Basketball - DBB-Kapitän Robin Benzing im Interview: "Wir müssen nur 'gehorchen'"

Frederik Harder
17. Juni 202012:01
Robin Benzing ist Kapitän der deutschen Nationalmannschaft und spielt für Basket Zaragoza in der spanischen Liga.imago images / Beautiful Sports
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Am Mittwoch wird die spanische ACB mit einem Finalturnier in Valencia fortgesetzt. Nationalmannschaftskapitän Robin Benzing ist in Diensten von Basket Zaragoza mittendrin - und sprach im Vorfeld mit DAZN und SPOX über den Stellenwert der Veranstaltung.

Benzing, 31, sprach sich dabei für eine stärkere Einbeziehung der Spieler im europäischen Basketball aus und erklärte, welche Bedenken er mit Blick auf das Turnier hat.

Das Finalturnier der ACB wird vom 17. bis zum 31. Juni andauern. Zunächst gibt es eine Gruppenphase mit zwei Gruppen von jeweils sechs Teams, von denen die beiden besten ins Halbfinale einziehen. DAZN zeigt alle 33 Spiele des Turniers live und auf Abruf, ab dem Halbfinale mit deutschem Kommentar.

Benzing spielt seit 2019 für das Team aus Saragossa, für das er auch bereits in der 2015/16er Saison aktiv war. In der nun fortzusetzenden Saison lief er bisher in 23 ACB-Spielen auf und kam im Schnitt auf 10,4 Punkte.

Die Gruppen des Finalturniers der ACB

Gruppe AGruppe B
FC BarcelonaReal Madrid
Iberostar TenerifeCasademont Zaragoza
RETAbet BilbaoMoraBanc Andorra
KIROLbet BaskoniaValencia Basket
UnicajaSan Pablo Burgos
Joventut BadalonaHerbalife Gran Canaria

Herr Benzing, am Mittwoch startet die ACB wieder durch. Wie sind die vergangenen Wochen für Sie abgelaufen?

Robin Benzing: Da müssen wir von vorne anfangen, da es sich jetzt im Land eigentlich wieder ziemlich beruhigt hat. Es kommt alles wieder ein bisschen zur Normalität zurück. Das Land war schwer getroffen, wir waren sechs Wochen im Haus und konnten eigentlich gar nicht raus, nur zum Einkaufen oder wenn wir zum Arzt oder zur Apotheke mussten. Ansonsten war hier eine richtige Ausgangssperre, aber es hat sich jetzt Schritt für Schritt immer weiter gebessert und jetzt sind wir in Phase drei: Viele Restaurants haben wieder auf, Geschäfte ebenso, aber in jedem Gebäude herrscht auch nach wie vor Maskenpflicht. Seit kurzem dürfen wir wieder richtig trainieren, auch wenn es am Anfang noch verboten war, danach in der Halle zu duschen. Manche Regeln sind sehr merkwürdig. Trotzdem kann man jetzt wieder von einem etwas normaleren Leben sprechen.

Wie wird es im Land aufgenommen, dass nun mit Basketball und auch Fußball die "wichtigen Nebensachen" zurückkehren? Bewirkt das etwas?

Benzing: Um ehrlich zu sein, merke ich das hier nicht. Allerdings liegt das wohl auch daran, dass dieses Land einfach viel schwerer getroffen wurde als etwa Deutschland. Man muss den Spaniern wirklich sehr hoch anrechnen, wie diszipliniert sie sich benommen haben, zumindest habe ich das hier in Saragossa so mitbekommen. Aber man merkt trotzdem, dass das Land sehr gelitten hat und immer noch leidet. Deswegen kommt das für mich aktuell noch nicht so rüber, dass der Sport hier einen Push gibt oder dergleichen. Ich glaube, die Leute freuen sich schon drauf, dass es wieder losgeht, aber man kann es noch nicht so richtig zeigen. Dafür überwiegt es einfach noch zu sehr, wie hart diese Zeit war und ist. Auch ich bin jemand, der eigentlich sehr gern draußen unterwegs ist, der fröhlich ist und Leute anlächelt - momentan merkt man aber einfach, dass die Stimmung auf den Straßen immer noch sehr getrübt ist. Dazu tragen die Masken natürlich auch bei.

Wie sah der Kontakt zu Ihren Mitspielern oder Freunden in der Zeit aus?

