Wie mächtig waren Sie wirklich, Herr Linden?

Der ehemalige Krone-Journalist beim Interview in einem Cafe
© Fabian Zerche

Im Interview mit SPOX spricht Ex-Krone-Reporter Peter Linden über Verhaberung, sein neues Buch sowie seine Berichterstattung rund um Marcel Kollers Amtsantritt.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

"Wenn sie mich für wichtig genug betrachten, dann gerne", antwortet Peter Linden via E-Mail auf meine Interview-Anfrage. Tags darauf sitzen wir im Segafredo-Cafe im tiefsten Döbling. Mangelnde Relevanz kann man Peter Linden kaum vorwerfen. Über Jahrzehnte wurde der ehemalige Krone-Reporter, bekannt für seine Kolumne "Fußball aus erster Hand", als mächtigster Sportreporter des Landes bezeichnet. Ein Gemenge aus seinem Netzwerk und der eminenten Reichweite der Kronen Zeitung. Seit Sommer ist der 65-Jährige in Pension, aber keineswegs still. Im ausführlichen Interview mitSPOX spricht Linden über Verhaberung, sein neues Buch sowie seine Berichterstattung rund um Marcel Kollers Amtsantritt im November 2011.

SPOX: Wie ging es Ihnen, als Sie ihre letzte "Fußball aus erster Hand"-Kolumne abgegeben haben?

Peter Linden: Irgendwie komisch, dass das alles vorbei ist. Ich wusste schon ein Jahr zuvor, dass es zu Ende geht. Trotzdem komisch. Aber jetzt weiß ich gar nicht mehr, worum meine letzte Krone-Kolumne ging. Vermutlich über die Nachwehen der Euro.

Sie führen "Fußball aus erster Hand" auf Ihrem Blog "peterlinden.live" weiter. Die Vertragsverlängerung von Louis Schaub war Ihr erster Coup.

Ein Freund hat zu mir gesagt: 'Peter, du hast noch so viele Kontakte. Schauen wir doch mal, ob so etwas gut rennt.' Die Resonanz war dann ganz gut. Leute, die ich kenne, lesen meine Texte noch immer. Zudem will ich nicht meine Kontakte versiegen lassen. Die Geschichte über Schaubs Vertragsverlängerung war eher Zufall. Nach einem Mattersburg-Spiel habe ich das im Laufe eines Gesprächs erfahren.

Was haben Sie mit Ihrem Blog vor?

Die Leute, die mich dazu überredet haben, wollen damit Geld verdienen. (lacht) Schau ma mal.

Sie haben zahlreiche Bücher geschrieben, darunter einige über Rapid und den ÖFB. Jetzt erscheint ein neues. Worum geht's?

Mein erstes Buch war "Frankreich wir kommen" - zur Weltmeisterschaft 1998. Dann eines zum 100-Jährigen von Rapid. Hannes Kartnig hat mich fasziniert - auch darüber habe ich ein Buch geschrieben. Insgesamt waren es elf Stück, wenn ich mich richtig erinnere. In meinem neuen Buch geht es um das Allianz Stadion. Von der Pfarrwiese über St. Hanappi ins neue Stadion. Auch die Rapid-Geschichte wird etwas beleuchtet. Das neue Stadion ist für Rapid sehr wichtig - vor allem finanziell. Aber Fußball spielt es halt nicht, das Stadion. Hickersberger sagt es im Buch sehr richtig: "Ohne konkurrenzfähige Mannschaft hilft auch das tolle Stadion nichts." Mich fasziniert, wie viel Geld Rapid mit dem Stadion scheffelt.

Sie wurden als mächtigster Sportreporter des Landes bezeichnet. Nicht zuletzt wegen der unfassbaren Reichweite der Kronen Zeitung. Wie mächtig waren Sie wirklich?

Na, gar nicht. Zu glauben, dass irgendjemand von Rapid oder dem ÖFB mich gefragt hätte: 'Was sollen wir machen...' Das ist ein Irrglaube. Aber ich habe eine große Vertrauensbasis zu meinem Netzwerk. Ich habe den Leuten gezeigt, dass ich mich mit der Sache beschäftige.

Das klingt jetzt sehr nach Understatement.

Ich kann jedem die Hand geben und habe eine gute Gesprächsbasis. Einen riesigen Krach gab es nur mit Egon Coordes, da war die Erde verbrannt. Der hat alle Österreicher als Trottel hingestellt. In meinen 47 Jahren als Reporter wurde mir nur einmal mit einer Klage gedroht. Und zwar von Samuel Ipoua.

Warum?

Das war ein Fehler. Da habe ich mich leider dazu hinreißen lassen, ihn mit der Koks-Szene in Verbindung zu bringen.

Uff.

Manches ließ darauf schließen, aber wir konnten den Streit beilegen. War sicher kein Ruhmesblatt.

Oftmals ist es schwierig, sich Kontakte aufzubauen und Objektivität beizubehalten. Ein Kritikpunkt, der den Boulevard trifft. Würden Sie auch einen Freund aus Ihrem Netzwerk kritisieren?

