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14.04.2011 um 11:04 Uhr
Halt! Hier kommt Heller (7)
Raus aus dem Urlaub – rein in den Abstiegskampf. Nach wundervollen Tagen auf Ibiza widme ich mich wieder dem Bundesligaalltag. Weg von Sonne, Meer und Beachball hinein ins Stadion, genauer: Die Commerzbank Arena in Frankfurt. Nach der Hinrunde wagte man in der hessischen Metropole mal wieder von Europa zu träumen. Doch kurze Zeit später wurden die Fans der Eintracht mehr als deutlich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Im Klartext: Abstiegskampf! So, jetzt habe ich mich an dieser Stelle auch als SGE-Anhängerin geoutet, in der Hoffnung, dennoch keine mySPOX-User zu vergraulen.

Beim Kellerduell gegen Bremen wurde mir eines mal wieder besonders deutlich bewusst: Ohne den 12. Mann geht es einfach nicht.
Die uneingeschränkte Unterstützung der Fans ist für ein Team unverzichtbar. Das bedarf auch keiner weiteren Ausführung. Die Initialzündung des Fan-Supports, die Stimmungskulisse und im Stadion, ja der Gesang zehntausender Anhänger geht jedoch in den meisten Fällen nur von einem einzelnen Menschen aus.
"Halt! Hier kommt Heller" (7) berichtet von den Menschen, denen die Massen zu Füßen liegen.


Ohne sie wäre alles anders: Keine lauten Gesänge, keine Kampfansagen, keine Motivationschöre, schlicht und einfach keine Stimmung. Gemeint sind natürlich die Anheizer, die Zaunkönige, Capos, Vorsänger, Dirigenten und Anpeitscher der Fan-Masse. Es sind die Menschen, die 90 min. mit dem Rücken zum Spielfeld stehen und ihr Gesicht den Fans im Block zugewandt haben. Es ist der Typus Mensch, dem die Stadionatmosphäre das höchste aller Güter ist, weit entfernt vom kommerziellen und gesellschafspolitischen Anspruch.

Von meinem Platz im Block 35 hatte ich einen fabelhaften Blick auf den Mann mit dem Megafon: Martin S., der Stimmungsmacher der Ultra-Gruppierung sorgt dafür, dass über 50.000 Menschen in der Commerzbank Arena unterhalten werden, das Stadion mit Fanparolen zu beschallen. Gerade in Zeiten des Abstiegskampfes kocht und brodelt es gewaltig im Hexenkessel der Eintracht. Mir fehlten einfach nur die Worte, als ich kurz in mich ging, die Augen schloss und nur der Geräuschkulisse lauschte. Und auf einmal hatte ich viele Fragen: Was treibt diese Initialzünder der Stimmungsmaschinerie an, sich 90 Minuten ausschließlich den Fans und nicht dem Spielgeschehen zu widmen? Was machen Anheizer "im echten Leben"?



Eines stand für mich fest: Ich musste dringend mit Martin S. sprechen. Ich wollte wissen, welche Geschichte sich hinter dem Mann mit dem Megafon verbirgt. Ich bekam einen Insider-Tipp und die Nummer seiner Arbeitsstelle. Vielleicht war es meine weibliche Naivität zu glauben, wie einfach es doch sein würde, mit dem Anheizer eines Stadions zu plaudern. Nur zwei Minuten später wurde ich in die Realität zurückgeworfen. Martin S. stand mir zu keinerlei Auskunft zur Verfügung. "Vergessen Sie es. Ich rede mit keinem von der Presse über unsere Aktivitäten im Stadion." Ich verwies auf meine Sympathie zur Eintracht und auf meinen Respekt gegenüber seinem Tun – doch Fehlanzeige. Das Thema Martin S. und die damit verbundene, vermeintlich heiße Spur entpuppten sich als Sackgasse.

