Mehr Liebe für die Seele des Spiels!

Ole Frerks
05. Januar 201611:38
Wer würde nicht gerne ein Eins-gegen-Eins zwischen Russell Westbrook und Steph Curry sehen?getty
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SPOX liebt Basketball - das ist bekanntlich nichts Neues. Und dennoch könnten wir uns auch beim besten Sport der Welt noch Optimierungen vorstellen. Ein Eins-gegen-Eins-Contest beim All-Star Weekend, die Einführung einer Vierpunktelinie oder eines Shootouts - warum nicht? Wir haben mit Coach Dirk Bauermann über unsere Ideen und Wünsche diskutiert. Und sind uns in einigen Punkten sogar einig!

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Eins-gegen-Eins beim All-Star Weekend

Überlegen wir mal kurz: Welche Art von Basketball wird weltweit am meisten gespielt? Fünf-gegen-Fünf ist es sicher nicht! Die allermeisten Fans des orangenen Leders haben ihre Liebe zum Spiel nicht im organisierten Spiel gefunden - sondern beim Eins-gegen-Eins auf den Freiplätzen dieser Welt. Bis 7, bis 11 oder 21, make-it-take-it oder mit wechselndem Ballbesitz nach jedem Korb.

Warum wird die grundlegendste Art des Basketballs also nicht auf der großen Bühne ausgetragen? Wer würde zum Beispiel beim All-Star Weekend keinen Eins-gegen-Eins-Contest sehen wollen?

Eine Möglichkeit könnte es sein, die All-Stars nach Position im K.o.-System gegeneinander antreten zu lassen, also Guard, Forward und Center in jeweils einem "Turnier". Um dafür einen Anreiz zu bieten, wird der Sieger in jeder Kategorie mit einer ordentlichen Prämie ausgestattet. Sponsoren wären für einen Contest dieser Art absolut problemlos zu finden.

Es geht gleichzeitig aber natürlich auch um die Ehre. Russell Westbrook würde im Eins-gegen-Eins mit Stephen Curry sicherlich gerne zeigen, dass in Wirklichkeit er der beste Guard der Welt ist. Ebenso Kevin Durant beim Head-to-Head der Forwards gegen LeBron James oder Anthony Davis. Oder wie wäre es mit einem Duell der Altmeister wie beispielsweise Dirk Nowitzki gegen Tim Duncan?

Außerdem: Wenn schon Legenden ins All-Star Weekend integriert werden sollen, wie bisher mit der Skills Challenge, wäre dies doch eine deutlich spektakulärere Option. Man stelle sich nur vor, wie sich Michael Jordan als Alpha-Tier der Ü50-Generation durchsetzen würde...

Das alles bezieht sich übrigens nicht nur auf die NBA. Auch bei den Olympischen Spielen wäre Eins-gegen-Eins sehenswerter als schätzungsweise 90 Prozent der anderen Disziplinen - Pi mal Daumen. Ebenso wie auch Zwei-gegen-Zwei oder Drei-gegen-Drei. Es ist schlicht und einfach zu wenig, dass es für diese geile Sportart beim größten Sport-Event der Welt nur je eine Medaille für die Damen und eine für die Herren gibt. Oder, Dirk?

Dirk Bauermann: Grundsätzlich müssen wir mit allem offen umgehen, was für ein größeres öffentliches und mediales Interesse sorgt. Und natürlich ist Eins-gegen-Eins so etwas wie die Seele des Spiels, daher gefällt mir der Gedanke, einen solchen Wettbewerb im Rahmen eines All-Star Weekends auszutragen.

Da ist dann für mich aber auch Endstation: Es geht dabei um die Unterhaltung. Ich glaube nicht, dass Eins-gegen-Eins einen Platz bei Olympia haben sollte, weil dort für mich immer noch der Teamgedanke und Wettbewerb im Vordergrund stehen sollte. Deswegen möchte ich dort nur Fünf-gegen-Fünf sehen.

