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FC Bayern München


Gründer: Tobi | Mitglieder: 965 | Beiträge: 253
17.10.2012 um 17:54 Uhr
Geschrieben von DerBayernBlog
Dysbalance ohne defensiven Anker
Gedanken zum 4:4-Breakdown gegen Schweden

Ein absurdes Spiel wie das gestrige 4:4 der deutschen Nationalmannschaft gegen Schweden zu erklären ist auch für mich, der das Spiel live im Olympiastadion verfolgt hat, eigentlich unmöglich. Es ist kaum zu erklären, warum eine Mannschaft, die ihren Gegner über 60 Minuten nach Belieben dominiert, innerhalb von einer halben Stunde einen verdienten 4:0 Vorsprung verspielt. Dennoch offenbarte die schlimme Schlusshalbestunde von Berlin eine Dysbalance in der Mittelfeldzentrale, die, auch wenn es bei einem Ergebnis von 4:2 oder 4:3 geblieben wäre, sehr auffällig wurde.

Es gibt verschiedene taktische Varianten eine Doppelsechs zu besetzen. Der Idealfall wären zwei Spieler die hervorragende Balleroberer sind und sich gleichzeitig dynamisch ins Offensivspiel einbringen. Die häufigste Lösung bei der Besetzung der Doppelsechs ist die, wie sie der FC Bayern seit etwa 5 Jahren praktiziert. Ein sehr guter Balleroberer mit solidem Passvermögen (van Bommel, Tymoshchuk, Luiz Gustavo, Javi Martinez) neben einem kreativen und dynamischen Spielgestalter mit ordentlichem Zweikampfverhalten (Zé Roberto, Schweinsteiger). Auch in anderen national und international erfolgreichen Teams lässt sich eine solche Aufteilung beobachten. Insbesondere das spanische Nationalelf-Duo Xabi Alonso-Busquets hat diese Aufteilung in Zusammenarbeit mit Xavi zur Perfektion gebracht. Auch Khedira und Schweinsteiger waren bei der WM 2010 im Zusammenspiel mit Özil ein Musterbeispiel für diese Arbeitsteilung in der Mittelfeldzentrale.

Bruch mit dem bewährten Muster

Joachim Löw hat dieses Muster gegen Schweden auch auf Grund der Verletzung von Khedira gebrochen. Kroos neben Schweinsteiger bedeutet mehr Qualität im Spielaufbau und im Spiel in die Nahtstellen. Aber es bedeutet eben auch eine Dysbalance, wenn es darum geht in kritischen Phasen Stabilität durch Ballgewinne zu erzielen. Hand aufs Herz: Die beiden Münchener bilden defensiv ein Duo aus einem mittelmäßigen bis ordentlichen Balleroberer (Schweinsteiger) und einem im Vergleich mit der Weltspitze auf dieser Position unterdurchschnittlichen Balleroberer (Kroos). Diese Schwäche kaschierte die deutsche Elf in der ersten Halbzeit dadurch, dass sie 1. den Ball lange in den eigenen Reihen hielt und 2. das Spielfeld brutal verengte. Nicht selten standen 21 Spieler bei Ballbesitz Deutschland in der schwedischen Hälfte weil auch die deutsche Viererkette extrem hoch stand. Konnten die Gäste eine Flanke oder einen abgefangenen Pass klären, verengte Deutschland das Spielfeld im Kollektiv so sehr, dass Schweden sich nur sehr selten kontrolliert befreien konnte und viele Bälle ziellos nach vorne drosch. Ballgewinne durch Kroos und Schweinsteiger im direkten Zweikampf waren deshalb über weite Strecken gar nicht gefordert, auch weil es meist gelang den ballführenden Spieler zu doppeln.

Keine Stabilität nach der Pause

In der zweiten Hälfte änderte sich das Spiel auch weil Deutschland den Ball früher verlor und den Gästen insgesamt mehr Platz lies. Die deutsche Viererkette schob sich nun meist höchstens bis 25-30 Meter vor dem eigenen Tor heraus. Die reale Spielfläche zwischen Deutscher und Schwedischer Viererkette erhöhte sich somit deutlich auf einen vertikalen Korridor von 60 bis 80 Metern. Mehr Raum bedeutet zwangsläufig auch weniger Chancen zum Doppeln von Spielern und mehr 1:1 Zweikämpfe. Hier wurde die besprochene Dysbalance deutlich weil sich vor allem Kroos, aber auch Götze oder Özil defensiv damit begnügten den Raum zu besetzen und kaum einen direkten Zweikampf suchten. Schweinsteiger hat sich zwar in den vergangenen Jahren zu einem wirklichen ordentlichen Zweikämpfer entwickelt, aber ein Weltklasse-Balleroberer wie beispielsweise Luiz Gustavo oder eben Sergio Busquets ist er nicht - und muss es im Übrigen auch gar nicht sein, wenn er wie bei Bayern einen weiteren defensiven Anker an seiner Seite hat. Diese Dysbalance hat mit dazu geführt, dass die Nationalelf am Ende einen 4:0 Vorsprung verspielte, weil entlastende Ballgewinne ausblieben.