Doch es ging mir nicht nur bei der Eintracht so.Die Anpeitscher der Massen stammen meistens aus den sogenannten Ultra-Gruppierungen der Vereine. Es ist kein Ausnahmefall, dass sie fast nichts über sich und auch nicht über ihre Gruppe preisgeben wollen. Sie verweilen in Schweigen. Das gehört zu ihrem Selbstverständnis. Einblicke in Stadion- und Fanaktivitäten werden vor allem der Presse verwehrt. Man kämpft gemeinsam gegen die Medien und die Kommerzialisierung des Fußballs. Doch gerade durch ihre Anheizer und die Fan-Choreographien, sind die Ultra-Gruppierungen längst selbst zum Teil der Entertainmentmaschinerie der Liga geworden. Gerade durch den immensen Unterhaltungswert, den sie hervorbringen, verschaffen sie dem Verein noch mehr Beachtung und bieten auch den gut zahlenden Gästen in den exklusiven VIP-Logen einmalige Stadion-Erlebnisse.

Es ist das erste Mal, dass ich an die Grenzen meiner Recherchemöglichkeiten stoße, weil ich bei dieser Thematik einer verschlossenen Ultra-Kultur gegenüberstehe, die aber meist für den Mann der Massen verantwortlich ist. Oftmals gelang ich nur über Fan-Foren an Infos über ihre Anpeitscher. Zum Beispiel beim BVB-Podcast, der ein ausführliches Interview über einen der derzeitigen Massen-Dirigenten veröffentlicht hat. Vorsänger Daniel gibt dabei tiefe Einblicke in sein Leben auf dem Zaun. Seit dem BVB-Auswärtsspiel 2006 in Nürnberg peitscht er die Massen an. Der Vorstand von "The Unity", die größte der drei Ultra-Gruppierungen Dortmunds, entschied sich damals für ihn.
"Ich war jemand, der in der Südkurve immer besonders laut und auffällig war."

Sein Vorgänger Wolle gab seinen Job ab, weil er nach dem Weggang seines Mitsängers Rambo, dem Druck der Masse nicht mehr standhalten konnte. Oftmals lastete sich Wolle eine schlechte Stimmung des Blocks selber an. "Wenn die Leute der Tribüne scheiße drauf sind, sind sie scheiße drauf – das kannst du nicht immer ändern. Der Druck in diesem Job ist hoch, aber irgendwann blendet man aus, dass einen alle angaffen," gibt Daniel zu. Die Massen am Toben zu halten, ist nicht immer einfach.

Ein Vorsänger handelt intuitiv und spontan und richtet sich nach keinem konkreten Plan, der lange vor Anpfiff des Spiels parat liegt.
"Wenn es keinen Anpeitscher gibt, passiert so gut wie nichts. Es muss jemanden geben, der den Ton angibt, koordiniert, die Massen mobilisiert und anstachelt", so der BVB-Dirigent.



Einen organisierten Support der Mannschaft gab es zwar schon immer, aber nicht in dieser Weise. In den 80ern wurde oftmals noch anarchisch durcheinander gesungen, ohne Vorsänger. Der Unterhaltungsfaktor im Stadion ist in den letzten 10 Jahren immer wichtiger geworden. Der Wunsch nach einem kombinierten Erlebnis aus Sport, Entertainment und Gladiatorenfeeling ist vor allem für junge Fans von immenser Bedeutung. "Die wenigsten aber wissen, wie anstrengend es ist, über 90 min. mit einem Megaphon auf dem Zaun zu stehen. Man ist nassgeschwitzt und hat danach bösen Muskelkater."

Mein Blog reicht vom Platz her nicht aus, um jedem Anpeitscher der Bundesliga gerecht zu werden. Deshalb schaltet "Halt! Hier kommt Heller" hiermit den ersten offiziellen Aufruf an Euch. Meine Neugier auf andere Dirigenten der Masse ist weiterhin ungebrochen.