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Seite 4: Sudden Death / Shootout

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Einführung einer 4-Punkte-Linie

Im Oktober 1979 wurde in der NBA die Dreipunktelinie eingeführt, auch wenn das längst nicht allen Traditionalisten des Spiels gefiel. Mittlerweile hat sich der Dreier im Spiel aber dermaßen etabliert, dass man sich es sich kaum noch ohne ihn vorstellen kann. Wer vom Perimeter nicht zumindest ein wenig Gefahr ausstrahlt, wird in diesen Tagen keinen Blumenpott mehr gewinnen - da muss man sich nur mal in Memphis erkundigen.

Warum also nicht noch weiterdenken? Logisch, ein "Vierer" wirkt auf den ersten Blick wie ein Gimmick, allerdings war dies beim Dreier einst genauso. Und es geht beim Sport eben immer noch in erster Linie darum, für Spektakel zu sorgen und das Publikum zu begeistern. Dafür wäre ein solcher Wurf prinzipiell der logische nächste Schritt.

Wobei man diese Evolution gerne "schleppend" einleiten kann. Soll heißen: Die Mittellinie gilt als Vierpunktelinie. Warum auch nicht? In erster Linie würde der Wurf sicherlich vorerst nur eingesetzt werden, wenn eins der ersten drei Viertel abläuft und man den Ball eben nicht per Auszeit "nach vorne tragen" kann. Diese Würfe gibt es ja auch jetzt bereits.

Doch was wäre, wenn ein Coach am Ende eines Spiels, als letztes Hurra, einen "Vierer" als Option hätte wie ein "Hail Mary" beim Football? Noch drei Sekunden zu spielen und eigener Einwurf, der Gegner führt mit 4 Punkten. Mit dem heutigen Regelwerk ist das ein guter Zeitpunkt, um sich so langsam mal zu überlegen, wie man den Rest des Abends verbringt. Läuft sonst noch ein gutes Spiel? Gibt es sonst etwas Gutes oder muss ich (Gott bewahre!) die Couch verlassen?

Diese Frage stellt sich nicht, wenn die Option eines Vierers besteht. Das Spiel ist keineswegs entschieden, wenn beispielsweise Curry in der eigenen Hälfte den Ball bekommt und dann noch eine Chance hat. Niemand, der Basketball irgendwie leiden kann, würde in einer solchen Situation den Blick vom Fernseher nehmen.

Und daher wird die Zeit kommen, um früher oder später den nächsten Schritt einzuleiten und dem Spiel noch eine weitere Waffe hinzuzufügen. Vielleicht wird das Ganze erst einmal auf kleinerer Bühne getestet, in der D-League beispielsweise. Dann wird sich schon zeigen, dass auch dieses "Gimmick" sich irgendwann etablieren könnte. Oder ist das zu radikal?

Dirk Bauermann: Ich bin kein Freund dieser Idee. Ich bin generell dagegen, dass wir immer und immer wieder Änderungen am Spiel vornehmen und es zu sehr verkomplizieren. Wenn es der Substanz hilft und das Spiel attraktiver macht, gerne. So war es mit der Dreierlinie, da hast Du Recht. Vier Punkte wären aber nochmal ein gravierenderer Einschnitt.

Wir müssen schließlich auch an die Auswirkungen für die Ebenen unterhalb der absoluten Elite denken, an Jugendbasketball, Frauenbasketball und dergleichen. Ich denke, das wäre nicht gut für den Sport. Man könnte überlegen, die Dreierlinie ein Stück weit nach hinten zu verlegen, ich bin aber auch davon nicht überzeugt. Die Linie ist dort, wo sie ist, ganz gut aufgehoben.

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Anpassung der College-Regeln an den Profisport

Diese Revolution ist eigentlich keine Revolution, sondern mehr ein No-Brainer. Durch NCAA-Basketball soll in erster Linie Spielermaterial für die NBA und alle internationalen Ligen produziert werden (na gut, und jede Menge Geld). Warum werden also die Regeln nicht zumindest teilweise an den Profisport angeglichen? Warum baut man jungen Spielern diese Hürde, über die viele direkt nach den College-Jahren regelmäßig stolpern?