Benzing: Nur über WhatsApp. Getroffen hat man sich nicht, das war verboten und das war auch wichtig, dieses Verbot als Sportler zu berücksichtigen. Wir haben eine gewisse Vorbildrolle. Ich habe es immer wieder mitbekommen, wie sich die Leute in Deutschland über all die Verbote und so etwas beschwert haben. Dabei war das gar kein Vergleich zu Spanien. Was hier los war, war viel extremer als in Deutschland.

Nun soll es wieder losgehen mit dem Liga-Betrieb. Haben Sie persönlich dabei gesundheitliche Bedenken?

Benzing: Ich denke, wir als Spieler haben nicht primär die Sorge, dass wir uns mit dem Coronavirus infizieren. Es geht eher um Verletzungsgefahr. Wenn man als Profi eine so lange Pause hatte, in diesem Fall rund zweieinhalb Monate, in denen man nicht richtig trainiert und keinen Ball angefasst hat, dann ist es einfach ein ziemlich heftiger Bruch. Dann recht schnell wieder loszulegen, erhöht natürlich das Risiko, zumal es sehr viele Spiele in kurzer Zeit sind, was viele der Spieler so gar nicht gewohnt sind.

Wie finden Sie denn grundsätzlich das Format mit so vielen Spielen in kurzer Zeit an einem Ort?

Benzing: Man ist da so ein bisschen zweischneidig unterwegs. Einerseits will man als Spieler gern die Saison beenden und sie nicht einfach enden lassen. Auf der anderen Seite muss man aber auch ehrlich sagen, dass es erstens ein großes Verletzungsrisiko gibt bei diesem Format und dass zweitens die Spieler überhaupt nicht mit ins Boot geholt werden. Das habe ich in Deutschland ebenfalls beobachtet, dass die Vereine und Ligen die Sachen entscheiden, über den Köpfen der Spieler hinweg. Das ist ein weiterer Punkt, über den sich wirklich viele Spieler beschweren. Wir sind diejenigen, für die das Risiko gilt und die sich an alle Regeln halten müssen. Da wäre es grundsätzlich besser gewesen, die Spieler mit einzubeziehen. Wir haben ja sozusagen keine Rechte und müssen nur "gehorchen". Das hat für viel Unmut gesorgt.

In der NBA gibt es eine mächtige Union der Spieler, die jedem Format erst zustimmen muss, bevor es möglich wird. Wäre das für den europäischen Basketball auch wichtig?

Benzing: In Spanien gibt es eine. Und das war sehr wichtig. Es wurde auch eine Befragung durchgeführt und es wurde berichtet, dass 60 bis 65 Prozent der Spieler gegen eine Fortsetzung der Saison waren. Es wurde dann trotzdem so entschieden. Deswegen denke ich: Es ist gut, dass es hier in Spanien eine Spielergewerkschaft gibt, aber es wurde nicht genug Einfluss genommen. Es wurde zwar nach der Meinung der Spieler gefragt, aber so richtig beachtet wurde sie trotzdem nicht. Aber zurück zur Frage: Dass es solche Gewerkschaften vermehrt geben muss, halte ich für sehr wichtig. Basti Doreth hat das ja beispielsweise vehement gefordert. Diese Kommunikation zwischen Vereinen, Ligen und Spielern muss einfach gewährleistet werden.

Verändert sich durch das neue Format auch etwas an der sportlichen Relevanz des Meistertitels?

Benzing: Absolut. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das extrem wichtig für alle Mannschaften ist. Sind wir ehrlich: Es gibt keine Playoffs, die Saison wurde nicht zu Ende gespielt, es gibt keine Zuschauer, es gibt keinen Heimvorteil, all diese Dinge fallen einfach weg. Wir sind mit Saragossa ein gutes Beispiel. Wir hatten eine sehr gute Saison, standen auf dem dritten Platz, als die Saison unterbrochen wurde. Jetzt fehlen uns nach der Unterbrechung zwei sehr wichtige Spieler, Amerikaner, die nicht mehr dabei sind und uns damit schwächen. Dadurch sind unsere Chancen gefallen. Gleichzeitig sorgt unser dritter Platz dafür, dass wir selbst wenn wir jetzt alle Spiele verlieren trotzdem noch mindestens auf Platz sieben landen. Wenn wir dann auf Madrid treffen und sie vielleicht sogar schlagen, weil sie einen schlechten Tag haben, werden wir vielleicht auf einmal spanischer Meister. Das ist einfach nicht das Gleiche wie eine Playoff-Serie. Sicherlich tritt trotzdem jeder von uns mit dem Wunsch an, alles zu geben und das Ding zu gewinnen. Das steht für mich außer Frage. Aber ich glaube nicht, dass jemand im Nachhinein diese Saison mit einer normalen vergleichen wird.