Kommentiert, schreibt oder bloggt doch einmal über den "Mann der Massen" eures Vereins. Ich freue mich über viele und informative Beiträge.
Denn eines steht unbestreitbar fest: Für die Stadionatmosphäre sind die Anpeitscher der Fans für immer unverzichtbar geworden.
Aufrufe: 49845 | Kommentare: 71 | Bewertungen: 23 | Erstellt:14.04.2011
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KOMMENTARE
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SGEler11
15.04.2011 | 11:12 Uhr
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SGEler11 : 
15.04.2011 | 11:12 Uhr
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SGEler11 : 
Da schreibt jemand über unseren Maddin und ich krieg es nicht mit.

Zu Ultras kann man sicherlich geteilter Meinung sein, für mich steht aber fest, die meisten leben für den Verein.
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midget
15.04.2011 | 11:13 Uhr
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midget : 
15.04.2011 | 11:13 Uhr
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midget : 
scoob kennt halt nur schwarz oder weiss. meist schwarz. ich plädiere zu schattierungen von grau. denn da liegt die wahrheit und da hat TMV mal recht :)
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La_Pulga
15.04.2011 | 11:15 Uhr
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La_Pulga : 
15.04.2011 | 11:15 Uhr
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La_Pulga : 
Und außerdem @Scoobah: Was sollen sie denn machen?!

Wenn jetzt der Capo von Frankfurt mit Marie geredet hätte oder die Ultras ständig zur Presse laufen würden um zu erzählen was so los ist, dann wären es doch die Leute wie du, die als erstes sagen würden: "Jetzt inszinieren sich diese selbstverliebten wieder selbst..."
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BadBlue
15.04.2011 | 11:18 Uhr
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BadBlue : 
15.04.2011 | 11:18 Uhr
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BadBlue : 
@scoobah
jetzt könnte man auch wieder darüber reden wie man den "normalen" Fan interpretiert...
Aber davon mal abgesehen, klar die Ultras sind anders zu sehen und wollen sich auch irgendwo vom normalen Fan absetzten, was aber nicht heisst diesen nicht ernst zu nehmen oder weniger zu respektieren...
Es gibt schwarze Schafe die sich evtl. auf einer höheren ebene sehen als der allgemein fan, aber solch leute hast du über all, die meisten ultras haben kein problem mit normalo fans, diskriminieren diese nicht oder verunglimpfen sie, die jungs machen einfach ihr ding.

Die Empfindlichkeit mancher Gruppierungen gegenüber den Medien, der Presse oder den allgemeinen Öffentlichkeit zeugt davon, das oft Dinge verdreht wurden wenn mal jemand geredet hat, die Medien berichten meist Einseitig und stürzen sich nur auf negative Vorfälle und schaukeln diese hoch, ich glaube es fehlt einfach das Vertrauen in die Medienwelt und in die breite Öffentlichkeit, daher evtl. diese "Abwehrhaltung".

Die Grenzen zwischen Hools und Ultras sind mMn klar zu erkennen wenn man diese sehen will, Hools und Ultras haben nicht wirklich was miteinander zu tun, reine Hooligans sind sowieso eine Austerbende Art, die vereinzelt nur noch in den unteren Klassen zu finden ist.

Jep du hast recht, man schweift leicht ab bei diesem Thema, es fällt schwer beim eigentlichen Punkt zu bleiben weil sovieles dazu gehört.
Also auf die Frage, "ist die Stimmung mit Einpeitscher besser oder nciht", kann ich schwer objektiv antworten, denn als ich im Stadion war und es noch keine Einpeitscher gegeben hat, war ich einfach noch zu jung damals, ich hab nur den Ball verfolgt als kleiner Bengel, mir fehlt der Einblick in frühere Zeiten, kenne halt nur Erzählungen...



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SGEler11
15.04.2011 | 11:20 Uhr
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SGEler11 : 
15.04.2011 | 11:20 Uhr
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SGEler11 : 
Man muss da mal ganz vorsichtig mit dem Begriff der Ultras sein. Es gibt nich DIE Ultras als eine homogene Masse und erst recht nicht in der Fankurve, die setzt sich meistens auf mehreren Gruppen zusammen.

