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06.07.2009 um 18:49 Uhr
Tennis und ich
Ganz ehrlich: Wenn mich jemand nach meinen Lieblingssportarten fragt, haue ich immer einen ganzen Wust an Disziplinen raus: Fußball natürlich, Eishockey muss sein, Biathlon auf jeden Fall, Handball (stimmt zwar nicht, macht sich aber gut) und wenn ich gut aufgelegt bin, dann auch Tennis. Doch mit Tennis und mir, das ist irgendwie wie mit der Liebe von damals, für die man ein paar Monate (oder Jahre) ganz Feuer und Flamme war und von der man dann doch irgendwann genug hatte. So ganz versöhnlich mit freundschaftlicher Trennung und dem Versprechen, doch noch weiter ein Auge auf den anderen zu haben. Woraus dann aber meist doch nichts wird. Genauso war das auch mit Tennis und mir.

Wir beide lernten und so Mitte der 80er Jahre kennen und ich war gleich hin und weg. Was natürlich vor allem mit Boris Becker zu tun hat. Ist zwar nicht originell, stimmt aber so. Ja, als Becker sich damals so Woche für Woche über den Platz quälte (und ja, das war meist mehr Qual als alles andere), da war ich immer mit dabei. Und gelitten habe ich. Furchtbar! Aber da war ich ja nicht alleine. Ja damals, damals war die Tenniswelt noch in Ordnung. Da gab es noch echte Typen: Lendl, McEnroe, Connors, Leconte, Wilander. Wenn ich noch länger schmachtend nachdenke, fallen mir bestimmt noch dreißig Namen ein. Das waren Zeiten. Und zum Glück gab's da ja auch noch Steffi – irgendwie der komplette Gegenentwurf zu Boris. Während er sich Runde für Runde durch ein Turnier beckerte, flog sie mit einer unfassbaren Leichtigkeit von einem Sieg zum nächsten. Da machte man sich schon Sorgen, wenn sie in einem Erstrundenspiel ihrer Gegnerin mal nicht die Brille gab. Ja, damals war alles noch so schön. Und ich glaubte, mit uns beiden, das würde ewig halten.

Doch es kam anders. Irgendwann lief das nicht mehr zwischen uns. Tennis wurde irgendwie anders. Und ich habe da für mich auch einen Schuldigen ausgemacht: Pete Sampras. Mit ihm wurde Tennis nur noch gekloppt und nicht mehr gespielt. Und da ging irgendwas zwischen uns zu Bruch. Und als dann Boris und Steffi immer älter wurden und ich allmählich ahnte, dass die beiden auch nicht ewig auf dem Platz stehen würden, da war dann irgendwann Schluss. Ich wendete mich ab, wünschte alles Gute und versprach, mich hier und da nochmal sehen zu lassen. Was ich aber erstmal nicht mehr tat. Mir reichte es. Ich war es satt. Beziehung abgehakt, erneute Kontaktaufnahme unwahrscheinlich.

Ja und so geht es mir bis heute. Fast. Denn zuletzt habe ich wieder zarte Annäherungsversuche unternommen. Ja, mit Boris und Steffi das ist vorbei. Und Tommy, Philipp und Sabine – nee, das ist nicht das Gleiche. Aber irgendwie merkte ich: Da ist noch was. Vielleicht nur eine leichte Sympathie, vielleicht mehr. Ich weiß es nicht. Aber ich habe mich wieder rangewagt. Habe etwas Halle geschaut und bei Wimbledon sogar richtig mitgefiebert. Und wisst Ihr was, das war mal wieder richtig schön. Okay, dieser kleine Flirt war nur möglich, weil die Liebe meines Lebens (genau die Bundesliga) momentan auf Beziehungsurlaub ist. Und ich weiß auch, das ist jetzt nichts auf Dauer. Nur mal so für den Sommer. Aber trotzdem: Geprickelt hat's schon. Weil irgendwie hat Tennis doch was. Etwas Faszinierendes. Manchmal dramatisch, manchmal knallhart und dann doch wieder mit spielerischem Zauber.

