Werbung
Werbung

Favoriten, Wundertüte und Zwerge

Thorben RybarczikSPOX
26. August 201511:33
Die Gruppe B bei der EuroBasket strotzt vor Hochkaräterngetty
Werbung
Werbung

In der Todesgruppe B tummeln sich mit Italien, Serbien und Spanien gleich drei Titelfavoriten. Dazu kommen Basketballzwerg Island und die heimlichen Berliner Hausherren aus der Türkei. Was erwartet den DBB? SPOX macht den Check.

Island: Eine Maus im Löwenkäfig

Selten passte das Motto "dabei sein ist alles" so gut wie bei den Basketballern der isländischen Nationalmannschaft. Das kleine 320.000-Einwohner-Volk ist zum ersten Mal bei einer Endrunde dabei - entsprechend gering ist auch die Erwartungshaltung, trotz aller Euphorie.

Die Qualifikation gelang in der Drei-Team-Gruppe A mit Großbritannien und Bosnien-Herzegowina, wobei die beiden Spiele gegen den Balkan-Staat recht deutlich verloren gingen. Anders sah es gegen die Briten aus. Mit einem extrem schnellen Ball und einem kleinen Lineup wurde das Königreich nahezu überrumpelt, vor allem auf die zahlreichen Schützen Islands fand der Gegner keine Antwort.

Und so muss es auch bei der EM aussehen, um in der Todesgruppe auch nur ein Spiel eng halten zu können. Das große Plus des Inselstaates ist die einmalige Teamchemie unter Headcoach Craig Pedersen. Der Kern der Mannschaft spielt seit 15 Jahren genauso zusammen - es gibt halt nicht so viel Verdrängungspotential. So kommt es auch, dass jeder Spieler die Stärken und Schwächen seines Nebenmannes kennt und diesen optimal einsetzen kann.

Das ist auch bitter nötig, um ein großes Defizit wettzumachen: Die körperliche und athletische Unterlegenheit, vor allem unter dem Brett: Hlynur Baeringsson, der beste Rebounder der Qualifikationsrunde (8,5 pro Spiel), ist gerade mal zwei Meter groß.

Player to Watch: Jon Stefansson. Der 32-jährige Routinier ist der Dreh- und Angelpunkt der isländischen Offensive und der einzige Akteur, der derzeit bei einer großen Adresse Europas unter Vertrag steht (Unicaja Malaga). Läuft es beim Guard, dann läuft es auch beim Rest: In der Quali kam er auf 22 Punkte im Schnitt bei 43 Prozent von Downtown. Auch die Briten werden sich noch lange an diesen Namen erinnern, denn er versenkte wenige Sekunden vor Schluss den vorentscheidenden Dreier im wegweisenden Spiel.

Türkei: Neu ist immer besser?

Während die Isländer getrost als Außenseiter betrachtet werden dürfen, nimmt die Türkei den Status als Wundertüte für sich in Anspruch. Bestes Beispiel war die jüngste Niederlage gegen Deutschland beim Supercup, bei der das Team von Ergin Ataman zwei völlig unterschiedliche Halbzeiten aufs Parkett legte und einen 24-Punkte-Vorsprung hergab.

Die fehlende Konstanz kommt nicht von ungefähr: Beim türkischen Verband kam es in der jüngeren Vergangenheit zu einem Umbruch, bei dem viele junge Spieler in die A-Nationalmannschaft aufstiegen. Dieses Vorgehen trägt bereits Früchte, vor allem die Talente Cedi Osman (von den Minnesota Timberwolves gedraftet und zu den Cleveland Cavaliers getradet) und Furkan Korkmaz (Anadolu Efes Istanbul) haben große Karrieren vor sich.

Aber: An großer internationaler Erfahrung mangelt es den jungen Wilden, und da ist es umso bitterer, dass mit den Big Men Enes Kanter (Differenzen mit dem Verband) und Ömer Asik (Rückenprobleme) zwei gestandene NBA-Center nicht mit an Bord sind. Trotzdem mangelt es den Türken traditionell nicht an Masse unter dem Korb, zudem gibt es mit Ersan Ilyasova auf der Vier einen Go-to-Guy ohne nennenswerte Schwächen.