Die Kritikpunkte an Ultras sind klar. Entweder man wirft ihnen eine Affinität zu Gewalt und rechtem Gedankengut zu oder sie diktieren eben die Stimmung im Stadion.
Hierzu der oft erwähnte blog:
http://www.trainer-baade.de/?p=4883

Ich bin gespaltener Meinung. Gerade heute wäre die Stimmung ohne organiserte Fangruppen um einiges schlechter im Stadion, allerdings gehe ich auch wegen des Fußballs ins Stadion und nicht wegen eines Capos.
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La_Pulga
15.04.2011 | 11:21 Uhr
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La_Pulga : 
15.04.2011 | 11:21 Uhr
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La_Pulga : 
@Scoobaah: Wieso jetzt so sarkastisch?!

Ich hab doch niergendwo gesagt, dass du die jetzt toll finden sollst, hab nur einen Erklärungsansatz gesucht...
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SGEler11
15.04.2011 | 11:41 Uhr
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SGEler11 : 
15.04.2011 | 11:41 Uhr
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SGEler11 : 
Das sind Bilder und Vorurteile, die du da zusammen klebst.
In der Nordwestkurve der Eintracht wird regelmäßig eine Fahne mit dem Abbild von Che Guevara geschwenkt.
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BadBlue
15.04.2011 | 11:52 Uhr
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BadBlue : 
15.04.2011 | 11:52 Uhr
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@scoobah
in der tat halte ich deine Meinung zu dem Thema Ultras für einseitig und irgendwo auch für Stur.
Aber ich akzeptiere deine Meinung.
Mir ist dann immer noch lieber jemand begründet seine Meinung nachvollziehbar anstatt einfach nur Stumpf "dagegen" zu sein.

Ultras sind auf jeden fall Fanatisch, da geb ich dir recht, aber in diesem Fall ist es ein gesunder Fanatismus, der dem Verein, der Atmosphäre und der Stimmung zu Gute kommt, und ausserhalb des Stadions bzw. nach den 90min auch wieder zurückgeht.
Nicht zu vergleichen mit politischem Fanastimus.

Und was die Wesenzüge des Faschismus angeht, die kann ich in vielen Dingen und Verhaltensweisen der Menschen und der Gesellschaft sehen, wenn ich sie sehen will.



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SGEler11
15.04.2011 | 11:58 Uhr
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SGEler11 : 
15.04.2011 | 11:58 Uhr
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SGEler11 : 
Hattest du nicht einen Zusammenhang von Rechten und Ultras hergestellt??

Ich möchte nur sagen, man muss sehr differenzieren, um der Sache gerecht zu werden.

Im Übrigen hat der deutsche Fußball und die Fankultur mit der Entstehung der Ultras keine Zugewinn von Rechten aufzuweisen. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Früher waren rechte Gruppen oft bestimmend in der Kurve. Siehe Hertha oder
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BadBlue
15.04.2011 | 12:15 Uhr
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BadBlue : 
15.04.2011 | 12:15 Uhr
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@sgeler
die wirklich rechten Fussballfans treiben sich hier in Berlin eh ganz woanders rum, weit weg von Liga 1,2 oder 3.
Rechtsradikalismus bzw. Rechtsradikale, oder sagen wir mal "nazis" trieben sich früher in jedem Stadion mehr rum als heute, ich finde auch es gibt einen starken Rückgang dieser Leute, in jedem Stadion Deutschlands, in den 90igern war das noch schlimmer.

Aber so ganz kann ich das nicht beurteilen wie das früher in den Kurven aussah, ich bin einfach noch zu Jung dafür, früher hat mich mein Dad mitgeschleppt, und als Knirps hab ich mich damit nciht befasst, das hat alles erst so angefangen als die Ultra Bewegung schon im Gange war, sodass ich echt schwer was dazu sagen kann wie die "guten alten Zeiten" aussahen ;)

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