Ja, klar. Aber es muss im Rahmen bleiben. Aber wenn man schreibt, der ist zu alt, der muss aufhören, der kann nichts, dann geht das nicht. Ich habe zum Beispiel Steffen Hofmann oft kritisiert und trotzdem haben wir ein normales Verhältnis und Respekt voreinander. In Österreich gibt es sehr viel Schwarz-Weiß-Malerei.

Verstehen Sie die Kritik, dass der Sportjournalismus in Österreich nicht kritisch genug ist?

Verhabert?

Darauf wollte ich hinaus.

Ist man verhabert, wenn man eine normale Gesprächsbasis hat? Wenn ich mich daran erinnere, was ich für Auseinandersetzungen mit Krankl hatte, als er Teamchef war. Aber ich kenne ihn Jahrzehnte und kann trotzdem normal mit ihm reden. Das gleiche könnte ich über Constantini erzählen. Oft habe ich ihm gesagt, dass es nicht richtig ist, Stranzl und Ivanschitz abzusägen. Aber ich verstehe auch, dass er für seine eigenen Ideen den Kopf hinhalten will, nicht für meine. Aber ich werde nicht schreiben, dass er wieder in die Tiroler Berg' zurückgehen soll.

Anders gefragt: Wäre es möglich, diese Fülle an Exklusivität zu liefern, ohne mit Sportfunktionären auf einen Verlängerten zu sitzen?

Man muss sich bei den Menschen erkundigen, auch wenn sie nicht ganz oben sind. Man darf sie nicht verteufeln. Dann erfährt man halt Sachen. Bei Pressekonferenzen wird man diese Informationen nicht bekommen.

Sie haben damals die Bestellung von Marcel Koller kritisiert. Warum eigentlich?

Der ÖFB-Sportchef sagt immer, wie göttlich alles in Österreich ist. Die Trainerausbildung, die Nachwuchsarbeit. Aber wenn die Trainerausbildung so gut ist, muss ich doch auch einen österreichischen Trainer finden. Vor Koller wurden all unsere Qualifikationen mit Österreichern geschafft, nicht mit Ausländern. Dabei zähle ich Otto Baric schon als Österreicher, der war ja Jahrzehnte da. Aber war Brückner so ein Hit? Ich war da halt kritisch und habe gefragt: Was kann Koller, das Österreicher nicht können? Okay, Koller hat dann seine Bestellung bestätigt, er war in Ordnung. Aber was dann nach der EM-Qualifikation passiert ist, ist nicht berauschend. Aber darum bin ich nicht bös' auf den Koller. Sondern einfach objektiv. Warum man aus der verpatzten Endrunde keine Konsequenzen zieht, ist mir zu hoch. Ich habe mir am Dienstag die U21 angeschaut. Das war deprimierend, wie viel besser die Deutschen waren.

Aber das kann man Marcel Koller nicht vorwerfen.

Jaja klar, aber das wirft schon Fragen auf. Hat die Mannschaft mit Herz gespielt? Sane hat neun Gurken verteilt. Neun! Eine Mannschaft, die etwas auf sich hält, wehrt sich da.

U21-Trainer ist aber Werner Gregoritsch. Und der ist Österreicher.

Dem Werner Gregoritsch haben sie die besten Fußballer weggenommen. Schaub, Schöpf, sein Bua (Michael Gregoritsch, Anm.), Lazaro, der dann als Verteidiger gespielt hat. Ich fand' das Spiel gegen Deutschland deprimierender als die Partie gegen Serbien.

Warum muss ein Österreicher Teamchef werden?

Bei uns ist der Herzog immer der liabe Bua, aber der ist 45 Jahre alt! Ich frage mich, was er verbrochen hat. Warum war er nach dem Barisic-Abgang bei Rapid kein Thema? Warum muss da ein Trainer aus Deutschland kommen?

Offenbar ist man von Andreas Herzog nicht so überzeugt.

Aber ihn nicht einmal anrufen? Da muss man doch mit ihm verhandeln. Dann kann man sagen, man ist nicht überzeugt. Aber der hat große Erfahrung in den USA gesammelt, war bei einer WM - Klinsmann redet nur in den höchsten Tönen von ihm. Herzog ist kein Hütchenaufsteller.

Trotzdem verstehe ich nicht ganz, warum österreichische Trainer den Vorzug bekommen sollen.

Es heißt im ÖFB-Programm "der österreichische Weg". Oder?

Gibt es so viele hochqualifizierte Trainer in Österreich, dass man ausländische Lösungen ausschließen muss?

Nicht ausschließen. Aber man muss auch den heimischen Trainern eine Chance geben.

Constantini hat seine Chance bekommen.

Aber der hat den Umbruch eingeleitet, das kann man auch sagen. Den Mut, einen 18-jährigen Dragovic in Belgrad debütieren zu lassen, muss man einmal haben.

Dafür hat er im Coaching seine Schwächen.

