NBA

Die Mavs stehen am Abgrund

Von Florian Regelmann
George Hill machte das Spiel seines Lebens und führte die Spurs zum dritten Sieg gegen Dallas
© Getty

Die Dallas Mavericks verlieren Spiel 4 bei den San Antonio Spurs knapp mit 89:92 und geraten damit in der Best-of-seven-Serie fast schon aussichtslos mit 1-3 in Rückstand. Besonders frustrierend: Dallas hat das Spiel in der ersten Hälfte im Griff, leistet sich dann aber ein katastrophales drittes Viertel. Dirk Nowitzki wird von San Antonio aus dem Spiel genommen - bei den Spurs dreht ein Nebendarsteller ganz groß auf. San Antonio hat in der Nacht zum Mittwoch in Dallas den ersten von drei Matchbällen - die Mavs stehen ganz dicht vor einem enttäuschenden Erstrunden-Aus.

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Nach den beiden Niederlagen in Spiel 2 und 3 und vor allem aufgrund der Art und Weise, wie sie zustande kamen, bewegten sich die Dallas Mavericks schon bedenklich in Richtung Abgrund. Jetzt haben sie noch einen weiteren Schritt in Richtung totales Playoff-Desaster gemacht.

Es droht das ganz frühe Playoff-Aus. Ein Playoff-Aus, das mit Sicherheit weitreichende Konsequenzen zufolge haben würde.

Die Mavs flüchteten sich nach der Pleite in Galgenhumor: "Noch ist nichts verloren. Solange die fette Dame nicht singt, ist es nicht vorbei. Ich sehe aber noch keine fette Dame, deshalb passt es", sagte Shawn Marion. Jason Kidd verkündete: "Wie heißt es so schön? 'Wer verliert, geht fischen". Nun ja: Ich besitze weder ein Boot noch bin ich bereit dafür."

Kidd: "Wir können das schaffen"

Kidd weiter: "Es ist frustrierend, aber es hat auch seine guten Seiten. Wenn du mit dem Rücken zur Wand stehst, entdeckst du deinen wahren Charakter. Nicht nur als Einzelner, sondern auch als Team. Ich weiß, welche Qualitäten wir haben und was wir tun müssen, um das Ding zu drehen. Es wird nicht einfach, aber ich bin mir sicher, dass wir es schaffen können."

Die Geschichte ist umso ärgerlicher, da die Mavs in Spiel 4 eine goldene Gelegenheit vergaben, in die Serie zurückzukommen und das Momentum wieder auf ihre Seite zu kehren.

Dabei sah es erst mal gar nicht so schlecht aus, was Dirk Nowitzki und Co. anboten. Eine der absoluten Hauptmaximen vor dem Spiel im Lager der Mavs hieß: endlich mal einen guten Start erwischen. Das gelang im AT&T Center dann zwar nur bedingt, aber es gelang.

Obwohl die Mavs zu Beginn eiskalt waren und vor allem Caron Butler mit vielen vergebenen Würfen genauso unglücklich weitermachte wie bisher, lag Dallas nach einem Dreier von Kidd nach fünf Minuten nur mit 7:8 in Rückstand.

Dallas übernimmt im zweiten Viertel die Kontrolle

Nach einem im weiteren Verlauf des ersten Viertels ausgeglichenen Spiel führte San Antonio nach zwölf Minuten mit drei Punkten Vorsprung (20:17), es war aber schon jetzt deutlich zu sehen, dass es bei den Spurs in der Offense nicht so recht laufen wollte.

Im zweiten Viertel folgte dann auch ein Einbruch der Spurs, den die Mavs perfekt ausnutzten. Dallas startete einen 26:10-Run und übernahm die Kontrolle über das Spiel (43:30). Carlisle fand mit einer Lineup um Nowitzki, Shawn Marion, Jason Terry, Jason Kidd und Brendan Haywood genau die richtige Mischung, um San Antonio vor arge Probleme zu stellen.