Ja, ich hatte plötzlich wieder so eine Idee, wieso wir uns einst so nahe waren, auch wenn ich das Gefühl von damals natürlich nicht mehr verspürte. Und dann fragte ich mich, wie es so kommen konnte. Wieso wir uns so auseinander entwickelt haben. Weshalb wir so lange nichts voneinander wissen wollten. Und mir wurde schnell klar, woran es lag. Nein, wir waren nicht so unterschiedlich. Wir haben schon ganz gut zusammen gepasst. Aber unser Problem war das Dilemma vieler gescheiterter Beziehungen: Wir haben uns einfach aneinander satt gesehen. Jeden Tag Tennis: Paris, Gstaadt, Filderstadt – das wurde mir irgendwann zu viel. Und irgendwann war ich nur genervt. Daran lag's. Und jetzt glaube ich, dass viele andere es vielleicht auch länger mit Tennis ausgehalten hätten, wenn man es denn nicht dauernd und pausenlos präsentiert bekommen hätte. Ist es nicht gerade das Erfolgsrezept vieler langjähriger Beziehungen, dass man sich mal eine Auszeit gönnt und den anderen einfach mal paar Tage nicht mehr sieht? Doch genau so ist es. Und deshalb glaube ich, hätte man Tennis und uns allen einen Gefallen getan, wenn man uns nicht so oft zueinander gebracht hätte. Weniger ist manchmal eben mehr.

Nun ja, ich hab Tennis jedenfalls versprochen, wieder öfter mal hinzuschauen. Nicht so oft wie damals – das klappt ja nicht. Aber eben so dann und wann. Mit einer echten Beziehung wird das nichts mehr. Aber vielleicht mit einer Freundschaft. Wer weiß…
Aufrufe: 5519 | Kommentare: 36 | Bewertungen: 27 | Erstellt:06.07.2009
ø 8.0
tennis  |Becker  |Graf  |80er  |Haas  |Lendl  |McEnroe  |Fernsehen  |Liebe  |Beziehung  |
KOMMENTARE
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gartenzwerg
07.07.2009 | 07:22 Uhr
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07.07.2009 | 07:22 Uhr
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Mensch Voegi, der erste Teil Deines Blogs könnte von mir sein,
habe allerdings die Freundschaft noch nicht wiederentdeckt.
Und wie LWH habe ich es damals auch selbst versucht, wie`s
scheint mit einem ähnlichen Ergebnis.
Schöner Blog
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Büchsenmacher
07.07.2009 | 07:33 Uhr
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Büchsenmacher : Schöner blogg
07.07.2009 | 07:33 Uhr
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Büchsenmacher : Schöner blogg
Dein bisschen Grandslam Tennis schaue ich mir auch
noch an , den Federer sehe eigentlich gerne spielen
Aber der Rest ist eigentlich Einheitsbrei gerade bei den
Sandspielern aus Spanien und Argentinien.
Da schaue ich lieber Woods ,Mickelson usw. zu
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midget
07.07.2009 | 11:52 Uhr
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midget : 
07.07.2009 | 11:52 Uhr
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midget : 
subjektiv für mich ein toller blog, der tollste von dir, weil du von dir erzählst und mir das ganze so bekannt vorkommt ;)

und du schreibst und schreibst und schreibst... einfach schön voegi, danke!
kein satz zu viel, prägnant, zielsicher voll ins schwarze!!!!
und ZACK, zu den favourites ;)
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xxlhonk
07.07.2009 | 13:46 Uhr
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xxlhonk : 
07.07.2009 | 13:46 Uhr
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xxlhonk : 
Mir geht es ähnlich wie Dir.
Bei mir kommt erschwerend hinzu, dass ich jahrelang selber aktiv gespielt habe, um dann fast 10 Jahre lang keinen Schläger in die Hand zu nehmen (beruflich leider kaum Zeit gehabt).
Seit ein paar Wochen spiele ich wieder (regel-)mäßig und weiß selbst nicht so genau, ob ich das gut finde oder nicht.
genauso geht es mir vor dem TV-Gerät.
Da ist es so, dass mir auch etwas der Held fehlt, dem man auf seinen Spuren verfolgen kann.

Außerdem ist das was Du für Dich beschreibst, auch ein Spiegelbild der Medienpräsenz des Tennissports auf den deutschen TV-Stationen.
Man zeigt immer etwas, aber deutlich weniger als früher.
Und das hängt mit der Quote zusammen und die zeigt ebenfalls eindeutig deine Tendenz zur Tennisnutzung.
Also, willkommen in der Mitte unsere Bevölkerung.
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oliver
07.07.2009 | 14:36 Uhr
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oliver : ...
07.07.2009 | 14:36 Uhr
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oliver : ...
wenn deine theorie mit dem abstand stimmt, voegi, dann müsstest du aber auch irgendwann mal von der bundesliga genug haben, oder nicht? ich glaube, der abturn beim tennis lag einzig und allein daran, dass man statt becker, stich und graf plötzlich leute wie kiefer, haas und schüttler ertragen musste.

besonders bei haas werde ich aggressiv. denn tausendmal war es schon ganz! genau! so!: ich: turnier nicht geguckt. haas: super gespielt, favoriten gekickt, ins halbfinale eingezogen. ich: das in der zeitung gelesen, dann doch noch turnier eingeschaltet. haas: grottenschlecht gewesen, rausgeflogen. ich dann: überlegt: wie kam der bitte ins halbfinale? IMMER war es so bei mir und haas. ich schwöre, ich habe den noch niemals live im tv ein match gewinnen sehen. naja.