Das Team vom Bosporus kann bei der Vorrunde in Berlin zudem auf einen verkappten Heimvorteil setzen: Wenn es nicht gerade gegen Deutschland geht, wird die Mercedes-Benz-Arena in Berlin fest in rot-weißer Hand sein. Ob das junge Team das auch zu einem Vorteil ummünzen kann, bleibt allerdings abzuwarten.

Player to Watch: Bobby Dixon aka Ali Muhammed. Der eingebürgerte US-Amerikaner mag zwar nur 1,78 Meter groß sein, ist mit seinem Speed und seinem Distanzwurf aber unberechenbar. Er holte mit Pinar Karsiyaka jüngst die türkische Meisterschaft und legte dabei 17,2 Punkte (42,6% FG) und 4,7 Assists auf. Wenn die Mannschaft es schafft, dessen körperlich bedingten Schwierigkeiten in der Verteidigung zu kaschieren, dann kann er mit seinen 32 Jahren zum unverzichtbaren Anführer werden.

Italien: Endlich gesund - und unaufhaltbar?

Die Italiener konnten einem in der Vergangenheit schon etwas leidtun. Stets mit großen Ambitionen in die jüngsten Turniere gestartet, folgten erst jede Menge Verletzungen und dann die daraus resultierenden Pleiten. Dieses Jahr soll aber alles anders werden: Alle vier NBA-Stars sind mit an Bord, hinzu kommen zahlreiche etablierte Leistungsträger aus Europa.

Mit dem Quartett Andrea Bargnani, Danilo Gallinari, Luigi Datome und Marco Belinelli zählen die Italiener zum engen Favoritenkreis für eine Medaille. Jeder dieser Spieler bringt enorme Gefahr vom Perimeter mit - laufen nur zwei von ihnen heiß, ist dem Team offensiv kaum beizukommen.

Allerdings: Die Azzurri ist in dieser Konstellation zum ersten Mal unterwegs, die Vorbereitung hat gezeigt, dass vor allem bei der defensiven Abstimmung noch einige Baustellen vorhanden sind. Es fehlt zudem an körperlicher Präsenz an den Brettern, denn mit Bargnani auf der Fünf und Gallinari auf der Vier stehen zwei Frontcourt-Spieler bereit, die nicht gerade für harte Arbeit bekannt sind.

Dennoch ist das individuelle Talent zu groß, um sich über diese Defizite Sorgen machen zu müssen. Mit der Türkei und Island bekommen die Italiener zwei Gegner zum Auftakt, die für einen Start nach Maß wie gemacht sind. Und hat sich das Team von Head Coach Simone Pianigiani erstmal warm geschossen, dann gibt es keine Gegner mehr, vor denen es sich verstecken muss.

Player to Watch: Alessandro Gentile. Der Forward von EA7 Emporio Armani Milan entschied sich gegen die NBA und für die Serie A. Der 22-Jährige bringt in jungen Jahren schon eine enorme Abgeklärtheit mit und sorgte bei den vergangenen Turnieren dafür, dass diese auch ohne die NBA-Garde nicht zu einem kompletten Reinfall wurden. Er bringt an beiden Enden des Parketts hohe Qualität mit und hat bis auf den Dreier keine nennenswerten Schwächen - womit er zum perfekten Puzzlestück der Starting Five wird.

Seite 1: Zwerg, Wundertüte und NBA-Fraktion

Seite 2: Europas Beste und die Sergio-Crew

Serbien: Gesunde Härte plus genialer Wahnsinn

Die Sehnsucht ist groß in Serbien. Seit der Auflösung Jugoslawiens wartet das basketballverrückte Volk auf einen internationalen Titel - und in diesem Jahr stehen die Chancen gar nicht mal so schlecht. Als amtierender Vizeweltmeister gehen die Serben als bestes Team Europas in die EM, die Mannschaft blieb nahezu unverändert.

