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Endlich raus aus der Abwärtsspirale

Die Fans der Tennessee Titans haben seit Jahren wenig zu lachen
© getty

Die Jacksonville Jaguars (3-6) empfangen zum Auftakt von Week 11 die Tennessee Titans (2-7). Es ist das Duell zweier Krisenteams der vergangenen Jahre. Bittere Draft-Picks und schlechte Coaches prägten das Bild der Franchises, die so dringend nach Erfolgserlebnissen lechzen. Mit einem Sieg könnten sich beide in der Division aber nochmals zurückmelden. SPOX zeigt die Partie in der Nacht zum Freitag (2.25 Uhr) im LIVESTREAM FOR FREE!

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Rückblick, Week 16 der Vorsaison: Es war ebenfalls ein Donnerstagabend, als die Titans nach Jacksonville reisen mussten. Prime Time, Division-Spiel - und doch dominierte ein ganz anderes Thema die Vorberichterstattung. Spöttisch als "Draft Bowl" bezeichnet, ging es für viele eher darum, wer verliert und sich somit im Draft in eine bessere Position bringt. Eine legitime Frage, immerhin gingen beide Teams mit zwei Siegen in ihr vorletztes Saisonspiel.

Was in anderen Fanlagern und anderen Teams womöglich für Wut und eine "Jetzt-erst-recht!"-Mentalität gesorgt hätte, schien bei den Titans und den Jaguars als eine logische Schlussfolgerung. Immerhin waren beide Teams seit Jahren in den Niederungen der Liga zu finden. Vor allem galt das für die Jags: Jacksonvilles letzte Saison mit einer positiven Bilanz datiert aus dem Jahr 2007, als David Garrard das Team zu elf Siegen führte.

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Die Bilanz über die letzten sieben Jahre: 34 Siege, 78 Niederlagen. Das Negativ-Highlight über diese Zeit war zweifellos der 0-8-Start in die 2013er Saison, als Jacksonville zusammengerechnet bei 86:264 Punkten stand. All das frisch nach einer 2-14-Saison, in der niemand anderes als Mike Mularkey Jacksonvilles Head Coach war - seines Zeichens heute Interimscoach in Tennessee.

"Es war schwer, dort eine neue Mentalität zu installieren. Alles war neu, ein neuer Eigentümer, ein neuer Geschäftsführer, sie wollten in eine andere Richtung gehen. Ich wünschte, wir hätten mehr Zeit bekommen", blickte Mularkey jüngst zurück und gab aber auch zu: "Ich war mir nicht sicher, ob ich noch eine Chance bekommen würde, nach dem was in Jacksonville passiert war."

Die (frühen) goldenen Jahre

Letztmals hatte Jacksonville 2010 mehr als fünf Siege feiern können (8). Es ist eine junge, erst 1995 ins Leben gerufene, Franchise, die in der Kategorie "große Erfolge" noch von ihren Einzügen ins AFC-Championship-Game 1996 und 1999 zehrt. Tom Coughlin führte 1996 ein spannendes Team an, das mit Keenan McCardell und Jimmy Smith zwei 1.000-Yard-Receiver und in Mark Brunell den Top-Passer (4.367 Yards) der Regular Season aufbieten konnte.

Drei Jahre später trugen die Running Backs Fred Taylor und James Stewart sowie Receiver Jimmy Smith die Jaguars zum AFC-Top-Seed, wieder war aber kurz vor dem Super Bowl Schluss. Es war gleichzeitig der Anfang vom (vorläufigen) Ende aller Titel-Träume für die so hoffnungsvoll gestartete Franchise. Als die Erfolge ausblieben, musste Coughlin 2003 gehen und auch die Brunell-Ära ging zu Ende. Es folgte das unvermeidbare Schicksal eines jeden Teams, das keinen zumindest soliden Quarterback hat.

Die durchwachsenen Spielzeiten häuften sich, genauso wie schlechte Draft Picks auf der Suche nach einem neuen QB. Ob der vom Quarterback zum Receiver umgeschulte Matt Jones (2005), Pass-Rusher Derrick Harvey (für den die Jags 2008 per Trade 18 Spots hoch gingen) oder QB Blaine Gabbert (2011): Mehrere Erstrunden-Draft-Picks wurden absolute Busts und hingen wie ein Klotz am Bein der Jaguars.

Zarte Tendenzen nach oben?

