08.10.2009 um 22:48 Uhr
Geschrieben von donluka
Fliegen und Fallen
one bad thought could lose my mind
one bad mood could swing down
Diese Zeile stammt aus einem Song "The Difference between Flying and Falling" der Punkband Gameface aus Orange County.
Der Unterschied zwischen Fliegen und Fallen also. Er liegt manchmal näher als man denkt. Wer kennt das nicht? Diese Stimmung, mal himmelhochjauchzend, mal zu Tode betrübt? Sei es, dass man in jungen Jahren mal glücklich und am nächsten Tag wieder unglücklich verliebt war, sei es, dass es im Job mal super und dann wieder richtig mies läuft, sei es, dass der geliebte Verein mal gut und manchmal furchteinflößend spielt.
Handelt es sich bei derartigen Phänomenen um Momentaufnahmen, sprechen wir gerne von Phasen. Schlechte Phasen sind für uns Durststrecken, in denen man sich einfach mal verkriecht (aber ja nicht zu lange!) oder aber durchpustet und dann bitteschön gestählt zurückkommt. Unsere Gesellschaft mag es nicht, wenn jemand leidet. Wer sitzt schon gerne im Biergarten, raucht eine Zigarette, schlürft an seinem Bier und wird dabei von bettelnden Menschen "gestört"?
Nur ist das Leben nicht immer und vor allem nicht für alle nur schwarz und weiß. Vielmehr gibt es welche, die empfinden ihr Dasein als dauerhaft: Grau.
Kritisch wird dies dann, wenn dieses Empfinden eine gewisse Dauer überschreitet. Wenn aus einem Tief ein Lebensgefühl wird.
In diesem Fall sprechen wir von einer Depression. Depressionen unterscheiden sich von Momenten, in denen es uns einfach mal kacke geht, zum einen darin, dass sie länger andauern und zum anderen, dass der Betroffene krank ist und ohne Hilfe aus diesem Loch nicht mehr hinausklettern wird. Da können wir Außenstehende die Augen verdrehen und die Köpfe schütteln, so viel wir wollen, eine Depression lässt sich nicht wie ein Kaffeeautomat ein- und ausschalten.
Warum nerve ich eigentlich mit diesem Gesülze? Ganz einfach: Mich beschäftigt an diesen Tagen der Fall Sebastian Deisler. Mit der Bezeichnung "Fall" möchte ich mich nicht am Bild-Jargon bedienen, vielmehr stellt sie eine Verbindung zu meiner Einleitung dar, denn: Deisler kennt den Unterschied zwischen Fliegen und Fallen.
War er einst der Fliegende, der Held der deutschen Fußballnation, der ungeborene Traum einer verzückten Fanseele, lernte er bald, was es bedeutet, fallen gelassen zu werden, um einmal in dem Symbol zu bleiben. Zumindest hat er die Begleitumstände seines Wechsels von Hertha zu den Bayern so empfunden.
Ich möchte nun wirklich nicht die damaligen Zusammenhänge ausgraben und sinnieren, wer denn nun wann warum woran Schuld hatte. Vielmehr geht es mir um die derzeitige Reaktion auf Deislers (vorübergehende) Rückkehr in die Öffentlichkeit vor dem Hintergrund seiner Buchveröffentlichung.
In einem Interview mit der ZEIT schildert Deisler seine Leiden ebenso wie im Interview mit Jauch bei Stern-TV (auf stern.de abrufbar). Er deutet an, wie das so ist, mit einer Depression. Die hat er sich mit Sicherheit nicht ausgesucht, aber irgendwann war sie da.
Dabei kommt so eine Depression nicht einfach aus Lust und Laune um die Ecke. Sicher, es gibt verschiedene Ursachen, die aufeinander treffen, um ein derartiges Krankheitsbild auszulösen, aber ein Faktor ist ein zwischenmenschlicher/sozialer Konflikt. Dieser wird zum Auslöser. Und eben diesen definiert jeder Betroffene anders. Und eben dieser kann - je nach Ursprungsstabilität der Psyche - noch so klein sein. Oder als klein von der Außenwelt eingeschätzt werden.
Deisler jedenfalls hat es erlebt. Und er erlebt es weiter. Jeden Tag. Jeden Tag. Jeden Tag.
Das Gefühl, nicht aufstehen zu wollen. Nicht denken zu können. Nur grübeln zu müssen. Nicht sein zu wollen.
