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07.09.2013 | 7444 Aufrufe | 50 Kommentare | 3 Bewertungen Ø 6.3
Deutsche Abwehr - heute und gestern
Weltmeisterlich verteidigen
Eine Zeitreise zu den Weltmeistern von 1990

Deutschland hat 3:0 gewonnen, nicht weiter bemerkenswert könnte man jetzt vielleicht denken. Drei Tore schießen wir doch eigentlich immer, wenn der Gegner nicht Spanien oder Italien oder in der Vorrunde Serbien oder Kroatien heißt. Also darauf kann man sich doch wohl verlassen. Wer war eigentlich der Gegner? Achja, Österreich, das sogenannte Bruderduell, doch der südliche Nachbar mit der glorreichen Ski-Tradition war gar nicht das große Thema im Vorfeld. Vielmehr ging es um die scheinbar chronische Abwehrschwäche der deutschen Elf denn so hieß es drei Tore kriegen wir immer. So hat nicht nur der ein oder andere Österreicher ein Unentschieden für möglich gehalten. Dabei hatte man allerdings auch vergessen, dass wir eigentlich auch immer gegen Österreich gewinnen. Mit diesem Phänomen jedoch können sich nun getrost unsere Nachbarn beschäftigen, ich lege meinen Fokus im weiteren Verlauf auf das Vermeiden des Wortes eigentlich und (wie langweilig und wie soll es auch anders sein) die deutsche Abwehr, samt ihrer Protagonisten im Zeitvergleich. Hierzu ziehe ich die Weltmeister von 1990 heran.

Vergleich mit den Weltmeistern von 1990

Gekommen ist mir diese Idee beim Kommentarstudium der Partie in der Nachbetrachtung. Immer wieder stieß ich auf sich ähnelnde Kommentare, hier ein Beispiel von Spiegel online:

Desolate Abwehr. Also die Abwehr ist eine Katastrophe. Früher das Herz des deutschen Fußballs und nun sein Krankenlager.


Nun bin ich zum einen zu jung, um Fußballgötter wie Buchwald und Kohler valide aus meiner Erinnerung auf ihre Nationalmannschaftstauglichkeit hin beurteilen zu können und zum anderen kein größer Fan nostalgischer Verklärungen. So beschloss ich, begeistert von der Vorstellung, endlich einmal richtige Verteidiger zu sehen, mir das WM-Achtelfinalspiel Deutschland gegen die Niederlande aus dem Jahre 1990 anzugucken. Schon allein die Aufstellung ließ mich wissen, hier bin ich richtig! Verteidiger so weit das Auge reicht: Reuter! Brehme!! Kohler!!! Augenthaler! Buchwald!! Und natürlich Thomas Berthold!!! Keiner kann stilvoller bei jedem Anlass betonen, dass es den heutigen Abwehrspielern an Klasse fehlt, von Weltklasse bräuchte man da gar nicht erst sprechen, eher schon so grundsätzlich mangele es an Substanz. Vor allem im Vergleich mit früher.

Also nichts wie rein in die gute alte Zeit! Statt Popcorn habe ich allerdings einen Notizblock in der Hand, nur so zur Sicherheit, falls doch mal ein kleiner Abwehrfehler über den Bildschirm flimmert. Kaum läuft die Partie, muss ich mich erstmal noch schnell von ein paar lieb gewonnenen Eigenarten des heutigen Fußballs verabschieden: Das Pressing wartet wohl noch auf seine Erfindung, Tiki Taka und schnelle Passkombinationen kann ich auch keine entdecken, und wo ist überhaupt das Mittelfeld, dieser viel beschworene Motor, das Schwungrad einer jeden Fußballmannschaft? Ach, mein Fehler, da war es ja, der Matthäus war nur mal eben aus dem Bild! Nein, Scherz beiseite, Matthäus stellte natürlich nicht alleine das Mittelfeld dar, laut Spielberichtsbogen macht er das zusammen mit Littbarski. Da man auch damals mit Torwart spielte und ich bereits sechs Verteidiger aufgezählt hatte und man erst nach 25 Minuten auf Rudi Völler verzichten wollte (Rot, weil er sich zweimal von Rijkaard bespucken ließ) und mit Klinsmann wenigstens einer vorne für Gefahr sorgen sollte, waren einfach nur noch zwei Plätze für Mittelfeldspieler offen... Die Folge war ein risikoloser Spielaufbau mit weiten, langen und vor allem hohen Bällen auf die Stürmer. Ein Spielstil, den beide Mannschaften mit der ihr eigenen Konsequenz durchzogen.