So rutschte Jacksonville immer tiefer in die Krise, bis schließlich auch der Eigentümer genug hatte. Wayne Weaver verkaufte das Team 2012 an Shahid Khan. Damit folgte Umbruch auf Umbruch, Konstanz war auf und abseits des Platzes ein Fremdwort. Running Back Maurice Jones-Drew, lange der einzige Lichtblick, ging schließlich ebenfalls nach der 2013er Saison, genau wie der vermeintliche Hoffnungsträger Gabbert. Und zum ersten Mal seit Jahren hat man inzwischen das Gefühl, dass der Weg wieder nach oben geht.

Die Jaguars ernteten viel Kritik, als sie Blake Bortles 2014 in der ersten Runde des Drafts mit dem dritten Pick wählten, doch der Quarterback macht sich ganz langsam auf, Tendenzen eines Franchise-QBs zu zeigen. Mit Allen Robinson und dem aktuell angeschlagenen Allen Hurns hat Jacksonville ein junges und wahnsinnig vielversprechendes Receiver-Duo, dazu kommt der im Frühjahr verpflichtete Tight End Julius Thomas - das Passing Game scheint langfristig gut aufgestellt.

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Im Running Game hat sich in dieser Saison Rookie T.J. Yeldon, den aktuell eine leichte Fußverletzung plagt, etabliert und die Toby-Gerhart-Zeiten der Vorsaison vergessen lassen - mit 4,1 Yards pro Run-Versuch steht Jacksonville in dieser Saison im oberen Mittelfeld. Der Sieg in Baltimore, der erste Auswärtssieg nach 13 Pleiten, gibt zusätzlich Auftrieb. So kündigte Coach Gus Bradley, der vor allem seine Passing Defense dringend in den Griff bekommen muss, an: "Wir wollen hart und schnell spielen. Auch wenn es eine kurze Woche ist, man muss sich selbst treu bleiben."

Mariota freut sich auf "feindliche Atmosphäre"

Ein ähnliches Motto dürfte auch Titans-Quarterback Marcus Mariota aufrufen. Der Rookie hat in drei NFL-Auswärts-Starts zehn Touchdowns und keine Interception auf dem Konto. "Es macht mir Spaß, in einer feindlichen Atmosphäre zu spielen. Jeder Athlet, der sich mit anderen messen will, wird bestätigen: Es macht Spaß, sich auswärts mit den Besten zu messen. Aber ich gehe diese Spiele in keiner Weise anders an", berichtete der zweite Pick des Drafts 2015.

Der 22-jährige Hawaiianer hat Titans-Fans eine neue Quarterback-Hoffnung gegeben, die es in Nashville seit dem kurzen Hoch um Vince Young vor fast zehn Jahren nicht mehr gab. Der zweifache Rose-Bowl-MVP war 2006 als Offensive-Rookie des Jahres ausgezeichnet worden, nur um ein Jahr später einzubrechen und aufgrund schlechter Leistungen und Verletzungspech seinen Stammplatz an Routinier Kerry Collins zu verlieren.

So entwickelte sich auch bei den Titans früh ein Quarterback-Dilemma. Die Franchise war erst 1997 aus Houston nach Nashville gekommen und zwei Jahre später von "Tennessee Oilers" in "Tennessee Titans" umbenannt. Es war ein ähnlicher Weg wie beim 500 Meilen südlich gelegenen AFC-South-Rivalen: Tennessee feierte seine großen Erfolge ebenfalls früh, vor allem die knappe Pleite im Super Bowl gegen die Rams und die "Greatest Show on Turf" um Kurt Warner 1999 sticht heraus.

Doch auch die Titans konnten keinen Nachfolger für ihren QB Steve McNair finden, verzeichneten über die letzten sieben Jahre 51 Siege bei 61 Pleiten und nur zwei Spielzeiten mit positiver Bilanz. Zwischen Young und Collins gab es ein unproduktives Wechselspiel und, genau wie bei den Jaguars, war der Running Back lange der Lichtblick: Chris Johnson blieb im Titans-Trikot nie unter 1.000 Rushing-Yards, am prominentesten war dabei natürlich seine 2.006-Rushing-Yard-Season im Jahr 2009.

Wenig Glück im Draft

Um Johnson herum, der aktuell in Arizona seinen zweiten Frühling erlebt, passte aber schon vor seinem Rauswurf 2013 nur noch wenig. Mit Chris Henry, Andre Woolfolk oder auch Ben Troupe hatte Tennessee bei frühen Picks massive Draft-Busts zu beklagen, keiner war hier aber schmerzhafter als Cornerback und Return-Spezialist Pacman Jones: Nach herausragendem Start in seine NFL-Karriere wurde der Number-8-Overall-Pick 2007 infolge einer Schießerei für ein Jahr gesperrt und nach nur zwei Jahren von den Titans wieder entlassen.

