NFL

Von Troublemakern und Musterknaben

Von Adrian Franke / Marcus Blumberg
Wer wird der erste Pick? Winston, Mariota, Williams oder doch Cooper (v.l.n.r.)?
© getty
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Kevin White, WR, West Virginia

Kaum ein Spieler stieg auf sämtlichen Draft Boards in den vergangenen Monaten so rasant wie White. Der Receiver spielte eine Sahnesaison und legte mit sieben aufeinanderfolgenden 100-Yard-Spielen sowie 16 Receptions in einem Spiel (gegen Texas) neue Schulrekorde vor.

Bei der Combine schossen seine Aktien erstmals vermehrt höher als die von WR-Konkurrent Amari Cooper, als White nicht nur bei den Field Drills, sondern auch etwa beim 40-Yard-Sprint mit 4.35 Sekunden für Erstaunen sorgte. Das spiegelt sich in seinem Selbstvertrauen wider: "Amari Cooper ist ein toller Receiver. Aber ich glaube, ich bringe viel mehr mit. Gegner konnten sich viel mehr auf mich konzentrieren."

Stärken: White ist schnell, groß, hat tolle Hände und ist ein starker und williger Run-Blocker - bei der Combine untermauerte er seine Kraft mit 23 Wiederholungen beim Bankdrücken. Der 22-Jährige bringt diese Kraft auf dem Platz, sei es gegen Press Coverage, bei umkämpften Catches oder eben im Run Blocking. White lässt viele Dinge einfach aussehen, arbeitet hart und gewissenhaft.

Schwächen: Bedingt durch seinen rasanten Aufstieg hatte White nur ein wirklich spektakuläres Jahr in West Virginia (109 Catches, 1.447 YDS, 10 TDs). Fragen nach der Konstanz bleiben also. Darüber hinaus muss er an seinem "Route Tree" noch arbeiten, ebenfalls eine Konsequenz aus der steilen Karriere. Im offenen Feld ist er zudem nicht der beweglichste Receiver.

Brandon Scherff, OG, Iowa

Scherff ist in seinem Heimatstaat Iowa eine Legende. Er spielte in der High School Football, Basketball, Tennis und Baseball - und war als 120 Kilo schwerer Quarterback des Teams einen Kopf größer als seine Mitschüler. Scherff verzeichnete einmal 20 Rebounds in einem Basketballspiel, brillierte im Baseball und spielte neben Quarterback auch Defensive Tackle und Tight End. Kurzum: Ein athletischer Tausendsassa. Scherff grinste selbst: "Ich würde mich als ganz guten Athleten bezeichnen."

Stärken: Der 23-Jährige ist unfassbar stark. Im Fitnessstudio ein absoluter Star, bringt Scherff diese Kraft aber auch auf den Platz: Mit seiner Power war er auch im College physisch unglaublich dominant. Scherff verfügt über großen Siegeswillen und ist ein leidenschaftlicher Wettkämpfer. Doch es sind nicht nur die rein physischen Merkmale, die Scherff zu einem Top-Prospect machen. Auch technisch ist der Bilderbuch-Run-Blocker schon sehr weit und verfügt über sensationelle Kraft in Hüften und Beinen.

Schwächen: Scherff hat, gemessen für einen Left Tackle, wo er im College herausragte, relativ kurze Arme. Das könnte dazu führen, dass er als Guard gedraftet wird und zum Einsatz kommt. Auch hier kam er im College aber schon zum Einsatz. Manchmal verlässt er sich zu stark auf seine Stärke und an seiner Pass Protection kann er noch arbeiten. Und er ist verletzungsanfällig: Ein schwerer Beinbruch gepaart mit einer Knöchelverletzung 2012 sowie ein Meniskusriss 2014 liegen zudem bereits hinter ihm.

Vic Beasley, OLB, Clemson

Ein Spieler, an dem sich die Experten besonders scheiden, ist Vic Beasley. Der Soziologie-Student entschied sich 2014 gegen den NFL-Draft und machte stattdessen lieber seinen Abschluss. Sportlich gesehen brachte ihm dies den Schulrekord für Sacks ein, dazu den Titel ACC Defensive Player of the Year - ein Award, den 2013 übrigens schon Björn Werner (Florida State) gewonnen hat. Wurde er 2014 noch als Zweitrundenpick prognostiziert, sollte es dieses Mal für die erste Runde reichen.