Das bezieht sich in erster Linie auf zwei Aspekte. Zum einen verändert es das Spiel einfach auf extreme Art und Weise, wenn man statt 24 Sekunden 30 hat, um einen Wurf loszuwerden. Man muss sich schneller entscheiden, seine Sets sauberer laufen und generell "wacher" sein. Dies, kombiniert mit der ungleich höheren körperlichen Belastung, ist für viele Rookies das größte Problem bei der Umstellung auf den Profisport.

Vor dieser Saison hat die NCAA die Shotclock ja sogar von 35 auf 30 Sekunden reduziert. Warum nicht noch die 6 weiteren Sekunden ebenfalls wegnehmen? Das kriegen in Deutschland auch schon 16-Jährige hin, warum also nicht die Jugendlichen im "Mutterland" des Sports?

Der zweite gravierende Unterschied ist die Dreierlinie, die am College einen ganzen Meter näher am Korb ist als in der NBA. Bei den FIBA-Regeln sind es immer noch 24 Zentimeter. Natürlich gibt es körperliche Unterschiede, aber könnte man den Perimeter nicht zumindest der FIBA angleichen? Auch dies verursacht immer wieder Probleme bei der Umstellung.

Generell ist es teilweise verwirrend, warum das Ausbildungssystem in den USA den jungen Spielern so viele Steine in den Weg legt. Das fängt bereits an den Schulen an und geht dann am College nahezu nahtlos weiter. Es hat schon seine Gründe, warum europäische Spieler so häufig besser ausgebildet sind als ihre Altersgenossen aus den USA.

Die NCAA verkauft ihren Basketball in den USA als eigene Marke, und das ist wohl der Hauptgrund dafür, warum sie sich mit ihren Regeln (Dreier und Shotclock sind nur zwei Beispiele) so gravierend von den Profis unterscheidet. Für die Aussichten ihrer Alumni wäre es aber ganz klar von Vorteil, sich zumindest schrittweise den Profis anzupassen.

Dirk Bauermann: Ich stimme Dir zu. Ich bedauere generell die Tatsache, dass Basketball als vielleicht größter Teamsport weltweit die einzige Sportart ist, die überall nach unterschiedlichen Regeln gespielt wird. Das kann nicht gut sein. Je einfacher und vergleichbarer ein Spiel ist, desto besser. Es ist ein strukturelles Problem, das überall auf der Welt angegangen werden sollte.

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College-Basketball ist aber zugegebenermaßen ein Extremfall. Einige Spiele dort sind einfach nicht zumutbar für den Zuschauer, weil die NCAA sich der modernen, höheren Dynamik des Spiels immer wieder entzogen hat und nicht das zeigt, was im Sport möglich ist. Es gibt dort extrem viele Traditionalisten, die allen Veränderungen grundsätzlich gegenüberstehen. Die 30 Sekunden beispielsweise sind ein halbgarer Kompromiss, der weder den jungen Spielern noch dem Zuschauer großen Mehrwert bietet.

College-Basketball ist aber nicht das einzige Feld mit großem Verbesserungspotenzial. Ich wäre beispielsweise dafür, in Europas Top-Ligen das Feld zu verlängern und zu verbreitern wie in der NBA. Die Spieler sind auch hier viel athletischer geworden, die Entwicklung wird durch die kleineren Spielfelder aber gehemmt. Auch Fouls im Fastbreak sollten endlich richtig geahndet werden und nicht nur Persönliche Fouls sein - da gefällt mir die Clear-Path-Foul-Regelung in den USA deutlich besser. Wer will denn keine Fastbreaks sehen? Das ist unansehnlich und schadet dem Spiel, also muss dort zwangsläufig eine Änderung her.

Und zu guter Letzt: Es muss auf europäischem Level möglich sein, viermal 12 Minuten zu spielen. Selbst die Teams mit Euroleague-Verpflichtungen spielen maximal zweimal die Woche, während in der NBA regelmäßig drei- bis viermal gespielt wird. Das wäre auch für junge deutsche Spieler von Vorteil, da sie so zwangsläufig mehr Spielzeit bekommen würden.