Tennessee hatte zuletzt ebenfalls wenig Glück bei der Trainerwahl. Der in Arizona entlassene Ken Whisenhunt hatte sich als Offensive Coordinator der Chargers wieder einen Namen gemacht, doch obwohl die Cardinals unter ihm in den Super Bowl kamen, umgab ihn ein zweifelhafter Head-Coaching-Ruf. Nach drei Siegen und 20 Pleiten über eineinhalb Jahre musste er schließlich vor einigen Wochen seinen Hut nehmen.

Sein einstiger Cardinals-Quarterback Matt Leinart nahm anschließend kein Blatt vor den Mund und tönte, dass Hall-of-Fame-QB Kurt Warner für Whisenhunts Erfolge in Arizona hauptverantwortlich gewesen sei: "Er hatte in Arizona nur zwei Jahre lang Erfolg, und das war, als Kurt Warner dieses Team angeführt hat - ich war live dabei. An jedem Montag kam Kurt und hat 20 bis 30 neue Spielzüge in den Game Plan integriert. Wir wurden eine Spread-Offense und wir wurden Kurt Warners Offense."

Keine Gedanken an Revanche?

In gewisser Weise ist also Tennessee wieder auf Anfang gestellt, geht doch die Suche nach einem Head Coach nach nur eineinhalb Jahren schon wieder los. Der große Unterschied: Genau wie die Jaguars haben die Titans, bei denen der Schuh auch in der Passing-Defense drückt, mittlerweile einen Quarterback, um welchen man ein Team aufbauen kann.

Zunächst darf sich aber Mularkey, der am Donnerstag neben Cornerback Jason McCourty und Wideout Justin Hunter auch auf Receiver Kendall Wright verzichten muss, beweisen - gegen das Team, das ihn vor einigen Jahren noch gefeuert hatte. Trotzdem gab er sich im Vorfeld alle Mühe, den Fokus auf andere Dinge zu lenken: "Ich will, dass die Jungs das Spiel gewinnen. Das ist mir wichtig. Gegen wen es geht ist mir egal - es geht nur darum, zu gewinnen."

Der Week-10-Hangover: P-R-O-B-L-E-M statt R-E-L-A-X

In der vergangenen Saison gewannen die Jaguars den "Draft Bowl", trotz lediglich 115 Passing-Yards von Bortles, mit 21:13. Tennessee verlor dann auch sein letztes Saisonspiel gegen die Colts - und holte sich mit dem zweiten Pick im Draft Mariota.

Genau wie Bortles in Jacksonville gibt auch Mariota den Titans die Hoffnung, in absehbarer Zeit nicht mehr um Draft Picks, sondern konstant um Playoff-Plätze mitzuspielen. Es wäre der klassische Weg heraus aus der Abwärtsspirale. Der Sieger am Donnerstagabend könnte schon in dieser Saison einen weiteren Schritt machen: Die AFC South bleibt dank schwächelnder Colts und inkonstanter Texans weiterhin offen.

Der Verlierer dagegen müsste wieder einmal viel früher als erhofft in Richtung Draft schauen. Immerhin nicht nach einem Quarterback.

Das SPOX-NFL-Tippspiel, Week 11:

Florian RegelmannStefan PetriAdrian FrankeMarcus BlumbergBastian
Strobl
Titans @JaguarsJaguarsJaguarsJaguarsJaguarsJaguars
Raiders @LionsLionsLionsRaidersLionsRaiders
Colts @FalconsFalconsFalconsFalconsFalconsFalcons
Rams @RavensRavensRamsRamsRavensRams
Buccaneers @EaglesEaglesEaglesEaglesEaglesEagles
Broncos @BearsBearsBearsBroncosBroncosBroncos
Jets @TexansJetsJetsTexansJetsJets
Redskins @PanthersPanthersPanthersPanthersPanthersPanthers
Cowboys @DolphinsCowboysCowboysCowboysCowboysDolphins
Chiefs @ChargersChiefsChiefsChiefsChiefsChiefs
Packers @VikingsVikingsVikingsVikingsPackersVikings

49ers @Seahawks

SeahawksSeahawksSeahawksSeahawksSeahawks
Bengals @CardinalsCardinalsCardinalsCardinalsCardinalsCardinals
Bills @PatriotsPatriotsPatriotsPatriotsPatriotsPatriots
Bye: Browns, Saints, Giants, Steelers
Letzte Woche:4-106-85-9

5-9

4-10
Insgesamt93-5385-6191-5578-68

80-66

Week 11 im Überblick

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