Verteidigen gestern

Aber zurück zur Verteidigung und da geht es auch gleich rund in den ersten zehn Minuten. Ich kann nur jedem empfehlen, sich diese ersten zehn Minuten noch einmal anzusehen. Vor allem denen, die noch immer der Ansicht sein sollten, dass damals noch gute Verteidiger am Werk waren. Bei genauerer Betrachtung (was sich eigentlich nur grundlos beschönigend liest) hat dieses am Werk noch sehr viel mit werkeln und Holzarbeiten zu tun. Thomas Berthold lässt sich kurz nach Anpfiff naiv und (das muss ich leider so deutlich sagen) stümperhaft von Ruud Gullit am Sechzehner den Ball abluchsen. Der wiederum nur noch nach innen flanken braucht, wo Aron Winter kaum bedrängt verpasst. Glück gehabt. Kurz darauf wird über die linke Abwehrseite eine weitere Flanke herein gegeben, wieder verfehlt ein holländischer Angreifer nur knapp, Buchwald und Augenthaler stehen regungslos im Fünfer. So geht es dann auch weiter, die Anfälligkeit bei hohen Bällen bleibt ein Wiedererkennungsmerkmal, genauso wie technische Unzulänglichkeiten, Buchwald verursacht vor dem eigenen Strafraum eine unkontrollierte Kerze, bei deren Klärungsversuch sich gleich zwei Nationalspieler behindern, eine allgemeine Konfusion ist die Folge. Klingt wirr, ist es auch, ich habe genug und widme mich wieder den Dilettanten der Neuzeit. Obwohl, eine Anmerkung muss noch erlaubt sein, das Leben eines Verteidigers war damals noch wesentlich unbeschwerter, die Angriffe rollten nicht so schnell auf einen zu, die individuelle Klasse des Durchschnittsspielers war deutlich geringer, somit war er auch nicht so gefährlich im Eins-gegen-Eins und der Abwehrspieler hatte dank nicht vorhandenem Pressing mehr Zeit und Ruhe im Aufbauspiel, welches er jedoch trotzdem nur selten übernahm.

Verteidigen heute

Ja, die Skeptiker haben Recht, auch heute läuft nicht alles und jeder Verteidiger rund. Das zeigte sich auch gestern wieder. Schmelzer wurde nicht gefordert (was an der eklatanten Formschwäche von Arnautovic lag) und konnte trotzdem nach vorne keine Akzente setzen, weil ihm dafür mit den Worten eines Bertholds einfach die Klasse fehlt.

Boateng durfte sich endlich einmal in der Nationalmannschaft als Innenverteidiger ins Schaufenster stellen, reichte aber nicht an die souveränen Auftritte im Verein heran, er wirkte ein bisschen gehemmt, ließ jegliche Aggressivität vermissen (vielleicht eine Folge des besonderen und körperlosen Anforderungsprofils des Bundestrainers). Jerome Boateng war aber dennoch der wichtigste Mann in der Verteidigung und klärte auch immer wieder für schon geschlagene Mitspieler, wie Höwedes in der zweiten Halbzeit. Wenn wir schon mal bei Höwedes sind, kann man auch gleich festhalten, dass ihm ein linker Fuß für Flanken fehlt (trotz der konzentrierten Ablage zum 3:0). Per Mertesacker hat mich ein bisschen an die oben genannten Verteidiger von 1990 erinnert...

Und Lahm? Ja, sogar Lahm ist dreimal zu früh in ein Bodentackling gegangen und ließ sich überlaufen. Das hat Stefan Reuter im Spiel gegen die Niederlande in der Tat besser gekonnt.

Fazit

Mein Fazit eröffne ich in Form einer generationenübergreifenden Mannschaftsaufstellung:

Tor: Neuer

Abwehr: Reuter, Mertesacker, Boateng, Lahm

Mittelfeld (defensiv): Matthäus, Kroos

Mittelfeld (offensiv): Müller, Özil, Reus

Angriff: Klinsmann

Die Aufstellung ist natürlich mit einem Augenzwinkern versehen. Beinhaltet jedoch auch ein paar Beobachtungen, wie z.B., dass Miroslav Klose auch gestern nicht überzeugen konnte (trotz seines Billardtors). Er ist mittlerweile weder lauf- noch spielstark und gehört nun endgültig in Rente, schließlich hat er ja jetzt auch seinen kleinen Torrekord, ein guter Moment um abzutreten. Und Klinsmann machte im Achtelfinale gegen die Niederlande 1990 sein Spiel des Lebens. Khedira war gestern in manchen Szenen durchaus verbessert gegenüber vorherigen Auftritten, aber ist immer noch nicht in der Lage mal einen Doppelpass am gegnerischen Strafraum zu spielen. Müller war mit seinem enormen Laufeinsatz fast der wichtigste Mann gegen Österreich auf dem Platz. Özil spielt nach vorne einen wunderbaren und auch türöffnenden Fußball, aber nach hinten war das leider Arbeitsverweigerung und in der Form nicht tragbar, eigentlich bliebe ihm nur ein Platz auf der Bank, wenn ich konsequent wäre, denn gegen starke Gegner wird diese Spielweise bestraft, aber es ging ja nur gegen Österreich. Tja, und Mertesacker und Boateng sind nun wirklich nicht schlechter als Augenthaler, Kohler, Buchwald und Konsorten. Wer das nicht glaubt, den lade ich recht herzlich zu einer kleinen Zeitreise ein.

