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Blogpokal 2013/2014


Gründer: RoterBulle92 | Mitglieder: 58 | Beiträge: 25
Von: MarcelPutz
23.03.2014 | 8598 Aufrufe | 56 Kommentare | 9 Bewertungen Ø 8.2
Kandidat 2: Marcel Josef Putz
Legenden sterben nie
Legenden sterben nie

Seit Menschengedenken gibt es Menschen.

Es gibt kleine Menschen, große Menschen, dicke Menschen, dünne Menschen, intelligente Menschen, dumme Menschen, lustige Menschen, ernste Menschen...

Doch nur wenigen von uns gelingt es, ihre Namen in Geschichtsbüchern zu verewigen und dafür zu sorgen, dass sie den Bewohnern dieses Planeten auch noch Generationen später ein Begriff sind.

Ich allerdings bin so ein Mensch...

Zumindest in der großen Welt des Sports wird man mich nicht so schnell vergessen. Sollte der Fußball nichts von seiner Populartät einbüßen, dann werden mich die Menschen auch noch in 100 Jahren als Legende bezeichnen.

Als ich noch jung und arrogant war, in den Jahren vor dem Tod meiner Frau, nannte ich mich selbst immer scherzhaft den Einstein oder Goethe des Fußballs. Gelinde gesagt war das eine starke Übertreibung, bei ehrlicherer Betrachtung sogar pure Arroganz. Im Gegensatz zu Personen wie Albert Einstein habe ich der Menschheit nämlich außer ein paar schönen Momenten vor dem Fernseher keinen großen Nutzen gebracht. Im Grunde genommen diente ich immer nur der Unterhaltung. Nichtsdestotrotz kam es mir am Anfang meiner Karriere so vor, als sei ich das bedeutenste Lebewesen, das diesen Planeten jemals besucht hat.

Doch wollte ich das überhaupt wirklich sein?

Bis zu meinem spektakulären Karriereende im April 2020 wurde ich insgesamt viermal zum FIFA-Weltfußballer des Jahres gewählt. Mit meiner Mannschaft gelang es mir dreimal die Champions League zu gewinnen, nebenbei wurden wir fünfmal nationaler Meister.

Wir errangen eine Trophäe nach der anderen und meine Frau witzelte damals, dass ich bald mehr Torjägerkanonen in der Vitrine hätte als sie Schuhe im Schrank.

Was mit meinen Auszeichungen geschehen ist, weiß ich nicht. Entweder irgendwelche entfernt Verwandten haben sich gierig grinsend darauf gestürzt oder sie stehen mittlerweile im Museum.

Mich würde es nicht einmal wundern, wenn man mir irgendwann einmal ein eigenes Museum widmen würde, aber soweit ich weiß kam bisher glücklicherweise noch niemand auf diese schwachsinnige Idee.

Die Leute sagen mittlerweile aber auch ohne eine solche Institution, dass ich einer der bedeutensten Spieler sei, den diese Sportart je gesehen hätte, vielleicht sogar der Beste seit der Fußball im England des 19. Jahrhunderts das Licht der Welt erblickte. Mein unglaublicher Abgang hat diesem Status nicht geschadet, im Gegenteil, er hat ihn nur noch einmal untermauert. Und von genau diesem Abgang will ich euch erzählen.

Es war ein schöner Sommertag im April von vor zwei Jahren, als ich das letzte Fußballspiel meiner Karriere bestritt. Ich hatte erst 28 Jahre auf dem Buckel, und trotzdem war ich schon, wie gesagt, einer der bekanntesten und beliebtesten Menschen in dieser komischen, verrückten Welt. Einmal mehr konnten mich die Zuseher in einem gewöhnlichen Bundesligaspiel bestaunen. Mir gelang es immerhin eine Bude zu machen, und das obwohl ich gedanklich schon ganz woanders war. Wissen Sie, ich hatte wirklich Talent. Sehr viel Talent.