Was mich maßlos ärgert, ist die Reaktion einiger Menschen (auch im Spox-Forum), die sich nun anmaßen, darüber zu urteilen, ob Deisler eine Heulsuse, eine "Pussy" oder was weiß ich was ist. Die meinen, es gäbe viel schlimmeres Leid in der Welt. Krebskranke zum Beispiel. Ach ja? Und wer entscheidet darüber, welche Krankheit schlimmer ist als die andere? Sind aidskranke Kinder in Afrika schlimmer oder weniger schlimm als ein leukämiekrankes Kind in Deutschland? Wieso ist Depression weniger tragisch als ein Tumor? Weil wir sie nicht sehen können?
Oder weil wir sie nicht sehen wollen?
Dass Deisler nun in die Öffenrtlichkeit geht, mag die Meinungen spalten. Nur: Wir, die Öffentlichkeit, waren ein kleiner Teil des Auslösers. Des Druckes, der auf einem labilen und psychisch gefährdeten Mann lag.
Da frage ich mich: Wieso sollte Deisler eben dieser Öffentlichkeit nicht zeigen dürfen, wie er an seiner Gedankenwelt zugrunde geht?
one bad mood could swing down
Diese Zeile stammt aus einem Song "The Difference between Flying and Falling" der Punkband Gameface aus Orange County.
Der Unterschied zwischen Fliegen und Fallen also. Er liegt manchmal näher als man denkt. Wer kennt das nicht? Diese Stimmung, mal himmelhochjauchzend, mal zu Tode betrübt? Sei es, dass man in jungen Jahren mal glücklich und am nächsten Tag wieder unglücklich verliebt war, sei es, dass es im Job mal super und dann wieder richtig mies läuft, sei es, dass der geliebte Verein mal gut und manchmal furchteinflößend spielt.
Handelt es sich bei derartigen Phänomenen um Momentaufnahmen, sprechen wir gerne von Phasen. Schlechte Phasen sind für uns Durststrecken, in denen man sich einfach mal verkriecht (aber ja nicht zu lange!) oder aber durchpustet und dann bitteschön gestählt zurückkommt. Unsere Gesellschaft mag es nicht, wenn jemand leidet. Wer sitzt schon gerne im Biergarten, raucht eine Zigarette, schlürft an seinem Bier und wird dabei von bettelnden Menschen "gestört"?
Nur ist das Leben nicht immer und vor allem nicht für alle nur schwarz und weiß. Vielmehr gibt es welche, die empfinden ihr Dasein als dauerhaft: Grau.
Kritisch wird dies dann, wenn dieses Empfinden eine gewisse Dauer überschreitet. Wenn aus einem Tief ein Lebensgefühl wird.
In diesem Fall sprechen wir von einer Depression. Depressionen unterscheiden sich von Momenten, in denen es uns einfach mal kacke geht, zum einen darin, dass sie länger andauern und zum anderen, dass der Betroffene krank ist und ohne Hilfe aus diesem Loch nicht mehr hinausklettern wird. Da können wir Außenstehende die Augen verdrehen und die Köpfe schütteln, so viel wir wollen, eine Depression lässt sich nicht wie ein Kaffeeautomat ein- und ausschalten.
Warum nerve ich eigentlich mit diesem Gesülze? Ganz einfach: Mich beschäftigt an diesen Tagen der Fall Sebastian Deisler. Mit der Bezeichnung "Fall" möchte ich mich nicht am Bild-Jargon bedienen, vielmehr stellt sie eine Verbindung zu meiner Einleitung dar, denn: Deisler kennt den Unterschied zwischen Fliegen und Fallen.
War er einst der Fliegende, der Held der deutschen Fußballnation, der ungeborene Traum einer verzückten Fanseele, lernte er bald, was es bedeutet, fallen gelassen zu werden, um einmal in dem Symbol zu bleiben. Zumindest hat er die Begleitumstände seines Wechsels von Hertha zu den Bayern so empfunden.
Ich möchte nun wirklich nicht die damaligen Zusammenhänge ausgraben und sinnieren, wer denn nun wann warum woran Schuld hatte. Vielmehr geht es mir um die derzeitige Reaktion auf Deislers (vorübergehende) Rückkehr in die Öffentlichkeit vor dem Hintergrund seiner Buchveröffentlichung.