Die Serben kommen wie gewohnt mit einer beeindruckenden Physis daher, fünf Spieler sind 2,08 Meter oder größer. Zudem verfügen alle Big Men über herausragende Fundamentals, ein Nemanja Bjelica oder Miroslav Raduljica ist im Low-Post von einem Mann alleine kaum zu stoppen. Da beide darüber hinaus auch noch über ein feines Auge für die Mitspieler verfügen, ist Serbien das wohl gefährlichste Inside-Outside-Team des Turniers, denn auch an Scharfschützen hat es der Nation noch nie gemangelt.

Auf der Eins läuft mit Milos Teodosic zudem einer der besten Playmaker des Kontinents auf - mit einer gesunden Portion Wahnsinn in seinem Spiel. Sein unbändiges Selbstvertrauen springt auch auf seine Mitspieler über, an ihm können die jungen Spieler wie Bogdan Bogdanovic oder Nemanja Nedovic wachsen.

Bei allem Erfolg hat die vergangene WM allerdings auch gezeigt, dass das Team nicht unbedingt von Anfang an fokussiert ist und eine gewisse Anlaufzeit braucht. In einer umkämpften Vorrunde verloren die Serben 2014 drei Spiele und schafften den Einzug ins Achtelfinale nur als Gruppenvierter. Sollten die Serben den Start in die Todesgruppe B ähnlich verschlafen, könnte ihnen das zum Verhängnis werden.

Player to Watch: Bogdan Bogdanovic. Der Guard von Fenerbahce Istanbul ist das größte Talent Europas und könnte in Berlin sein internationales Breakout-Turnier abliefern. Bis auf seine (noch) fehlende Muskelmasse bringt der 22-Jährige alles mit: Drive zum Korb, Gefahr aus der Distanz und eine On-Ball-Defense, die ihresgleichen sucht.

Spanien: Sergio, Sergio und Sergio

Der Stachel sitzt noch tief nach dem Viertelfinalaus bei der Heim-WM im letzten Jahr gegen Frankreich. Wiedergutmachung ist angesagt, und dabei präsentiert sich die rote Furie im neuen Look: Ibaka, Rubio, Calderon, Marc Gasol, Navarro - alle nicht dabei. Was allerdings nichts daran ändert, dass der Kader so tief besetzt ist wie kaum ein anderer.

Mit den beiden Euroleague-Gewinnern Sergio Rodriguez und Sergio Llull hat Head Coach Sergio Scariolo einen Backcourt am Start, der sich in- und auswendig kennt und kaum Schwächen aufweist. Beide können selber Würfe kreieren und verfügen darüber hinaus über jegliche Spielmacherfähigkeiten. Ein solch dominantes Duo gibt es in Europa nicht noch einmal.

Auf den großen Positionen gibt es eine ähnliche Situation. Nur dominiert am Brett nicht die Flagge von Real Madrid, sondern die der Chicago Bulls. Oldie Pau Gasol und Stretch-Vierer Nikola Mirotic verfügen über ein großes, offensives Waffenarsenal. Gegen betont physische Gegner wie Serbien könnte es aber Probleme geben.

Trotz der Absagen einiger Stars zählen die Spanier, wie eigentlich immer, zu den Topfavoriten auf den Titel. Unter Coach Scariolo, der nach drei Jahren Abstinenz an die Seitenlinie zurückgekehrt ist, holte Spanien 2009 und 2011 den Titel. Viele Spieler waren damals schon dabei und verehren das System des Italieners, der sich darauf verlassen kann, dass seine Jungs offensiv wie defensiv seinem Weg als homogene Einheit folgen werden. Geniale individuelle Momente gehören da natürlich auch dazu.

Player to Watch: Guillermo Hernangomez. Durch die Abwesenheit von Ibaka und Marc Gasol dürften für die spanische Center-Hoffnung ein paar Minuten abfallen. Der 21-Jährige wurde klassisch ausgebildet, verfügt über eine starke Fußarbeit und besitzt einen Touch aus der Halbdistanz. Gilt als künftiger NBA-Spieler - nun kann er zeigen, warum.

Der EM-Spielplan im Überblick

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung
Werbung
Werbung