NBA

Ein klassischer Fall von vercoacht

Von Philipp Dornhegge
Tim Duncan, George Hill und Tony Parker spielten mit den Mavericks zum Teil Katz und Maus
© Getty

Die Mavericks verlieren in der ersten Playoff-Runde gegen San Antonio Spiel drei mit 90:94. Ein überragender Dirk Nowitzki und zwei starke Reservisten waren nicht genug.

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Nach drei Spielen der ersten Playoff-Runde stehen die Dallas Mavericks mit dem Rücken zur Wand. Die 90:94-Niederlage bei den San Antonio Spurs bedeutet, dass das Team von Dirk Nowitzki nun in der Best-of-Seven-Serie mit 1:2 zurückliegt und im nächsten Auswärtsspiel schon zum Siegen verdammt ist, will man nicht nahezu aussichtslos ins Hintertreffen geraten.

Die dritte Partie war in vielerlei Hinsicht eine schmerzhafte Angelegenheit: Für Nowitzki, weil der Deutsche über die gesamte Partie von seinen Verteidigern regelrecht verprügelt wurde. Für Manu Ginobili (15 Punkte), weil der Argentinier im dritten Viertel Bekanntschaft mit Nowitzkis Ellenbogen machte und sich die Nase brach.

Doch die meisten Schmerzen mussten die Fans der Dallas Mavericks aushalten. Weil bis auf den Superstar sowie die beiden Reservisten Jason Terry und J.J. Barea jeder enttäuschte - und Rick Carlisle dabei keine Ausnahme bildete.

Der Coach managte die Minuten seiner Spieler sehr unglücklich und beging einen schweren Fehler, der drastische Konsequenzen haben sollte. Doch dazu später mehr.

Schlechter Start für Dallas

Zunächst einmal blieb fest zu halten, dass man zwar nach dem enttäuschenden zweiten Spiel eine angemessene Reaktion im dritten erwarten durfte. Aber es ging schon wieder schlecht los für die Mavs: Dallas gelangen zwar die ersten zwei Körbe, aber danach machten die Spurs erstmal dicht.

Einen 0:10-Lauf später war Carlisle gezwungen, die erste Auszeit zu nehmen. Doch auch in der Folge gelang den Gästen fast nichts. Bis auf sechs Punkte von Dirk Nowitzki blieben die Mavs insgesamt siebeneinhalb Minuten ohne Korberfolg, stattdessen verbuchten sie einige zum Teil haarsträubende Turnovers.

Mitte des Viertels brachte der Coach endlich den Mann, auf den die Mavs-Fans seit zwei Spielen warteten: Rodrigue Beaubois betrat erstmals in der Serie das Feld und sollte gemeinsam mit Jason Kidd und Jason Terry Small Ball spielen.

Aber was diese Maßnahme bewirkte, war vor allem, dass die Spurs jetzt Größenvorteile hatten, die sie im Duell Terry gegen George Hill (17) effektiv ausnutzten.

Duncan und Parker nicht zu halten

Dazu war neben Tim Duncan (25), der gleich da weiter machte, wo er in Spiel zwei aufgehört hatte, auch Tony Parker (23) nicht in den Griff zu kriegen. Der Franzose war für jeden Verteidiger, der sich an ihm versuchte, einfach zu schnell, sodass er zu reihenweise einfachen Punkten kam.

Das ist nach etlichen Jahren, in denen die Mavs immer wieder überhaupt nicht mit Parker klar kamen, natürlich keine Überraschung. Aber das Dallas es mit Team Defense nicht schafft, dass er zumindest hart für seine Punkte arbeiten muss, ist trotzdem traurig.

Beaubois dagegen war überhaupt kein Faktor, sodass die Spurs einen souveränen 23:16-Vorsprung in die erste Viertelpause mitnahmen. Erst als die Zeit der Reservisten, die der Beginn des zweiten Viertels traditionell darstellt, anbrach, kam Dallas stärker auf.

Marion komplettierte die zweite Garde der Gäste und endlich, eigentlich zum ersten Mal in dieser Serie, trat The Matrix aggressiv auf und erarbeitete sich eigene Würfe. Die Mavs kämpften sich so in die Partie zurück und waren bald wieder voll da. Verloren war ja noch nichts.

