Dem geneigten Fernsehzuschauer wird das unsägliche RTL-Format "Die zehn größten..." mit der ebenso unsäglichen Sonja Zietlow bekannt sein. Dort werden so phantasielos wie langweilig regelmäßig Themen wie: "Die zehn größten Erfindungen", "Die zehn größten Großbaustellen" und ähnliches abgefrühstückt. Weil es aber tatsächlich Themen gibt, deren Protagonisten durchaus berechtigten Anlass zu einer solchen Klassifizierung geben, habe ich mich vor einigen Wochen an Fußballfans verschiedener Couleur in meinem Freundeskreis gewandt und sie gebeten, eine Liste der ihrer Ansicht nach zehn gefühlt blindesten Stürmer von 1992 bis heute (die Jahreszahl ergibt sich logischerweise aus dem Durchschnittsalter der Befragten, das etwa bei 25 Jahren liegt) zu erstellen.

"Gefühlt" bedeutet in diesem Fall, wie ungeschickt sich besagte Spieler auf dem Platz anstellen respektive angestellt haben, wieviele Großchancen sie ungenutzt liegen ließen, wie eigensinnig sie sich in ihrer Spielanlage zeigten und selbstverständlich, das ist bei Befragungen nicht zu vermeiden, spielte auch persönliche Antipathie eine Rolle. Die nachfolgende Liste ist also das Produkt der rein subjektiven Eindrücke aus meinem Freundeskreis und erhebt keinen Anspruch, das Evangelium darzustellen.

Daher gehe ich nun ohne weitere Vorrede "in medias res" (okay, doch noch eine Anmerkung: Jedes Mal, wenn ich einen Kommilitonen das sagen höre, habe ich wegen des Verdachts des akuten Selbstprofilierungsversuchs desjenigen das Bedürfnis, ihn zu erwürgen. Aber zurück zum Thema):


Platz 1: Kevin Kuranyi
Wenig überraschend schaffte es der Kevin aus der Nutella-Werbung auf den ersten Platz der größten Blindvögel der letzten 17 Jahre. 12 von 16 Befragten kürten ihn zum Chancentod ihres Vertrauens.

Platz 2: Edmond Kapllani
Der Neu-Augsburger spielte sich in der letzten Saison im Trikot meines KSC unweigerlich in die Herzen sämtlicher KSC-Hasser der Republik und Freunden des gepflegten Verstolperns. Kümmerliche zwei Tore in insgesamt 48 Einsätzen in den vergangenen beiden Saisons machen ihn mit 9 Stimmen zum berechtigten Kronprinzen des schwarzhaarigen Möchtegern-Brasilianers aus dem Pott.

Platz 3: Carsten Jancker / Thomas Brdaric / Nelson Valdez

Ein Triumvirat auf dem dritten Platz auf dem Treppchen. Mit dem Ex-Münchener, -Kaiserslauterer und bald auch Ex-Mattersburger Jancker, der mittlerweile nicht mehr aktiven "Wilden 13" und dem Dortmunder Valdez teilen sich drei Spieler unterschiedlichster Statur und Frisur die Bronzemedaille. Besonders bei Thomas Brdaric fällt die Diskrepanz zwischen erzielten Toren und gefühlter Torungefahr auf. Um das nachzuvollziehen, lasst einfach mal eine der vielen Szenen vor eurem geistigen Auge vorbeiziehen, in denen ein völlig verzweifelter Brdaric hilfesuchend die Arme gen Himmel reckt, nachdem er eine glasklare Chance versemmelt hat.

Platz 4: Mike Hanke

Platz Vier entfällt auf Brdarics ehemaligen Mannschaftskameraden Mike Hanke von Hannover 96. Neben einem astreinen Tor vom Anstoßpunkt gegen Hans-Jörg Buttbuttbutt bleiben insbesondere zahlreiche verballerte Großchancen im Nationaltrikot und Nonsens-Fouls in Erinnerung.

Platz 5: Joshua Kennedy / Alexander Zickler

Den fünften Rang teilen sich Joshua Kennedy, zukünftig in der japanischen Operettenliga aktiv, um dort dringend benötigtes Selbstvertrauen zurückzugewinnen, und Alexander Zickler, der sich mit Treffsicherheit im fußballerischen Äquivalent der Goldenen Himbeere bereits bestens auskennt.

