin dort mit Hapoel Jerusalem Meister geworden. Und trotzdem blieb mir auch für Reisen viel Zeit. Ein sehr gutes Jahr!

SPOX: Fangen wir mit China an. Die CBA ist hier in erster Linie für ihre völlig verrückten Boxscores bekannt, Spieler Errick McCollum führte die Liga mit fast 40 Punkten im Schnitt an. Wie kommt denn das zustande? Was läuft dort anders als hier?

Thompson: Das Spiel ist tatsächlich ein ganz anderes als beispielsweise in der BBL. Es gibt dort viele lange Typen, aber sehr wenige davon sind wirklich athletisch. Pro Team sind nur zwei Ausländer erlaubt, trotzdem wollen die Teams ihren Fans ein Spektakel bieten. Also werden dann eben Spieler geholt, die in erster Linie scoren sollen. (lacht)

SPOX: Und das sind häufig Spieler von einem gewissen Schlag...

Thompson: Genau: Es sind in der Regel frühere NBA-Spieler oder solche, die kurz davor stehen. Letzte Saison beispielsweise waren Michael Beasley, Andray Blatche, Von Wafer oder Will Bynum dort aktiv.

SPOX: Warum gehen so viele von Ihnen ausgerechnet nach China?

Thompson: Ich würde lügen, wenn ich den finanziellen Part nicht erwähnen würde. Dieser Markt ist so riesig und so heiß auf guten Basketball, dass dort einfach enorme Möglichkeiten bestehen. Ich kann nur für mich sprechen, aber in meinem Fall war es finanziell sicherlich keine schlechte Entscheidung. Was aber definitiv auch eine Rolle spielt: Die Saison ist dort enorm kurz. Ich stand mit den Liaoning Dinosaurs in den Finals, trotzdem dauerte die Saison bloß gut vier Monate, Ende März war ich schon wieder frei.

SPOX: Die allermeisten Ligen laufen da noch...

Thompson: Genau. Ich ging nach Jerusalem, andere haben ihre Statistiken aus der Liga aber auch als Sprungbrett in die NBA genutzt: Beasley ging wieder nach Miami, mein Mitspieler Lester Hudson hat spät in der Saison einen Platz bei den Clippers gefunden. Kein Wunder, er hat im Schnitt am Triple Double gekratzt (31,2 Punkte, 7,7 Rebounds, 6,9 Assists pro Spiel, Anm. d. Red.). Diese Möglichkeit bestünde in den europäischen Ligen einfach nicht, ganz abgesehen vom Geld. Diese Mischung ist einfach reizvoll.

SPOX: Der prominenteste Spieler dort ist wohl Stephon Marbury, der schon seit 2011 in China spielt. Sie haben in den Finals gegen ihn gespielt und verloren - können Sie den Hype um seine Person dort beschreiben?

Thompson: Das ist schon Wahnsinn, wie populär er in China ist. Man sieht ihn andauernd auf Plakaten, Fernsehwerbung macht er auch. Und wenn er die Halle betritt, drehen die Leute durch.

SPOX: Und dabei war er in der NBA am Ende als Troublemaker bekannt...

Thompson: Das stimmt, aber in China gilt er als Winner und ist fast schon eine Art Volksheld. Ich meine, er hat in den letzten vier Jahren drei Meisterschaften gewonnen, das spricht ja für sich. Ich habe einen riesigen Respekt dafür, wie er sich in China sportlich und persönlich komplett neu erfunden hat. Ich habe aber mehr gescort als er (Thompson: 18,7 Punkte, Marbury: 18,3, Anm. d. Red.). (lacht)

SPOX: Angeblich will er dort ja nie wieder weg. Könnten Sie es sich ebenfalls vorstellen, sich so weit von der Heimat entfernt niederzulassen?

Thompson: Für ihn hat es sicher überragend funktioniert. Er hat seine Probleme der Jahre zuvor offensichtlich komplett hinter sich gelassen und fühlt sich in China ja pudelwohl. Was mich betrifft: Ich habe aktuell noch kein dringendes Bedürfnis, mich irgendwo niederzulassen. Ich bin ja ungebunden und unabhängig und froh, jetzt wieder in München zu sein. Ich könnte mir aber gut vorstellen, irgendwann noch einmal in China zu landen. Auch wenn dort schon einige verrückte Sachen ablaufen.

SPOX: Was meinen Sie zum Beispiel?

Thompson: Also, irgendwas Verrücktes ist dort eigentlich fast jeden Tag passiert. Aber ich meine im Speziellen das Essen. Mir sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als ich zum ersten Mal gesehen habe, wie dort jemand Hund gegessen hat. Oder Leute, die ganze Frösche essen! Oder das Verrückteste: Manche essen dort Spinnen auf einem Kebabspieß! Können Sie sich das vorstellen?

SPOX: Nicht wirklich.

Thompson: Tja, ich kriege das Bild seitdem nicht mehr aus dem Kopf. (lacht)

SPOX: Manche Bilder bleiben... Gab es danach in Israel ähnlich prägende Erfahrungen?

Thompson: Nicht in dieser Art. Die Zeit war aber trotzdem sehr speziell, auch wenn sie kurz war, weil ich ja erst ziemlich spät zum Team gestoßen bin. Dafür lief es dann immer intensiver: Wir sind mit Hapoel Meister geworden, was vorher eigentlich niemand erwartet hatte. Die Stimmung in der ganzen Stadt war elektrisch.

SPOX: Die klassische Cinderella-Story?

Thompson: Schon so ein bisschen. Es gibt den Verein seit 72 Jahren, eine Meisterschaft gab es für Hapoel vorher aber nie. Mit uns ist dann der Knoten geplatzt, nach und nach haben wir uns in den Playoffs in einen Rausch gespielt. Das war einer der Titel, der mir am meisten im Gedächtnis bleiben wird.

Seite 1: Thompson über sein Jahr in China und das Phänomen Marbury

Seite 2: Thompson über seine Ziele mit Bayern und die Euroleague