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16.02.2010 um 18:46 Uhr
Wege der Zukunft - IV
Die modernen Spielmacher

Die Rolle des Verteidigers, insbesondere des Innenverteidigers, hat sich in den letzten Jahren stark geändert und wird sich in Zukunft auch noch stärker ändern. Neben der Torverhinderung, noch immer Hauptaufgabe der Innenverteidiger, muss ein moderner IV nach der Balleroberung das Offensivspiel ordnen und antreiben. Verteidiger haben häufig die meisten Ballkontakte, oft wird der Ball lange durch die eigenen (Abwehr-)Reihen gespielt, bis sich eine Lücke findet. Diese muss der Verteidiger zuerst erkennen, und dann mit einem genauen Pass nutzen. Dabei wird inzwischen wieder öfter der lange Ball genutzt, galt er doch vor wenigen Jahren noch als unkreativ und ideenlos.

Aber als eine (!) Möglichkeit zur Spieleröffnung taugt er sehr gut, allerdings müssen die IV diese Pässe sehr gut beherrschen, denn bei einem Ballverlust droht ein Konter und eine Unterzahlsituation. Insgesamt muss ein moderner Innenverteidiger viel mehr Aufgaben als früher übernehmen, denn die Innenverteidigung gehört zusammen mit dem defensiven Mittelfeld zur wichtigsten Achse einer Mannschaft, die mit guten und führenden Spielern bestückt werden muss.

Organisation der Defensive
Die Innenverteidiger müssen dafür sorgen, dass die Abwehr und die gesamte Mannschaft bei gegnerischem Ballbesitz gut geordnet steht. Auch die Kommandos für gezieltes Pressing oder Herausrücken der Abwehr gehen von den zentralen Abwehrleuten aus. Früher hatte der Libero keinen festen Gegenspieler, er organisierte und schloss Lücken. Heutzutage müssen die Innenverteidiger sowohl ihren Mann decken als auch die gesamte Mannschaft organisieren und Lücken schließen. Auch müssen sie bei den Spitzenteams das Spiel "in bestimmte Bahnen lenken", sprich, wenn die Gegner starke Außenspieler haben, steht die Verteidigung breiter und die Mannschaft versucht das Spiel mehr in die Mitte zu lenken und so die Außenspieler nicht so zur Entfaltung kommen zu lassen. Ein Abwehrchef muss neben seiner Leistung, welche immer vorbildlich sein muss, über organisatorisches Talent und ein gutes Auge und eine schnelle Auffassungsgabe für alle erdenklichen Situationen haben. Doch allein mit der Torverhinderung ist die Aufgabe eines IV noch nicht getan, nach Balleroberung können sie sich nicht mehr wie früher ausruhen.

Spielaufbau
Beinahe jeder geordnete Angriff im Spitzenfußball beginnt bei den Innenverteidigern. Die Verteidiger sind nicht mehr stumpfe Ballklopper, sondern werden für das Offensivspiel einer Fußballmannschaft immer entscheidender. Dabei fällt auf, dass die Verteidiger im Laufe der Jahre immer mehr Ballkontakte pro Spiel haben, der Spielaufbau hat sich immer weiter nach hinten verlagert. Das Spiel bekommt dadurch eine ganz andere Richtung, denn von den Innenverteidigern gehen die Bälle entweder zu den Vorderleuten, die die Bälle dann weiter nach vorne tragen, oder direkt auf die Außen. Dabei ist inzwischen auch immer öfter der gezielte (!) hohe Ball auf die Außenspieler in Mittelfeld oder Angriff zu sehen, perfekt ausgeführt von dem in England ausgebildeten Sami Hyypiä. Bemerkenswert, dass der Hyypiä, der gerade mit Ballsicherheit und millimetergenauen Pässen die Bundesliga begeistert, in England nur noch zweite Wahl war, in Deutschland dagegen einen frischen Wind in die Liga gebracht hat.