Es war das längste Spiel meines Lebens. Die letzten 10 Minuten kamen mir vor wie Stunden. Mein neues Leben stand kurz bevor und ich fühlte mich wie ein Embryo, das ungeduldig auf seine Geburt wartet. Dann ertönte er endlich, der erlösende Abpfiff. Wenn mich überhaupt je Zweifel beschlichen haben, dann in diesem Augenblick. Langsam begann ich zu begreifen, dass ich nie mehr in einem so großen Stadion stehen und nach dem Spiel mit den Gegenspielern Trikots tauschen werde. Noch heute frage ich mich, wieso die Zweifel so schnell wieder verschwanden, wieso ich mir so sicher war, dass ich dieses Leben, von dem Millionen kleine Kinder träumen, aufgeben will.

Heute aber sitze ich hier mit den besten Freunden, die ich je hatte, und kann mit Stolz sagen, dass es die beste Entscheidung war, die ich je getroffen habe. Mit Abstand.

Eingeleitet worden war mein Karriereende einige Monate zuvor. Es war einer dieser vielen einsamen Tage, in denen ich alleine und traurig in meiner Wohnung saß.

Ich vermisste die einzige Sache, die mir in meinem damaligen Leben wirklich wichtig war, meine Frau. Sie war ein Jahr zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Bis zu diesem Augenblick hatte ich jemanden gehabt, an dem ich mich festhalten konnte. Meine Karriere war wie Bergsteigen gewesen und meine Frau die Sicherung, der Gurt, der mich festhielt, der mir das Gefühl gab, alles schaffen zu können, immer noch eine neue, höhere Ebene zu erklimmen. Erst als sie starb, begann ich damit aufzuhören immer höher steigen zu wollen. Der Fußball erschien mir plötzlich nicht mehr so wichtig wie zuvor, das ganze Geld, die Aufmerksamkeit, ja die Bewunderung der Menschen, sie war nur noch nebensächtlich, um nicht gar zu sagen, dass ich sie nicht mehr genoss, sondern verabscheute.

Millionen Fans liebten mich nach dem tragischen Vorfall nur noch mehr als zuvor, ich bekam Tausende von Beileidsbekundungen und die Medien berichteten Tag für Tag über mein Schicksal. Als ich in dieser Zeit einmal nach draußen ging, standen sofort gefühlt sämtliche Fernsehteams der Welt um mich herum. Selten zuvor wurde ich so stark bedrängt wie in diesem Moment, doch noch nie fühlte ich mich so einsam.

Als ich an diesem ganz normalen Tag also so traurig in meiner Wohnung saß, da stand er plötzlich vor mir. Ich reagierte erschrocken und begann ihn anzuschreien, ich hielt ihn entweder für einen sensationsgierigen Reporter oder verrückten Fan.

Dass jemand in mein gut gesichtertes Zuhause eindringt, war immer schon eine Angst, nur der Zeitpunkt wunderte mich ein wenig. Meine Leistungen waren zuletzt stark zurückgegangen, der tragische Tod meiner Frau lag relativ weit zurück und das Interesse nach mir war kontinuierlich gesunken. So richtig Beachtung sollte meiner Person erst wieder nach dem abrupten Ende meiner Laufbahn geschenkt werden.

Mister Miller, so nannte er sich, versuchte mir jedenfalls schnell zu Verstehen zu geben, dass er keineswegs ein Fan oder Journalist sei. Natürlich glaubte ich ihm nicht und seine Versuche, die Intuition seines Einbrechens bei mir erst langsam und vorsichtig zu erklären, scheiterten schnell.

Dementsprechend musste er relativ schnell zur Sache kommen und ich frage mich bis heute, wie er so genau wissen konnte, dass ich bei ihm mitmachen würde, wie er ahnen konnte, dass ich sein geheimes Projekt nicht ausplaudern und gefährden könnte, sondern davon begeistert wäre.