12 Punkte von Marion, 10 Punkte von einem sehr effektiven Nowitzki (3/4), dazu 8 von J.J. Barea und je 6 von Butler, Haywood und Kidd (2/4 Dreier) - Dallas trat als Team so gut auf, dass es sogar eine 0-Punkte-Halbzeit von Terry verschmerzen konnte. Dieser hatte sich im zweiten Viertel noch am Knöchel verletzt und musste vorübergehend in die Kabine. Die Mavs führten zur Pause dennoch souverän mit elf Punkten Vorsprung (48:37).

Spurs vs. Mavericks: Die Highlights des Spiels im Video bei ESPN

Duncans miserabler Geburtstag

Der Vorsprung wäre sogar noch viel größer gewesen, wenn George Hill (13 Punkte, 3/3 Dreier) San Antonio nicht alleine einigermaßen im Spiel gehalten hätte. Denn von den großen Spurs-Stars kam absolut nichts.

Tim Duncan, der die Mavs in der Serie bislang so dominiert hatte, stand zur Halbzeit bei 0 Punkten. 0/7 aus dem Feld, 0/2 von der Linie - katastrophal schlecht. Und das an seinem 34. Geburtstag.

Manu Ginobili (2/8, 4 Punkte), der trotz seines Nasenbeinbruchs auf eine Maske verzichtete und stattdessen nur eine Bandage trug, fand ebenfalls nicht ins Spiel - und auch Tony Parker war kein großer Faktor. Dallas war in allen Belangen die bessere Mannschaft in einer ersten Hälfte, die kaum hätte besser laufen können.

Nun war nicht davon auszugehen, dass San Antonio nicht noch einmal alles geben würde, um in die Partie zurückzukommen, aber wie die Spurs Dallas dann im dritten Viertel vorführen sollten, war dann doch bemerkenswert. Und erschütternd für alle Mavs-Fans.

George Hill on fire

Denn es war nicht Duncan, der jetzt plötzlich aufwachte. Es waren auch nicht Ginobili oder Parker, die heiß liefen. Die Spurs brauchten ihre Big Three gar nicht im großen Umfang, um Dallas zu killen. Sie brauchten nur eine kleine Dosis Antonio McDyess und eine riesengroße Dosis George Hill.

Es war die große Hill-Show im dritten Viertel, die dem Spiel die entscheidende Wende gab. Hill traf einen Jumper nach dem anderen, von Downtown war der Guard praktisch unstoppable. Die Mavs, die mit 14 Punkten geführt hatten (51:37), blieben eine gefühlte Ewigkeit ohne Punkt.

Das Ergebnis war ein Viertel, das mit sage und schreibe 29:11 an die Spurs ging. San Antonio hatte aus einem 11-Punkte-Rückstand vor dem Schlussviertel eine 7-Punkte-Führung gemacht (66:59).

Und die Mavs? Die wussten nicht so recht, wie ihnen geschah. Nowitzki wurde konstant gedoppelt und so phasenweise komplett aus dem Spiel genommen. Dallas brachte seinen deutschen Superstar über elendig lange Strecken nicht in eine einzige vernünftige Wurfposition, so dass Nowitzkis Wurfversuche für das ganze Spiel - unfassbarerweise - weiter an einer Hand abzuzählen waren und sein Frust immer mehr stieg. Ein Frust, der sich zwischendurch auch in einem technischen Foul entladen musste.

Najera fliegt raus

Von seinen Teamkollegen, die in Hälfte eins noch sehr passabel gespielt hatten, kam wie schon befürchtet jetzt nicht mehr viel Produktives. In den letzten acht Minuten des dritten Viertels traf Dallas kein einziges Field Goal (elf Fahrkarten in Serie). Dafür leisteten sich die Mavs wieder viel zu viele unverständliche Ballverluste. Selbst einfache Einwürfe wurden zu einem großen Drama.