KOMMENTARE
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vanGaalsNase
10.09.2013 | 01:55 Uhr
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10.09.2013 | 01:55 Uhr
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Mich nervt dieses ganze: "Löw ist scheiße, früher war alles besser"-Gesülze. Sorry, aber anders kann man das nicht mehr nennen. Das ist einfach nur oberflächliches Geplapper. In der Politik hieße das Populismus.
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STOP
10.09.2013 | 02:01 Uhr
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STOP : 
10.09.2013 | 02:01 Uhr
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STOP : 
ist deine sache
ich nehme die vergleiche von früher mit heute aber sicher nicht ernst!
wie gesagt, das team hat für die damalige zeit klasse verteidigt was das team heute nicht macht.
aber hey! ich muss sagen dass ich den blog nicht gelesen habe und deinen kommentar nur bis da wo du geschrieben hast dass man sich irrt wenn man meint dass das team damals besser verteidigt hat und dass alles damals nicht besser war.
alles besser wars sicherlich nicht.....
wie gesagt, hab wenig gelesen und wahrscheinlich nicht verstanden was du sagen wolltest...muss mich leider mit nem kaputten tablet durchschlagen^^
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vanGaalsNase
10.09.2013 | 02:06 Uhr
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10.09.2013 | 02:06 Uhr
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Ah ja. Etwas nur halb lesen und dann was dazu schreiben. So macht man das.
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riquelminho
MODERATOR
10.09.2013 | 02:10 Uhr
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10.09.2013 | 02:10 Uhr
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löw ist das reizwort^^

aber rehakles habt ihr ja nicht rausgerückt
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STOP
10.09.2013 | 02:15 Uhr
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10.09.2013 | 02:15 Uhr
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STOP : 
macht man nicht, und ich sag sorry dafür!
aber sag mir bitte ob du der meinung bist dass das team damals nicht besser verteidigt hat als das heutige und ob du das team damals gesehen hast...und ich meine nicht sehen durch dvd's und so, sondern ob du fußball schon damals gesehen hast.
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STOP
10.09.2013 | 02:20 Uhr
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10.09.2013 | 02:20 Uhr
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STOP : 
riquel
ihr habt leider das pech jógi nicht in einem vereinsteam arbeiten zu sehen.
denn dann hátte auch der letze gesehen dass dieser nicht viel als trainer leider taugt!
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vanGaalsNase
10.09.2013 | 02:26 Uhr
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10.09.2013 | 02:26 Uhr
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Ich bin Jahrgang 1988.

Man kann heute und damals nicht miteinander vergleichen, weil sich das Spiel in sämtlichen Bereichen entwickelt hat. So wie früher verteidigt wurde, würde man heute nichts mehr gewinnen. Zudem muss man bedenken, dass das Angriffsspiel früher derart unüberlegt umgesetzt wurde, dass davon nicht halb so viel Gefahr ausging, wie das heute der Fall ist. Daher muss man auch das Offensivverhalten in diese Diskussion aufnehmen. Und keiner kann leugnen, dass das heutige Aufbauspiel tausend Mal besser ist als vor 20 Jahren.

Wie ich schon sagte: im heutigen Fußball zu verteidigen ist viel schwerer als damals. Viel komplexer.
2
riquelminho
MODERATOR
10.09.2013 | 02:33 Uhr
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10.09.2013 | 02:33 Uhr
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mal ganz unabhängig von den taktischen und individuellen unterschieden eine simple zahl, die verdeutlicht, dass man auch in relation über das turnier gesehen sich nicht weniger blöße gegeben hat:

kassierte tore deutsche n11 im schnitt pro spiel:

90: 0,86

92: 1,6

94: 1,4

2010: 0,88

(und da ist das "freundschaftsspiel" gegen uruguay reingerechnet)

2012: 1,2


unsere helden von damals konten effektiv nicht mehr verhindern. und ich würde mal gerne wissen, wie die statistik aussehen würde, wenn man zugelassene großchancen gegenüberstellt. aber ich fang jetzt nicht an, dvd´s zu schaun und zu zählen.
2
riquelminho
MODERATOR
10.09.2013 | 02:40 Uhr
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10.09.2013 | 02:40 Uhr
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@STOP

ach, ich kann mich noch an die zeiten des magischen dreiecks erinnern. fand ich jut. ösi-buli hab ich nicht geschaut.

aber wäre der hoeness nicht auf den gedanken gekommen, den jupp zu reaktivieren, dieser würde wohl auch nicht mehr als trainer der perfekt defensiv-arbeitenden mannschaft in die geschichte eingehen.

fussikarrieren können interessante verläufe annehmen
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STOP
10.09.2013 | 02:45 Uhr
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STOP : nase
10.09.2013 | 02:45 Uhr
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STOP : nase
du hast recht , aber das ist ein anderes thema!
wie gesagt, das was bleibt ist dass das team damals, in seiner zeit , klasse verteidigt hat , und das team in der heutige zeit dies nicht tut!
die spieler von damals sind unter anderen bedinungen fußballerisch gewachsen und man kann nicht ausschliessen dass sie unter den heutigen umstánde auch nicht ihren job klasse gemacht hátten.

ich finde es nicht ok die leistung damals so klein zu reden.....1986+1988+1990+1992+1996.
dagegen werden heute gelungene qualis und drite plátze als erfolge gefeiert!
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