Er erzählte mir, dass er in Amerika lange beim Zeugenschutzprogramm gearbeitet hätte, dort ein relativ hohes Tier gewesen sei, und von sich behaupten könne, dass es wohl keinen Besseren auf dieser Welt darin gebe, den Tod eines Menschen vorzutäuschen.

Ich wundere mich heute wie er es geschafft hat, ein so hohes Vertrauen zu mir aufzubauen, wie es ihm tatsächlich gelungen ist seine Geschichte glaubhaft rüberzubringen. Als er mir von der ganzen Sache erzählte, stand mein Mund jedenfalls sprichwörtlich weiter offen als der eines Krokodils, wenn Reiner Calmund angeflogen kommt.

Natürlich sagte ich, ich müsse die ganze Sache überdenken, doch im Inneren wusste ich, dass dies meine letzte Chance war, nicht auf ewig in meinem Lebenfrust zu versinken.

Selbstverständlich überdachte ich alle Risiken, die die Sache mit sich brachte.

Täuscht Mister Miller mich vielleicht nur und legt mich dann um?

Doch seine Geschichte war überzeugend, die Fotos und Videos, die er mir zeigte, beeindruckend und vor allem erkannte ich in ihm mich selbst.

Auch er war in seiner früheren Welt ein einsamer Mann gewesen, der sich dann mit diesem Ort, den er gründete und an dem ich heute bin, seinen letzten und einzigen großen Traum erfüllte. Auch er selbst hatte sich komplett von seinem früheren Leben entfernt.

Und dann, an diesem heißen Tag im April, ging es also zum letzten Mal zu den Interviews nach dem Spiel. Die Journalistin gratulierte mir zum Sieg und Tor und fragte, ob ich nun an meine alten Leistungen anknüpfen könne.

Der Verein und seine Medienberater fordern immer, dass ich mich in den Interviews möglichst bodenständig gebe, Bescheidenheit mache mich bei den Menschen da draußen sympathisch.
"Wissen Sie. Ich bin der bescheidenste Mensch dieser Welt. Und zwar mit Abstand", würde ich am liebsten sagen, aber Mister Miller hat mir klargemacht, dass ich auf keinen Fall Aufmerksamkeit erregen dürfe. Die Menschen sollen möglichst keine Anzeichen für den am Abend folgenden tödlichen Autounfall (welch Ironie des Schicksals) gesehen haben.

Nach dem letzten langweiligen Interview ging es also ab in die Dusche und dann verabschiedete ich mich von den Kollegen. Das war das Schwierigste. Wir waren nie wirklich Freunde, aber ich habe die Jungs teilweise meine ganze Karriere gekannt, zahlreiche Erfolge mit ihnen gefeiert. Einfach so davonzulaufen, im Wissen, dass ich sie nie wieder sehen werde, war keine leichte Sache

Und dann ging also alles seinen Lauf. Ich erhielt ein gänzlich anderes Aussehen, wurde diskret für ein paar Wochen in ein kleines Städtchen im Allgäu gebracht (Wangen im Allgäu, sehr empfehlenswert übrigens), dann erhielt ich einen neuen, auf mein stark verändertes Aussehen angefertigten Pass, wurde nach Friedrichshafen gefahren, stieg dort in ein Flugzeug und begann eine lange Reise, die mich bis hierher, in diesen kleinen, der Menschheit komplett unbekannten Ort in Südamerika brachte.

Nun sitze ich in der Sonne neben Michael, er war einmal ein sehr, sehr erfolgreicher Musiker in den Vereinigten Staaten, und genieße die wundervolle Landschaft, die sich vor mir erstreckt.

Die meisten von uns werden in ihrem erwachsenen Leben nie mehr diese Magie spüren, die die Welt in unserer Kindheit entfaltet. Sie werden nie mehr mit einer derartigen Leichtigkeit durch ihr menschliches Dasein gehen und sich und die Dinge, die dieser Planet für uns bereithält, genießen.

Ich jedoch schon.