Okay, darüber könnten wir bis zur Sperrstunde diskutieren. (lacht)

Sind sie Rapid-Fan?

Nein.

Echt?

Ja! Ich war früher Austria-Berichterstatter. Unser Rapid-Berichterstatter ging in Pension und durch interne Umschichtungen habe ich Rapid übernommen.

Für Sie ein Glücksfall.

Damals war die Austria Nummer eins in Wien. Das Double, Prohaska, das war schon groß. Aber irgendwann war der Cut und ich habe nur mehr über Rapid berichtet.

Sie haben Rapid auch kritisiert. Wann war das Verhältnis am Tiefpunkt?

Mein alter Freund Gustl Starek war auf mich böse. Das waren Stellvertreter-Kriege. Mit Dokupil war alles okay. Heri Weber war mitunter unangenehm berührt. Ob ich gerne gesehen war, müssen sie die Beteiligten fragen.

Mit der Bestellung von Präsident Michael Krammer waren Sie auch nicht glücklich, oder?

Ich habe nur die Art hinterfragt. Krammer war ja Leiter der Reformkommission und sagte zu mir, er steht für das Amt nicht zur Verfügung. Und drei Wochen später ist plötzlich alles anders. Da fragt man sich schon warum. Und ein paar Geschichten über Kirisits (Mitbewerber um das Präsidentenamt, Anm.) haben auch nicht gestimmt. Aber vielleicht hat er den Fehler gemacht, mit offenen Karten zu spielen. Ich war mit Kirisits gemeinsam beim Bundesheer, darum hatte ich mit ihm eine gute Gesprächsbasis. Ich war auch erstaunt, dass die Fans dann plötzlich so gegen Krankl waren. Da wurde gesagt, er würde mit irgendwelchen Sponsorgeldern bezahlt werden.

Krankl war als ehrenamtlicher Vizepräsident vorgesehen.

Er wäre Vize gewesen. Hätte nichts mit dem operativen Geschäft zu tun gehabt. Er wäre der Herzeigerapidler gewesen. Wie Bobby Charlton bei Manchester United. Kirisits hat man dann auch noch unterstellt, er würde mit Rapid nach Aspern gehen, das war sein Todesurteil. Zudem waren einige Präsidiumsmitglieder nicht glücklich, dass sie bei Kirisits nicht auf der Liste gestanden wären. Den Vorwurf, ich würde Krammer nicht objektiv gegenüberstehen, kann man mir aber nicht machen, glaube ich. Er soll aber bei der Barisic-Entlassung eine tragende Rolle gespielt haben. Das habe ich zumindest gehört. Ich fand das nicht korrekt, so kurz vor der Vorbereitung. Wenn man rechtzeitig sagt: Wir trauen ihm den Titel nicht zu, dann okay. Aber man muss sich nur mal anschauen, wie er Rapid übernommen hat. Und wie viele Spieler lukrativ verkauft werden konnten. Das darf man nicht vergessen.

Auch zwischen den Fans und Ihnen hat es oft gekracht.

Mein Auto haben sie zerkratzt und ich wurde angespuckt. "Wir stechen sie ab", haben sie zu mir gesagt. Im Flugzeug wurde skandiert: "Peter Linden muss verschwinden." Ich bin ihnen halt einigermaßen kritisch gegenübergestanden. Mir war es immer zu hoch, dass der Verein für ihre Pyro-Kultur Länge mal Breite zahlen muss. Früher haben sie noch viel ärgere Sachen gemacht als heute.

Sie haben in Ihrer Laufbahn viel erlebt. Welche Momente werden Sie nie vergessen?

Zum Beispiel die WM in Argentinien. Senekowitsch (Cordoba-Teamchef 1978, Anm.) gegen den Rest der Welt. Senekowitsch und Max Merkel (damals ÖFB-Sportdirektor, Anm.) sind damals die Hauptstraße von Buenos Aires entlang flaniert. Und Senekowitsch war ein sehr sparsamer Mensch. Vor einem Schuhgeschäft sagt Senekowitsch: "Max, schau, so schöne Schuhe, aber so teuer." Das geht bei drei Schuhgeschäften so weiter. Bis Merkel irgendwann sagt: "Wast wos, kauf da halt nur einen." Argentinien werde ich nie vergessen. Auch die WM in Südkorea und Japan war ein Erlebnis. Da habe ich einmal in einem Hotel geschlafen, das im Tiroler Stil hergerichtet war. Zirbelstube St. Anton hat es geheißen. Die skurrilen Momente bleiben irgendwie hängen.

Was war die größte Story, die Sie jemals hatten?

Vielleicht als Senekowitsch zu Karl Sekanina (damals SPÖ-Politiker und ÖFB-Präsident, Anm.) ins Parlament ging, um zurückzutreten. Sekanina hat den Rücktritt abgeschmettert. Auch Transfers wie Krankl nach Barcelona oder Prohaska zu Inter waren besonders. Rehhagel sagt noch immer: "Sie sind der einzige Boulevard-Journalist, mit dem ich rede." Das macht mich stolz.