Diese Grafik zeigt das 4-2-2-2-System in der Offensive. Die ehemalige Viererkette hat sich aufgelöst, nur noch die beiden IV sichern nach hinten ab. Wenn der Ball über die linke Seite kommt, geht der rechte AV zurück in die Viererkette, außerdem bleibt ein DM vor der Abwehrkette zur Absicherung zurück. Es gibt dabei einmal die Leverkusener-Variante, in der die IV jeden Angriff einleiten, und am liebsten direkt auf die AV oder die Außen im Mittelfeld spielen, und die klassische Variante, bei der ein Angriff bei dem DM beginnt, der IV also normalerweise nur den kurzen Pass auf den sich anbietenden DM spielt. Die Ausrichtung der IV hängt auch stark von der Ausrichtung der Mannschaft ab. In einer Mannschaft die tief steht, und dann die sich ergebenden Räume in der Offensive nutzt, haben die Innenverteidiger in der Offensive eine nicht so große Rolle, da der Ball nach dem Ballgewinn sofort in die Tiefe gespielt wird, also kein Aufbauspiel im klassischen Sinne vorhanden ist. Im Moment so ausgeführt z.B. vom VfB Stuttgart. Das dominantere Spiel, aktuell zu sehen z.B. bei Bayern München, schließt die Innenverteidiger deutlich mehr ein. Beim letzten Spiel des FC Bayern gegen Borussia Dortmund hatte jeder Abwehrspieler in Reihen der Münchner ca. 90 Ballkontakte, dazu jeweils um die 70 Pässe. Dabei waren viele Pässe Sicherheitspässe, und es wurde häufig hintenrum gespielt, so spielte Daniel van Buyten bspw. 21 Pässe auf Philipp Lahm und 11 auf Martin Demichelis, außerdem 7 Rückpässe auf Hans-Jörg Butt.

Insgesamt ist es gerade für die Innenverteidiger entscheidend, wie das Spielsystem ausgelegt ist, denn das unterscheidet, ob das Spiel auf ein dominantes Spiel der IV ausgelegt ist, oder ob sie hauptsächlich Gegentore verhindern sollen.

In Deutschland hat man bei der Neuausrichtung der Verteidiger lange geschlafen, deswegen fehlen im deutschen Fußball auch moderne Verteidiger der Altersklasse 26 . Per Mertesacker ist trotz seiner jugendlichen 25 Jahre unumstrittener Abwehrchef der deutschen Nationalmannschaft, weil ältere Kollegen beinahe gänzlich fehlen. Hinter ihm kommt die erste Generation mit Spielern der modernen Schule. In Zukunft wird Deutschland in der Innenverteidigung keine Probleme haben, stehen doch mit Boateng, Hummels, Höwedes und Badstuber gleich 4 hochkarätige, junge Spieler auf dieser Position zur Verfügung.

Sie alle verkörpern die neuen Eigenschaften, sie sind zweikampf- und kopfballstark, passsicher, haben Organisationstalent und für ihre Jugend eine erstaunliche Ruhe am Ball. Darüber hinaus sind sie auch bei Standards gefährlich, sei es als Schütze (Badstuber), oder als Kopfballspieler (Hummels, Höwedes).


15 Jahre Altersunterschied, doch beide verkörpern den modernen Verteidiger

Torgefährlichkeit
Mit Sicherheit keine neue Eigenschaft, aber auch die Torjägerqualitäten der kopfballstarken Abwehrspieler sind immer mehr gefragt. Die Anzahl der Tore nach Standards wird immer größer, bei den letzten Turnieren lag sie schon bei einem Drittel. Besonders große Innenverteidiger treffen nach Eck- und Freistößen immer häufiger und avancieren so zu Matchwinnern. Auch wurde die Gesamtzahl von Toren immer geringer, dadurch werden Tore immer wichtiger, eine Führung wird mit 11 Mann verteidigt, deswegen sind die Innenverteidiger sowohl bei Standards als auch in der Abwehrarbeit noch mehr gefragt, denn die Führungen mit mehr als einem Tor Vorsprung werden geringer und man muss 90 Minuten konzentriert sein.
Aufrufe: 15456 | Kommentare: 32 | Bewertungen: 34 | Erstellt:16.02.2010
ø 9.9
KOMMENTARE
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xxlhonk
17.02.2010 | 19:39 Uhr
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xxlhonk : 
17.02.2010 | 19:39 Uhr
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xxlhonk : 
Stark!

Was noch zu erwähnen ist:
1.
Die IV spielen die langen Bälle oft und gezielt Diagonal.
So machen sie das Spiel nicht nur schnell, sondern öffnen auch noch das Spielfeld.

Allerdings sind diese Bälle, wenn man sie zu oft einsetzt, leicht auszurechnen.

2. Müssen die modernen IV auch eine gute Technik haben, denn gerade wenn sie Bälle aus dem Halbfeld zurück gespielt bekommen, sind diese manchmal auch aus der Not gespielt und der IV muss denn Ball schnell verarbeiten und kontrollieren, bevor die Stürmer beim Pressing auf die IV treffen und so richtig gefährliche Situationen heraufbeschwören können.

Aber das nur am Rande.