Lehren für den FC Bayern

Jupp Heynckes hat die Notwendigkeit eines defensiven Ankers beim FC Bayern erkannt und setzt im Zweifel sogar eher auf die defensive Variante Martinez-Luiz Gustavo als diese defensive Stabilität zu Gunsten von mehr Variabilität im Spielaufbau aufzugeben. Das Spiel gegen Schweden hat diese Einschätzung eindrucksvoll bestätigt.
Aufrufe: 10266 | Kommentare: 21 | Bewertungen: 14 | Erstellt:17.10.2012
ø 9.1
KOMMENTARE
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DanielOcean
18.10.2012 | 11:53 Uhr
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18.10.2012 | 11:53 Uhr
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Das mit den Sechsern war doch letztlich schon vor Spielbeginn klar! ich hab auch nicht verstanden wieso, weshalb, warum so agiert wurde... klar war die Auswahl an Sechsern nicht mehr wirklich vorhanden, aber dann muss man halt nachnominieren...

Als richtigen Bruch sah ich aber auch die Auswechslung von Müller für Götze - hier hätte es eher Götze für Özil oder Götze für Reus heißen müssen, denn gerade diese beiden haben sich mal echt nen Lenz in der Offensive gemacht, keine Rückwärtsbewegung mehr, vom Pressing ganz zu schweigen!

Super Analyse, toll erkannt... und ich hoffe nun auch ein bisschen, dass man einen Gustavo auch mal wirklich zur würdigen weiß! Eine solche Position ist verdammt wichtig im modernen Fußball...
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Joyside
18.10.2012 | 11:45 Uhr
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Joyside : 
18.10.2012 | 11:45 Uhr
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Joyside : 
Das Ding ist mMn nicht das fehlen von Führungsspielern, sondern die fehlende Anerkennung von Autoritäten durch die junge Generation. Das sage ich als Kind dieser Generation selbst.

Wenn Schwein dem Özil, dem Götze und dem Kroos zig mal sagt, sie sollen mit nach hinten kommen und Kompakt stehen und die Jungs finden sich selbst aber zu toll um Führungsspielern folge leisten zu müssen, kann doch Schwein nix dazu.

Das ist wie eine Truppe Sandkastenkinder, denen man die Förmchen wegnimmt. Solange sie schönspielen können und zaubern haben sie Spaß und sind absolute Weltklasse. Kämpft aber der Gegner ein bisschen und man muss mal sich einem mannschaftlichen Abwehrgedanken unterordnen, sich etwas kompakt stellen, dem Gegner auf die Füße treten, oder sogar - Hilfe! - grätschen, dann schmollen die Sandkastenbubis.

Diese Generation und da schließe ich mich ein, hat von ihren Eltern immer alles ermöglicht gekriegt, was sie wollten und hat nie gelernt ein "Nein" zu akzeptieren, oder sich zum Wohle der Gemeinschaft zurückzunehmen. Das ist mMn ein kulturelles Problem in Deutschland in meiner Generation, was sich auch auf dem Fußballplatz zeigt.

Vielleicht schreib ich selbst mal ein Blog dazu. Könnte interessant werden, das zu analysieren.

Top Blog übrigens, Kollege!
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Schnumbi
18.10.2012 | 11:38 Uhr
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Schnumbi : 
18.10.2012 | 11:38 Uhr
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Schnumbi : 
@ Ahab: das ist ja genau das was ich nicht verstehe. Müller rennt rechts rauf und runter, der wird getausch für götze, der für noch mehr offensive steht.

2 minuten vor ende kommt poldi, für mich als laien unerklärlich
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Gotti1963
18.10.2012 | 11:35 Uhr
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Gotti1963 : 
18.10.2012 | 11:35 Uhr
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Gotti1963 : 
Ganz starke Analyse!
Ich habe auch immer gebetsmühlenartig "erklärt", dass bei unseren üblichen 75% Ballbesitzspielen die Doppel Sechs BS/Kroos funktionieren würde...

Am Mi wurde mir, und der ganzen Fußballnation eindrucksvoll vor Augen geführt, wie fragil dieses 4-2-3-1 ist, wenn du keinen defensiven Wadlbeißer ala Gustavo (großes Sorry Emil Sinclair!) in der Zentrale hast...

Ich habe es ein für alle Mal begriffen, Don Jupp wusste es schon vor mir, und man kann nur hoffen, dass Löw es auch gefressen hat!

Vielleicht sollte er den blog lesen, denn besser kann man es nicht erklären!
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Schnumbi
18.10.2012 | 11:29 Uhr
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Schnumbi : 
18.10.2012 | 11:29 Uhr
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Schnumbi : 
@ Ahab: naja für mich ging das tore schießen zu einfach. es war keine gegenwehr. Hühnerhaufen trifft es wohl am besten.
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Schnumbi
17.10.2012 | 18:39 Uhr
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Schnumbi : 
17.10.2012 | 18:39 Uhr
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Schnumbi : 
Sehr feine Analyse. Gefällt mir.

Ganz ehrlich ich war geschockt nach dem Spiel, eigentlich sehe ich N11 spiele relativ emotionslos, weil ich einfach hoffe das sich die bayern spieler nicht verletzen.

habe auch löws experiment mit lahm wieder auf links nicht verstanden. eigentlich wollte er das nicht wieder machen. desweiteren die einwechslungen von götze und poldi unerklärlich, zumindest aus meiner sicht. spätestens nach dem 4:2 hätte ich mal beton angerührt, platz zum kontern wäre ganz von alleine gekommen, weil schweden ja aufmachen musste.

nun ja alles im allen und da bleibe ich bei meiner meinung ein peinlicher auftritt und man ist zurecht das gespött in der internationalen presse.
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