jedenfalls: ich glaube, es liegt eher an den spielern. erst kam sampras mit seinem monotonen geballer und danach die ganzen leichtathleten wie hewitt und kraftprotze wie safin. tennis zum abgewöhnen. und dann kam endlich wieder einer, der auch wirklich zocken kann. kurzum: federer ist die neue steffi graf!
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xxlhonk
07.07.2009 | 14:44 Uhr
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xxlhonk : 
07.07.2009 | 14:44 Uhr
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xxlhonk : 
@ Oli

Ich würde an Deiner Stelle den Haas mal anmorsen und ihm einen Deal vorschlagen.
Du guckst keines seiner Spiele mehr und bekommst dafür 20% seines Preisgelds.

Und was Steffi äh Roger angeht:
Der Junge ist doch auch schon gefühlte 25 Jahre die Nr. 1 der Welt und zieht auch keine Wurst von irgendeinem Plattenteller. Der hatte doch auch lange Jahre die Ausstrahlung einer Birke.
Schön, dass sie da ist, aber wen interessiert das, außer die Schweizer?
Erst seitdem dieser mallorcinische Muskeldampfhammer dem Federer mal gezeigt hat, wo der Frosch die Locken hat, wurde das Tennis wieder etwas interessanter.
Seitdem kann man sich schon mal fragen, ob es einen anderen Sieger als RF geben könnte...
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EdHardy22
07.07.2009 | 14:51 Uhr
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EdHardy22 : 
07.07.2009 | 14:51 Uhr
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EdHardy22 : 
Ich finde es aber schon schade, dass sich viele nur über den Nationalstolz zu einem Sport hingezogen fühlen.

Hier kann mal den Begriff Erfolgsfan etwas anders betrachten. Oftmals werden beispielsweise Sympathisanten Reals Madrids, die hier in Deutschland leben als solche tituliert. Aber wenn man nicht auf Grund der eigenen Begeisterung, sondern wegen Erfolge nationaler Athleten zu einem Sport findet, dann ist das doch weitaus beschämender könnte man meinen.

Nein, in beiden Fällen ist es nichts verwerfliches. Ich habe nichts dagegen, wenn man sich für Real Madrid begeistert oder einem deutschen Sportler die Daumen drückt.
Ich kann auch verstehen, dass das Interesse mit nationalen Athelten steigt, die zumindest Erfolg in Aussicht stellen.

Dennoch finde ich es schön, dass ein Sport wie Tennis, trotz der Dominanz anderer Nationen im deutschen Bewusstsein wieder vermehrt stattfindet.
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melder
07.07.2009 | 15:25 Uhr
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melder : 
07.07.2009 | 15:25 Uhr
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melder : 
"Pete Sampras. Mit ihm wurde Tennis nur noch gekloppt und nicht mehr gespielt."

Der Einzige, der jemals mit einer vergleichbaren Leichtigkeit wie der eines Roger Federer gespielt hat, wird hier als "Klopper" bezeichnet...

Net dein Ernst , oder?

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oliver
07.07.2009 | 15:57 Uhr
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oliver : ...
07.07.2009 | 15:57 Uhr
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oliver : ...
@melder: ähem, mit verlaub: seit wann schaust du tennis? beim namen sampras fallen mir genau drei worte ein: 1.) aufschlag, 2.) volley, 3.) punkt. zur perfektion getrieben in wimbledon. sieben mal, wenn ich mich recht erinnere. zudem verstehe ich voegis satz auch so, dass ungefähr zur zeit des sampras die zeit der großen klopper begonnen hat. was ja nicht zwingend heißt, dass sampras selbst der größte klopper war...
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Voegi
MODERATOR
07.07.2009 | 17:01 Uhr
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Voegi : 
07.07.2009 | 17:01 Uhr
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Voegi : 
@ melder

natürlich ist das mein ernst. natürlich hat sampras mit absoluter leichtigkeit gespielt. aber war sein spiel deshalb attraktiv? doch wohl kaum. letztlich war das ein ziemlich unansehnliches rumgedresche.


@ oli

natürlich hast du recht, dass das abnehmende interesse auch mit dem rücktzug von boris und steffi zusammen hing. trotzdem bleibe ich dabei, dass der markt einfach übersättigt war, weil die berichterstattung überzogen war. der quervergleich mit fußball taugt da m.e. nicht viel, da die sportart hier einen ganz anderen stellenwert hat. für viele ist fußball ja mehr als nur 90 minuten rumgekicke, für mich auch. und daran kann ich mich so schnell nicht satt sehen.
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