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Sudden Death / Shootout

Nach dem No-Brainer kommen wir jetzt noch einmal zu einer zugegebenermaßen recht absurden Idee. Sie könnte dennoch funktionieren! Zumal sie sich vorerst auch nur auf einen sehr selten eintretenden Fall konzentriert - und zwar die Double-Overtime.

Wir alle haben es vermutlich schonmal erlebt, wie wir nachts aufgestanden sind, um ein Spiel zu gucken, das dann aber einfach nicht enden wollte. Mal abgesehen von Spielen, in denen "Hack-A-..." praktiziert wird, passiert das vor allem bei solchen mit Verlängerung. Gegen die erste haben wir nichts - die Idee bezieht sich nur auf die Situation, wenn die erste Verlängerung keine Entscheidung bringt.

Warum orientieren wir uns nicht beispielsweise am Fußball? Es wäre vermutlich ein Stück weit zu radikal, eine "Sudden Death"-Möglichkeit wie ein "Golden Goal" einzuführen - dafür gibt es im Basketball einfach zu viele Körbe und das Team, das den Jump gewinnt, wäre klar übervorteilt. Also präsentieren wir eine andere Variante.

Im Detail: Wenn die erste Overtime durch ist, dürfen die Coaches beider Teams fünf Schützen bestimmen, die einen bestimmten Wurf treffen müssen (Freiwurf, Dreier, wie auch immer). Wie beim Elfmeterschießen im Fußball gewinnt das Team mit mehr Treffern. Und wenn es nach den ersten fünf Schützen Gleichstand gibt, kommt es eben doch zu Sudden Death.

Zur Klarstellung: Wir haben nichts gegen die zweite Verlängerung, die beim Basketball ja in der Regel trotzdem noch deutlich sehenswerter ist als die Verlängerung im Fußball, da einfach mehr passiert. Die Frage ist bloß, ob man das Ganze noch spektakulärer hinbekommen und den Zuschauern noch größeren Mehrwert bieten kann.

Oder im Fall von uns Europäern: Ob man vielleicht noch etwas mehr Schlaf bekommen kann. Wie siehst Du denn diese Idee, Dirk? Zu albern?

Dirk Bauermann: Nette Idee, davon höre ich zum ersten Mal. Ich finde den Vorschlag nicht absurd, ich mag ein solches Outside-the-Box-Denken und die Möglichkeit ist durchaus diskutabel. Ich würde in dem Fall aber wieder betonen, dass ich der Meinung bin, wir sollten den Sport nicht zu sehr verkomplizieren. Es ist jetzt schon eher zu kompliziert und sollte vereinfacht werden. Und hier sehe ich keine Not: Wenn der Fall mal eintritt, dass es eine zweite Verlängerung gibt, ist das ja doch immer eine sehr spannende Situation, anders als beim Fußball. An dieser Stelle muss man nicht aktiv werden.

Dirk Bauermann, geboren 1957 in Oberhausen, ist ein deutscher Basketballtrainer, der vor allem für seine Erfolge mit der Deutschen Nationalmannschaft (WM-Halbfinale 2002 und EM-Finale 2005) sowie für seine diversen Titel mit Bayer Leverkusen, GHP Bamberg und Bayern München bekannt ist. Am 14.12.2015 erschien sein zweites Buch "Basketballtraining", das er selbst als "Lehrbuch aus persönlicher Perspektive" bezeichnet. Schwerpunkte sind Motivation, Führung, der Wandel des Spiels in den letzten fünf bis zehn Jahren und Selbstverständnis. Bauermann spricht aus eigener Erfahrung, schlägt aber auch immer wieder Brücken zum Jugendbasketball. Über 400 Seiten gibt es Bilder, Diagramme und Ratschläge für Trainer auf jedem Niveau. Auch anderen Basketball-Interessierten vermittelt Bauermann ein "tieferes Verständnis des Spiels".

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