Stärken: Rein körperlich gibt es an Beasley nichts auszusetzen. Für einen 3-4-Outside-Linebacker hat er die richtige Größe, das passende Gewicht. Er ist genauso groß wie Von Miller, übertraf diesen aber in der Combine bei der 40-Zeit, sowie in beiden Sprung-Kategorien. Er ist ein astreiner Pass-Rusher und sehr robust, so verpasste er keines der 26 Spiele für Clemson in den letzten beiden Jahren.

Schwächen: Im direkten Duell mit Blockern hat er mitunter Probleme, wenn er nicht gerade mit seiner Geschwindigkeit an ihnen vorbei kommt. Gerade gegen O-Liner sieht er aufgrund einer nicht so ausgeprägten Basis meist nicht gut aus. Gegen Tight Ends hingegen kommt er meist besser durch. Was er auch noch verbessern muss, ist sein Tackling. Gegen ballführende Spieler verpasst er zu oft den Tackle. Hinzu kommt, dass er bisher 5-Technique gespielt hat und eine Umfunktionierung zum stehenden Linebacker sehr vielen Spielern schwerfällt.

Shane Ray, OLB, Missouri

Der SEC Defensive Player of the Year spielte 2014 seine beste College-Saison. Er brach den Schulrekord mit 14 ½ Sacks, den zuvor Michael Sam und Aldon Smith gehalten hatten. Shane ist der Sohn von Wendell Ray, der ebenfalls für Mizzou spielte und ein Fünftrundenpick der Minnesota Vikings 1981 war.

Stärken: Ray hat gute Instinkte und lässt sich selten von Screens überraschen. Zudem geht er erbarmungslos auf die Jagd nach dem Ballführenden. Er verfügt über starke Hände, mit denen er schwer abzuschütteln ist, wenn er erst einmal sein Ziel umklammert hat.

Schwächen: Er ist vielleicht etwas zu klein und zu schmächtig, um Defensive End zu spielen. Daher wird er als 3-4-Outside-Linebacker sein Glück versuchen, was die bekannt schwierige Umstellung nach sich zieht. Das führt auch dazu, dass er gegen die größeren O-Liner so seine Probleme bekommt. Ein weiteres Problem ist die Zehenverletzung, die ihn derzeit vom Training abhält. Dadurch verpasste er schon den Sportteil der Combine.

Todd Gurley, RB, Georgia

Gurley ist das vielleicht größte Talent überhaupt im diesjährigen Draft. Der Running Back ließ im College Defenses in der starken SEC teilweise wie kleine Kinder aussehen. Seine Leistung gegen Clemson war schlicht unfassbar. Gurley ist die Art Spieler, die es nicht jedes Jahr gibt. Obwohl die RB-Position über die vergangenen Draft-Jahre an Wert verloren hat (seit zwei Jahren gab es keinen Running Back in der ersten Runde), wäre er ein starker Top-10-Kandidat - hätte er sich nicht Mitte November das Kreuzband gerissen. Doch Gurley stellte klar: "Ich bin nicht hier, um als Fünfter oder in der zweiten Runde zu gehen. Ich will der Beste werden." Der Medizincheck am Wochenende verlief gut, er könnte angeblich im Training Camp seines Teams mit von der Partie sein.

Stärken: Gurley liest Line und Blocks gut, ist unglaublich dynamisch, stark und schwer zu tackeln. Vergleiche zu Marshawn Lynch und Adrian Peterson wurden schon häufig bemüht. Gurley unterliefen bei 510 Carries nur drei Fumbles und er beendete seine College-Karriere mit 6,4 Yards pro Versuch und 36 TDs. Auch als Pass-Protector ist er stark. In Georgia hat er das komplette Run-Spektrum leisten müssen, der 20-Jährige ist explosiv und beweglich - schlicht ein kompletter Spieler.

Schwächen: Auch wenn die medizinischen Checks kurz vor dem Draft die erhoffte gute Nachricht brachten, ist das große Fragezeichen die Gesundheit - immerhin plagte Gurley 2013 vor seinem Kreuzbandriss auch schon eine Knöchelverletzung. Wenn man darüber hinaus streng sein will, kann man noch anbringen, dass er manchmal aufgrund seiner Größe zu aufrecht läuft - allerdings ist das Klagen auf sehr hohem Niveau.

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