Unerfüllte Erwartungen

War nicht mehr drin für das deutsche Fräuleinwunder?
© getty

In den vergangenen Jahren sprach man viel vom deutschen Fräuleinwunder - das mit Ausnahme von Angelique Kerber die ganz großen Versprechungen bislang nicht erfüllt hat. Sind 2017 die Herren wieder dran?

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Bei den Grand Slam-Turnieren der letzten Jahre gab es fast immer ein krasses Leistungs- und Wahrnehmungsgefälle zwischen den deutschen Herren und Damen. Während in Deutschland, dann aber zunehmend auch in der ganzen Welt, über ein Fräuleinwunder gesprochen wurde, Top Ten-Platzierungen plötzlich nicht mehr Utopie, sondern Realität wurden - und dann auch noch Grand Slam-Siege und der Sturm auf Platz eins der Weltrangliste von Angelique Kerber zu bejubeln war, herrschte bei den Männern überwiegend Tristesse. Was die Chronisten der Szene zu registrieren hatten, waren eher unerfreuliche Episoden - tragikomische Verwicklungen um den Chefposten im Davis Cup, die dauernde Gefahr für die Nationalmannschaft, aus der Weltgruppe abzusteigen und wenig Notierenswertes bei Grand Slam-Wettbewerben. Blitzlichtartige Highlights, wie Dustin Browns Sturz eines gewissen Rafael Nadal in Wimbledon, waren eben genau das - eine schöne Momentaufnahme, aber nichts Nachhaltiges.

Viele Erwartungen nicht eingelöst

Aber wenn nicht alles täuscht, verändert sich die Balance gerade etwas. Beim Blick aufs deutsche Frauentennis darf man ungeschminkt feststellen, dass sich viele Erwartungen nicht eingelöst haben - aus dem Quartett, das einmal für dieses Fräuleinwunder stand, hat sich nur Angelique Kerber wirklich vorne durchgesetzt. Sie hat Andrea Petkovic, Julia Görges und Sabine Lisicki weit abgehängt, was leider zuletzt auch nicht mehr sonderlich schwer war. Petkovic befindet sich trotz aller Lösungsversuche, trotz aller personellen Veränderungen in einem sportlichen Krisenmodus und Jammertal, ungewiß, wie schnell sie da wieder herauskommt.

Sabine Lisicki, die Wimbledon-Finalistin, hält sich in einem sportlichen Niemandsland auf, zuviele Trainerwechsel und noch dazu private Beschwerlichkeiten und Verletzungspech sorgten für einen Sturz in nicht vermutetes Terrain. Schon zu Saisonbeginn 2017 ist sie wieder verletzt, ging in Melbourne gar nicht an den Start. Und Julia Görges, 2011 als Stuttgart-Siegerin die erste aus dieser Generation mit einem bemerkenswerten Sieg, schaffte es trotz aller Potenziale nie in Reichweite etwa eines Grand Slam-Pokalcoups.

Allerdings ist es, verglichen mit ganz düsteren Zeiten im deutschen Frauentennis, ein Klagen auf immer noch hohem Niveau - zumal, wenn man den steten Nachschub von Spielerinnen in die Weltklasse oder sogar Weltspitze betrachtet, ob es sich dabei nun um eine Spätzünderin wie Laura Siegemund oder um Perspektivkräfte wie Carina Witthöft oder Anna-Lena Friedsam handelt. Noch luxuriöser erscheint das Klagen vordergründig, wenn man auf eine Nummer 1 der Weltrangliste schaut, die aus Deutschland kommt - und die Comebackstory von Mona Barthel hinzu nimmt. Doch es bleibt festzuhalten: Viele Spielerinnen mit viel Potenzial lösten nicht ausreichend oft ein, was für sie möglich war - und ist. Auch deshalb blieb bisher der Sieg im Fed Cup aus.

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Was ist drin für die Herren?

In dieser Saison scheint sogar mehr für die deutschen Herren möglich, für die Auswahl von Michael Kohlmann. Mit den Zverev-Brüdern Mischa und Sascha, beide in Melbourne als Phänomen der Open bestaunt, und dazu Routinier Philipp Kohlschreiber und Jan-Lennard Struff sollte die erste Runde gegen Belgien eigentlich überstanden werden. Auch ein weiterer Heimsieg gegen Argentinien im Viertelfinale erscheint nicht außerhalb der Vorstellungskraft. Endlich hat Deutschland ja wieder drei Spieler in den Top 50, Spieler also, die dank dieser Weltranglistenplätze auch permanent bei allen großen Tourwettbewerben in den Hauptfeldern vertreten sind.

Zu den Zverevs und Kohlschreiber könnte Struff durchaus noch hinzukommen, wenn er seine Physis noch gewinnbringender als bisher einsetzen kann. Nun müsste sich noch mehr bei den Spielern aus der Altersgruppe neben und hinter Zverev regen, in ein paar Jahren braucht der hochgehandelte Hamburger nämlich tatkräftige Unterstützung, wenn sich Deutschland noch viel größere Davis Cup-Träume erfüllen will.

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