In der aktuellen Saison lief Benzing bisher in 23 ACB-Spielen auf und kam im Schnitt auf 10,4 Punkte für Basket Zaragoza.imago images / Wolter

Robin Benzing über Geisterspiele und neue Regeln

Lässt es sich unter diesen Bedingungen im Vorhinein überhaupt sagen, wer favorisiert ist oder wo Ihr Team Saragossa sich einordnet?

Benzing: Aus unserer Perspektive kann ich sagen, dass wir es schwer haben werden. Wir nehmen viele junge Spieler mit aus der zweiten Mannschaft, wir haben wie erwähnt zwei Amerikaner verloren, dazu hat Fran Vazquez zwischenzeitlich seine Karriere beendet und ist auch nicht mehr dabei. Außerdem ist noch ein weiterer Center verletzt. Es wird also schon sehr schwierig - und dann wissen wir auch noch nicht, wer bei den anderen Teams spielt. Nicht nur wir haben Spieler verloren. Ich glaube, nach wie vor muss man trotzdem Real Madrid und Barcelona auf dem Zettel haben, wenn sie einigermaßen komplett sind. Wir haben im Lauf der Saison zwar beide Teams bei uns zuhause schlagen können, aber eigentlich geht an ihnen kein Weg vorbei.

Was erwarten Sie sich von der Spielsituation ohne Fans in der Halle?

Benzing: Ich kenne es ja aus dem vergangenen Jahr mit Besiktas, da hatten wir auch einige Geisterspiele. Es ist schon etwas merkwürdiger. Man hört alles, jedes Gerede, die ganze Zeit hört man den Trainer. Und man bekommt eben nicht diesen Push seitens der Fans, der manchmal so wichtig sein kann. Bei diesen angesprochenen Spielen gegen Real und Barca hatten wir tausende Fans in der Halle, die Stimmung war unglaublich, sonst gewinnen wir diese Partien vielleicht auch nicht. Das gibt es jetzt eben einfach nicht.

Kennen Sie schon alle Regeln, wie Sie und die anderen Spieler sich abgesehen von den Spielen selbst in Valencia verhalten sollen?

Benzing: Das grobe Konstrukt kann ich beschreiben. Es gibt drei Hotels, auf die alle Teams aufgeteilt sind. Im Hotel ist es erlaubt, mit den eigenen Mitspielern in den Räumen zu interagieren, aber man darf nicht mit den gegnerischen Teams interagieren. Wir dürfen wohl auch mal rausgehen, aber nur mit einem "Guide", der uns sozusagen bewacht. Es ist also alles sehr eingeschränkt. Was ich manchmal nicht verstehe: Wir spielen auf dem Feld gegen die Mannschaften, aber wir dürfen im Hotel nicht mit ihnen reden. Das ist alles sehr merkwürdig. Ich habe auch gehört, dass es während des Spiels keine Handshakes geben darf. Allerdings ist das in der Bundesliga ja beispielsweise auch so und es hält sich kaum jemand dran. Aber so ist das mit all diesen Protokollen, die jetzt durch die Gegend geistern. Da wird viel diskutiert. Wir werden sehen, ob das alles so umgesetzt werden kann.

Auch im Fußball müssen sich die Spieler umstellen. Eigentlich soll man beispielsweise keinem Mitspieler aufhelfen, wenn dieser zu Boden geht. Das passiert beim Basketball wiederum ständig.

Benzing: Ja, das ist sehr dubios. Es wird sehr interessant, was passieren wird, wenn das erste Spiel mal losgeht, ob sich dann jeder daran hält. Ich glaube es nicht. Wenn mein Mitspieler runterfällt, dann helfe ich ihm auf. Scheißegal, ob das gegen die Regeln geht. So wird jeder denken und dann bin ich mal gespannt, was passiert.