Habe ich es schon gesagt?
STARK!
10 Punkte...
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dos_santos
17.02.2010 | 22:00 Uhr
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dos_santos : 
17.02.2010 | 22:00 Uhr
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dos_santos : 
stark
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SilvaSan
17.02.2010 | 22:10 Uhr
1
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SilvaSan : 
17.02.2010 | 22:10 Uhr
0
SilvaSan : 
Alleine für diese riesen Arbeit 10p.
Für den Inhalt und ausführung ebenfalls, würde dir 100 Punkte geben wenn ich könnte, unglaublich interassant zu wissen und toll erklärt. Danke ;)
1
wunderkind
17.02.2010 | 22:35 Uhr
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wunderkind : 
17.02.2010 | 22:35 Uhr
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wunderkind : 
Klautern: Amedick und Rodnei zusammen 7 Tore...
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wunderkind
17.02.2010 | 22:41 Uhr
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0
wunderkind : 
17.02.2010 | 22:41 Uhr
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wunderkind : 
Wirklich interessant.

Wenn ich aber gerade so Bayern gucke, fällt mir auf, dass vor allem Schweinsteiger die Diagonalpässe spielt.
Und die vielen Ballkontakte beruhen ja auch und vor allem auf dem langsamen Spielaufbau, bei dem der Ball erstmal ein paar Mal hinten quer gespielt wird. Besonders wenn die gegnerische Mannschaft tief in der eigenen Hälfte steht - Und das tut ja fast jeder Gegner von Bayern...
0
SummerJoke
17.02.2010 | 22:56 Uhr
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SummerJoke : 
17.02.2010 | 22:56 Uhr
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SummerJoke : 
Taktiker, wirklich immer Überragende Blogs! Respekt und Hut ab!
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titan
17.02.2010 | 23:05 Uhr
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titan : 10 Punkte
17.02.2010 | 23:05 Uhr
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titan : 10 Punkte
Klasse, dass du diese Entwicklung in einem Block ansprichst.
Hummels hat meines Wissens in der Jugend auf der Secherposition gespielt um im Spielaufbau stärker zu werden, was wie man sieht gefruchtet hat und flexibler ist er so auch....
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goodmemories
18.02.2010 | 00:24 Uhr
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18.02.2010 | 00:24 Uhr
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Ich persönlich hätte Tasci vom VfB noch miteinbezogen Man sieht ihn auch 1, 2 Mal im Spiel einen schnellen Pass einleiten, um mit nach vorne zu stürmen. Aber kein Must-Have

10 Punke!
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Loslodrien
18.02.2010 | 00:31 Uhr
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Loslodrien : @Taktiker
18.02.2010 | 00:31 Uhr
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Loslodrien : @Taktiker
Finds echt toll, dass solche Themen hier gebloggt werden. In diesem Fall haben mich die Statistiken sehr interessiert.
Wo bekommt man, bzw Du die her??

Fall hälst Du von folgender Sichtweise:

Ich denke, dass die IV ganz einfach deshalb mehr Ballkontakte haben und haben müssen, da die taktische Organisation sich einfach immer weiter verbessert.
Konkret: Jede Mannschaft stellt heute sofort bei Ballverlust mit den oder dem Stürmer die Räume im und zum Mittelfeld zu.
Was also tun wenn der Gegner Zeit hatte sich zu ordnen(!!)? Den Ball lang in einen nur noch 30-40 m langen Bereich spielen ohne große Aussicht auf Erfolg? Angesichts der Nachteile UND anderer Optionen selten ein probates Mittel (es sei denn ich hab Jan Koller vorne drin)!
Also sind die Innenverteidiger quasi "gezwungen", den Ball so lange hinten in den eigenen Reihen zu behalten um durch die ganze Bewegung der eigenen Mannschaft und deren Reaktionen auf die Gegenspieler den Ball hinter die gegnerischen Stürmer/vorderste Mittelfeldreihe zu "schieben". Denn erst jetzt lässt sich so richtig Druck auf die ganze Defensive entwickeln.

Das neue Handeln der IV ist also eine natürliche Reaktion auf taktische Verbesserung des gesamten Profifussballs! Somit ändert sich auch das Anforderungsprofil schon mal in einem Punkt!

Gruß
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doktacox
18.02.2010 | 01:45 Uhr
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doktacox : 
18.02.2010 | 01:45 Uhr
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doktacox : 
ja tasci hat mir als vfb anhänger auch gefehlt :p


aber ansonsten top blog. kann man nix sagen, auch wenn man über so ein thema sicher 1000 seiten füllen könnte.
gut auf den punkt gebracht.
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