Die Nationalmannschaft braucht einen Neuanfang

Von SPOX Österreich
dfb-team-600
© getty

Das blamable Abschneiden bei der Weltmeisterschaft in Russland ist aus deutscher Sicht längst nicht verdaut. Der Rücktritt von Mesut Özil ist nur der neueste Beweis dafür, wie blank die Nerven bei den Verantwortlichen des DFB liegen. Auch aus sportlicher Sicht drängen sich weiterhin Fragen auf: Hat Joachim Löw zu beharrlich am gewohnten Spielsystem festgehalten? Betrachtet man die Zahlen und Fakten des DFB-Teams, liegt dieser Schluss nahe.

Cookie-Einstellungen

Die Verantwortlichen des DFB hatten sich den Sommer wohl gänzlich anders ausgemalt. Vor Beginn der Weltmeisterschaft in Russland standen noch Begriffe wie Titelverteidigung und Favoritenrolle im Raum, gleichzeitig baute Teammanager Oliver Bierhoff die DFB-Elf zum erfolgreichen Marketingkonstrukt auf.

Diese Euphorie nahm bald darauf ein abruptes Ende, als "Die Mannschaft" nach drei Spielen in der Vorrunde und als Gruppenletzter die frühzeitige Heimreise aus Russland antreten musste. Seitdem sind die Top-Funktionäre des DFB sowie die Spieler selbst um Schadensbegrenzung und Aufarbeitung bemüht. Dass genau dieses Krisenmanagement äußerst dürftig ausfällt, zeigen die vielen hauseigenen Probleme des Verbands deutlich auf. Spätestens seit dem Rücktritt von Mesut Özil ist klar: Der DFB braucht einen Neuanfang. Sowohl auf sportlicher als auch auf höchster Ebene.

Auf dem Platz die falsche Taktik gewählt

Nach wie vor gibt es vonseiten der DFB-Führung keine stichhaltige Analyse dafür, wie das desaströse und historische Ausscheiden in einer der vermeintlich leichteren WM-Gruppen passieren konnte. Der Kader galt zu Turnierbeginn als einer der stärksten der deutschen Geschichte, viele Spieler befinden sich im besten Fußballeralter. Hat es Chefcoach Joachim Löw schlicht versäumt, dem Team eine kluge Spielphilosophie aufzuerlegen? Die Statistiken zu den Leistungen der Mannschaft bei der WM legen genau diesen Verdacht nahe. Das Wettportal Interwetten hat in einem Beitrag alle relevanten Zahlen und Fakten der WM zusammengetragen - die Erkenntnisse daraus: Deutschland gab durchschnittlich die meisten Schüsse ab, hatte nach Spanien den höchsten Ballbesitz und spielte die zweimeisten Pässe mit der zweithöchsten Genauigkeit. Gebracht hat das dem DFB-Team, ebenso wie den Spaniern, nichts.

Stattdessen stellten sich die Gegner perfekt auf das ballbesitzorientierte Spiel der Deutschen ein und hatten kaum Mühe, gegen das behäbige Angriffsspiel die Ordnung zu halten. Die Folge: Viel zu oft fanden die Ballaktionen in ungefährlichen Räumen statt, Zug zum Tor war nur selten vorhanden. Überraschend ist deshalb auch, dass das DFB-Team auf die meisten Torabschlüsse pro Spiel kommt. Der Anteil an hochkarätigen Chancen fiel dabei allerdings gering aus, viele Schüsse fielen unter die Kategorie "Verzweiflungsschuss". So blieb es bei nur zwei erzielten Treffern in drei Partien.

Andererseits sorgte der ergebnislose Ballbesitzfußball dafür, dass ich auch die beiden Innenverteidiger der Deutschen immer öfter und ungeduldiger auch in der gegnerischen Hälfte in den Spielaufbau einschalteten. Dadurch stand die Viererkette dermaßen hoch, dass es Mexiko, Südkorea und teilweise auch den Schweden leicht fiel, Boateng und Co. mit langen Bällen auszukontern.

Das Fundament aus Spielern bleibt bestehen

Dennoch steht der Mannschaft wohl kein gravierender personeller Umbruch bevor. Leistungsträger wie Mats Hummels, Toni Kroos oder Thomas Müller sind trotz teilweise wiederholt schwachen Leistungen auch weiterhin gesetzt. Dahinter positioniert sich allmählich bereits die junge Garde, die im Vorjahr den Confed-Cup in Russland gewann. Ein ehrlicher Konkurrenzkampf auf allen Positionen kann die sportliche Leistung in Zukunft nur verbessern - der Weltmeisterbonus ist nicht mehr gültig. Fraglich bleibt hingegen, ob Joachim Löws vorzeitige Entscheidung, weiter Trainer bleiben zu wollen, nicht zu früh fiel. Eine umfassende Analyse und Bewertung des Turniers hätte auch seinen Posten mit einschließen müssen.

Auch andere Funktionäre müssen sich hinterfragen. DFB-Präsident Reinhard Grindel wurde von Mesut Özil öffentlich angegriffen und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht hinter seinen Spielern zu stehen. Manager Oliver Bierhoff wird vorgeworfen, sich mehr auf die Außendarstellung der Mannschaft und neue Werbeverträge, als auf den sportlichen Erfolg zu konzentrieren. Möglicherweise könnte ein Austausch den Führungsriege den ersehnten Umschwung einleiten. Das Potential für eine erfolgreiche sportliche Zukunft ist nämlich weiterhin vorhanden.