In einem Interview mit der ZEIT schildert Deisler seine Leiden ebenso wie im Interview mit Jauch bei Stern-TV (auf stern.de abrufbar). Er deutet an, wie das so ist, mit einer Depression. Die hat er sich mit Sicherheit nicht ausgesucht, aber irgendwann war sie da.
Dabei kommt so eine Depression nicht einfach aus Lust und Laune um die Ecke. Sicher, es gibt verschiedene Ursachen, die aufeinander treffen, um ein derartiges Krankheitsbild auszulösen, aber ein Faktor ist ein zwischenmenschlicher/sozialer Konflikt. Dieser wird zum Auslöser. Und eben diesen definiert jeder Betroffene anders. Und eben dieser kann - je nach Ursprungsstabilität der Psyche - noch so klein sein. Oder als klein von der Außenwelt eingeschätzt werden.
Deisler jedenfalls hat es erlebt. Und er erlebt es weiter. Jeden Tag. Jeden Tag. Jeden Tag.
Das Gefühl, nicht aufstehen zu wollen. Nicht denken zu können. Nur grübeln zu müssen. Nicht sein zu wollen.
Was mich maßlos ärgert, ist die Reaktion einiger Menschen (auch im Spox-Forum), die sich nun anmaßen, darüber zu urteilen, ob Deisler eine Heulsuse, eine "Pussy" oder was weiß ich was ist. Die meinen, es gäbe viel schlimmeres Leid in der Welt. Krebskranke zum Beispiel. Ach ja? Und wer entscheidet darüber, welche Krankheit schlimmer ist als die andere? Sind aidskranke Kinder in Afrika schlimmer oder weniger schlimm als ein leukämiekrankes Kind in Deutschland? Wieso ist Depression weniger tragisch als ein Tumor? Weil wir sie nicht sehen können?
Oder weil wir sie nicht sehen wollen?
Dass Deisler nun in die Öffenrtlichkeit geht, mag die Meinungen spalten. Nur: Wir, die Öffentlichkeit, waren ein kleiner Teil des Auslösers. Des Druckes, der auf einem labilen und psychisch gefährdeten Mann lag.
Da frage ich mich: Wieso sollte Deisler eben dieser Öffentlichkeit nicht zeigen dürfen, wie er an seiner Gedankenwelt zugrunde geht?
Aufrufe: 13226 | Kommentare: 140 | Bewertungen: 61 | Erstellt:08.10.2009
ø 8.4
KOMMENTARE
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09.10.2009 | 21:04 Uhr
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jackoncrack : abstauber
Ich ahb mal das "Letzter" eingeführt, rockt aber nicht so, hält sich keiner dran
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09.10.2009 | 20:58 Uhr
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mary33 :
@donlukawir sind die Gesellschaft und auch die Depression gehört dazu, genauso wie der Krebs und das Sterben. Nicht immer leicht in dieser Gesellschaft.
Guter Blog 10 Punkte von mir!
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09.10.2009 | 20:56 Uhr
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mal so sagen:
die auswahl hat nachgelassen, was artikel und diskussionen angeht.
ich könnte allerdings auch mal dieses ominöse ERSTER ausprobieren
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09.10.2009 | 20:51 Uhr
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nimm nochn schuss anfälligkeit und prägung dazu und dann sollte das so stimmen.
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09.10.2009 | 20:50 Uhr
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Habe ich das so richtig verstanden?
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09.10.2009 | 20:46 Uhr
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Andreana :
@Unreal:Natürlich stimmt deine Grundaussage.
Natürlich ist die Medizin auch viel weiter und kann viel mehr heilen und natürlich hat in den letzten Jahren gerade die Krebsforschung große Fortschritte gemacht.
Aber das ist hier nicht das Thema.
Gott sei Dank, denn der Sport (Fußball) ist manchmal grausam genug (ich als Borussin muss das wissen ) dann braucht man nicht noch so schreckliche Themen wie Krebs hier auf Spox.
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09.10.2009 | 20:45 Uhr
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Ich darf ja wohl ne andere Meinung haben und dazu stehen.
Meine Güte...
Ich habe eben andere Erfahrungen mit dieser Krankheit gemacht.
Und!? N Problem damit!?
Soll ich mir jetzt von euch diese komplett negative Meinung einreden lassen!? Wüsste nicht warum....
@THOG:
Das finde ich nicht lustig und so ist das von mir auch nicht gemeint.
Ich habe auch nie behauptet dass die Menschen ein glückliches Leben führen während die krank sind.
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