Genauso unverständlich waren dann erneut die Entscheidungen Carlisles. Während die Spurs auf ihren Rookie setzten und von DeJuan Blair dafür mit einer guten Leistung (7 Punkte, 7 Rebounds) belohnt wurden, bekam Roddy Beaubois nicht eine einzige Sekunde Einsatzzeit.

Dafür schickte er Eduardo Najera aufs Feld, der nach einem unsportlichen Foul an Ginobili sofort ejectet wurde. Ein erboster Spurs-Coach Gregg Popovich musste von seinen Assistenten zurückgehalten werden. Kurz zuvor waren schon Terry und Richard Jefferson aneinander geraten, es war jetzt richtig hitzig.

Mavs fighten stark zurück

Trotz aller Unzulänglichkeiten muss man den Mavs zu Gute halten, dass sie im letzten Viertel noch einmal alles gaben und sich nie abschütteln ließen. War der Rückstand zwischenzeitlich auf neun Punkte angewachsen, kam Dallas, das es nun mit Small Ball versuchte, dank des endlich präsenten Terry und dank eines schönen Dreipunktspiels von Nowitzki wieder heran (69:72).

Dass San Antonio überhaupt vorne lag, war in Anbetracht der furchtbaren Quote der Big Three (6/28) fast nicht zu glauben, aber auch in dieser Phase war wieder auf Hill Verlass. Ein Dreier aus der Ecke, ein weiterer Jumper von der anderen Seite - schon waren die Spurs sechseinhalb Minuten vor dem Ende wieder auf zehn Punkte weg (81:71).

Doch die Mavs kamen mit einem starken 13:2-Run noch einmal zurück (84:86), ehe Ginobili einen eminent wichtigen Dreier traf. Aber auch Terry war nun heiß. Als er 57 Sekunden vor dem Buzzer nach einem guten Pass von Nowitzki seinen nächsten Dreier verwandelte, hatte Dallas wieder bis auf zwei Punkte verkürzt (87:89).

Nur acht Teams haben ein 1-3 gedreht

Ginobili baute die Führung für die Spurs von der Linie wieder aus - und dann vergaben Nowitzki und Kidd die letzten Chancen, um der Partie noch eine Wende zu geben. 17 Punkte (4/10, 9/9 von der Linie), 11 Rebounds und 4 Assists standen letztlich in 43 Minuten Spielzeit für Nowitzki zu Buche. Ihm einen Vorwurf zu machen, auch wenn er nicht einmal halb so viele Zähler machte wie in Spiel 3, wäre falsch.

Hätte er jemanden wie Hill (29 Punkte, 11/16, 5/6 Dreier) an seiner Seite gehabt, hätte der Sieger Dallas geheißen. Man muss es sich mal vorstellen: Die Spurs gewinnen, obwohl Duncan (1/9, 4 Punkte), Parker (4/9, 10 Punkte) und Ginobili (4/16, 17 Punkte, 7 Assists) zusammen eine Trefferquote von 26,5 Prozent haben.

"Wenn man mir vor dem Spiel gesagt hätte, dass wir die Big Three bei solchen Stats halten, hätte ich gedacht, dass wir gewinnen", sagte Nowitzki.

Wenn die Mavs San Antonio also nicht mal schlagen können, wenn deren Stars solche Zahlen abliefern, wann wollen sie sie denn schlagen? So bleibt die bittere Erkenntnis, dass das dritte Erstrunden-Aus der Mavs in den letzten vier Jahren kaum noch abzuwenden ist. Nur acht Teams haben in der Geschichte ein 1-3 noch gedreht. Um es vorsichtig auszudrücken: Es spricht nicht mehr viel für Dallas.

"Ich will nicht lügen, es ist eine harte Situation. Wir hätten Spiel 2 zu Hause gewinnen müssen und eines der beiden Spiele hier auch. Aber das haben wir nicht geschafft und das ist frustrierend. Aber wir müssen weiterkämpfen, bis es vorbei ist", meinte Nowitzki.

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