Ich sitze hier, erzähle Michael von meiner Frau, die irgendwo dort oben im blauen Himmel auf mich wartet, und genieße es einfach nur mit einem Bier in der Sonne zu sitzen.

"Soll ich dir auch noch eines holen?", fragt Michael, "gerosimo dürfte noch ein paar haben!".

Ich nicke lächelnd. Wir sind hier um die dreißig Personen, wenn er nicht gerade neue Leute zu uns holt ist auch Mister Miller da, und auf die ein oder andere Frau habe ich bereits ein Auge geworfen. Wenn die Medien eine Ahnung davon hätten, was für eine Beziehung sich hier anbahnt, die würden wahrscheinlich den ein oder anderen Purzelbaum schlagen oder gar zum Flick Flack ansetzen.

Michael kommt mit zwei Bierflaschen singend zurück, seine Stimme ist in Topform, manche von uns sagen sie sei so gut wie noch nie zuvor.

Und so sitzen wir hier, genießen das Leben und fühlen uns wie freie Männer.

In unserer alten Welt waren wir Legenden. Doch hier sind wir mehr...

KOMMENTARE
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Karrramba
MODERATOR
29.03.2014 | 22:41 Uhr
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Karrramba : 
29.03.2014 | 22:41 Uhr
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Karrramba : 
Bei größeren Tabletten bin ich grundsätzlich für Auflösung
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RoterBulle92
29.03.2014 | 22:39 Uhr
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29.03.2014 | 22:39 Uhr
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Die gibts nächste Woche sowieso
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toxic91
29.03.2014 | 22:37 Uhr
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toxic91 : 
29.03.2014 | 22:37 Uhr
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toxic91 : 
Wie wärs mit....spannender Auflösung?
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RoterBulle92
29.03.2014 | 22:35 Uhr
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29.03.2014 | 22:35 Uhr
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Wer ist hier eigentlich für Spannung? Und wer für die Auflösung?
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Karrramba
MODERATOR
29.03.2014 | 22:30 Uhr
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Karrramba : 
29.03.2014 | 22:30 Uhr
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Karrramba : 


uiii..ich untermal das Szenario mal musikalisch....

btw. Marcel.. coole Einstellung zu det janze hier!
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MarcelPutz
29.03.2014 | 22:29 Uhr
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MarcelPutz : 
29.03.2014 | 22:29 Uhr
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MarcelPutz : 
Nein! Man muss nicht gehen! Man darf ja weiter bewerten! Also die anderen Menschen! Das macht voll Spaß :
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RoterBulle92
29.03.2014 | 22:23 Uhr
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29.03.2014 | 22:23 Uhr
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Ein wirklich sehr knappes Endergebnis

Aber so spannend es war. Einer muss gehen
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MarcelPutz
29.03.2014 | 15:22 Uhr
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MarcelPutz : 
29.03.2014 | 15:22 Uhr
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MarcelPutz : 
@toxic91:

Haha danke! Es wäre jedenfalls ein wunderschöner Titel um sich zu verabschieden!
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toxic91
29.03.2014 | 00:47 Uhr
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toxic91 : 
29.03.2014 | 00:47 Uhr
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toxic91 : 
Putz, ein wirklich gelunges Duell und ein starker Blog von dir! Ich erwarte gespannt das Ergebnis und ziehe meinen Hut!

Für wen auch immer der Smiley gelten wird, er wird gelten:

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mammuth
28.03.2014 | 22:31 Uhr
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mammuth : 
28.03.2014 | 22:31 Uhr
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mammuth : 
den anfang und das ende mag ich ganz gerne, wünschte aber, du wärst hier noch weiter in die tiefe gegangen.

der mittelteil wirkt auf mich wie füllmasse, damit die geschichte funktioniert. vermutlich hätte hier eine gute idee, nicht nur die offenen fragezeichen erspart, sondern auch die spannung gepusht.

insgesamt mag ich den stil und den gedankengang

meine stimme bleibt hier
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