Platz 6: Luca Toni

Und wieder ein schönes Beispiel für den Unterschied zwischen Realität und Perzeption: Seine Tore und die Statistik sprechen eine andere Sprache als die unglückliche Figur, die der in solchen Szenen besonders theatralisch wirkende Italiener in der letzten Saison zumeist abgab. Aber vielleicht lag das ja nur am System Klinsmann - in den Spielen unter Don Jupp konnte man ihn sogar beim Vorlagen geben beobachten!

Platz 7: Marco Streller

Gut, meine Stichprobe mag nicht den "best practices" der Umfrageforschung entsprechen, tummeln sich in meinem Freundeskreis doch bekanntermaßen drei VfB-Fans. Aber deren (aus meiner Sicht völlig unverständlichen, weist er doch mit 12 Toren in 69 Spielen eine deutlich bessere Quote auf als Kapllani) Ärger über den schweizer Bomber katapultierte ihn auf Platz 7 der Rangliste.

Platz 8: Markus Rosenberg

In Bremen meistens zuständig für das wichtige dritte, vierte oder fünfte Tor. Seine ansonsten zelebrierte Harmlosigkeit bemerkten auch einige der befragten Personen und verschafften ihm einen beachtlichen achten Platz. Herzlichen Glückwunsch!

Platz 9: Naohiro Takahara

Der sympathische Quoten-Japaner, der den Verdacht, nur auf dem Platz zu stehen, um die Fanartikelverkäufe im Land der Aufgehenden Sonne anzukurbeln, nie wirklich widerlegen konnte und mittlerweile wieder in der Heimat bei den Urawa Red Diamonds kickt, schaffte es auf Platz 9.

Platz 10: Oliver Bierhoff

Geliebt und gehasst: Der streitbare Nike-Marketingm...DFB-Teammanager, Schütze des Golden Goal von 1996 und Träger der meistshamponierten Frisur der Bundesrepublik, schafft es auf den zehnten Platz. Er hat also dem deutschen Fußball nicht nur in positiver Hinsicht seinen Stempel aufgedrückt.

Ebenso auf dem zehnten Rang und aus Platzgründen nicht ausführlich gewürdigt: Vratislav Lokvenc, Doo-Ri Cha, Jan Schlaudraff, Victor Agali, Oliver Neuville, Ewerthon, Gerald Asamoah, Boubacar Sanogo, Paolo Rink, Fredi Bobic, Benjamin Lauth.


Einmalnennungen:

Je nach Vereinsidentifikation wurden auch noch zahlreiche andere Spieler der Zeit von 1992 bis heute genannt, die nicht jedem eingefallen wären oder ein Begriff sind:
Franca, Tommy Bechmann, Miroslav Klose, Markus Daun, Jürgen Klinsmann, Benjamin Auer, Nico Frommer, Arie van Lent, Daniel Ljuboja, Aleksandr Iashvili, Tore Andre Flo, Adhemar, Sergiu Radu, Emeka Opara, Angelo Vier, Sebastian Freis, Chris Katongo, Roy Makaay, Stefan Kuntz, Ivan Klasnic, Edu, Pavel Kuka, Jürgen Rische, Ciprian Marica.


Erkenntnisse:

Zu den Erkenntnissen dieser kleinen Umfrage gehört sicherlich etwas, das dem einen oder anderen Leser ebenfalls aufgefallen sein wird: Die Liste besteht meistenteils aus noch aktiven Spielern oder solchen, die erst kürzlich ihre Karriere beendet haben. Das Gedächtnis eines Fans bezüglich besonders erbärmlich vergebenen Chancen und den "Schuldigen" ist also kurz - sicherlich auch begründet durch die zahlreichen neuen Chancenmörder, die die Bundesliga jede Saison hervorbringt.
Zudem interessant: Besonders bei Kuranyi (12 Stimmen) und Kapllani (9 Stimmen) waren sich mehr als 50% der Befragten über die Blindheit der Delinquenten einig. Das wiederum lässt mich für meine nächste Umfrage hoffen: Die zehn schlechtesten Nationalspieler von 1994-heute" - demnächst in diesem Theater.