Spurs vs. Mavericks: Die Highlights des Spiels im Video bei ESPN

Barea bringt die Mavs auf Kurs

Nach einer fünfminütigen Verschnaufpause kam Nowitzki in die Partie zurück, Dallas war nur vier Punkte hinten - die Situation war günstig. Aber mit fünf Fouls in den ersten sechs Minuten bekamen die Mavs gleich das nächste Problem, denn für den Rest der Halbzeit sollte San Antonio Freiwürfe schießen.

Das wussten die Hausherren natürlich auch und versuchten immer wieder erfolgreich, an die Linie zu kommen. Auch in dieser Hinsicht taten sich besonders Duncan und Parker hervor. Auf der anderen Seite kamen in dieser Phase nur von Barea Punkte.

Aber der machte wirklich einen vorzüglichen Job, und kurz vor der Halbzeit verkürzte er mit einem Dreier auf 44:47. 20 Punkte von den Bankspielern waren der Hauptgrund, warum die Gäste weiterhin alle Chancen auf den Sieg hatten. Dennoch: San Antonio führte und das, obwohl Ginobili und Richard Jefferson (6) bislang zusammen erst sechs Punkte markiert hatten.

Gebrochene Nase bei Ginobili

In der zweiten Hälfte ging es dann auf und ab. Mal war Dallas drauf und dran, die Spurs einzuholen, dann zogen die Hausherren wieder auf einige Punkte davon. Bis es zum erwähnten Zwischenfall zwischen Nowitzki und Ginobili kam.

Da sich inzwischen die Befürchtungen der Spurs bestätigten, dass der Shooting Guard tatsächlich eine gebrochene Nase davon trug, könnte das den Ausgang dieser Serie noch entscheidend beeinflussen. Zunächst schien die Verletzung sogar schon in diesem Spiel ihre Auswirkungen zu haben.

Denn Ginobilis Abwesenheit schien die Spurs zu lähmen, die Mavs dagegen zu beflügeln. Nowitzki und der inzwischen überragende Barea starteten einen Dallas-Run, und viereinhalb Minuten vor dem Ende des dritten Viertels übernahmen die Gäste erstmals nach langer Zeit die Führung.

Die Mavs nahmen ein 70:66 mit in die dritte Pause und strotzten plötzlich vor Selbstvertrauen, San Antonio war komplett konsterniert. Auch die Fans im AT&T Center waren geschockt.

Carlisle setzt Nowitzki auf die Bank

Carlisle dachte offenbar, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen sei, um Nowitzki eine kurze Pause zu gönnen. Er sollte falsch liegen. Mit Verlaub: Es war offensichtlich, dass Dallas das Momentum zu Beginn des Schlussabschnitts hätte nutzen müssen, um beim Gegner gar nicht erst wieder Hoffnung aufkeimen zu lassen.

Ohne ihren Superstar kam den Mavs dagegen sofort der Rhythmus abhanden, die Spurs nutzten das eiskalt aus: Ausgerechnet Ginobili, der sich einer näheren Untersuchung entzogen hatte und vor den Ärzten geflüchtet war, um weiter zu spielen, zog ein ums andere Mal zum Korb und schreckte auch vor den vermeintlichen Shotblockern Erick Dampier und Brendan Haywood nicht zurück.

Schnell musste Carlisle seinen Fehler einsehen, er brachte Nowitzki zurück. Da war San Antonio aber schon wieder vorn, die Fans waren wieder da und die Mavs liefen einem knappen Rückstand hinterher.

Nowitzki, immer wieder Nowitzki, hielt sein Team zwar im Spiel, aber am Ende musste man feststellen, dass er einfach nicht genug Hilfe bekam. Außer Barea und Terry punktete kein Spieler zweistellig. "Wir haben zu viele Chancen liegen gelassen", redete sich Terry in Rage. "Ein Meisterschaftsfavorit bringt eine Führung, wie wir sie gegen Ende hatten nach Hause."

Butler in Halbzeit zwei nur auf der Bank

Daran trug ein Mann wie Caron Butler aber nur bedingt selbst Schuld, denn wenn man einem ehemaligen All Star nicht eine einzige Einsatzminute in der zweiten Hälfte gibt, dann muss die Frage nach dem Warum erlaubt sein.

Klar, Barea und Terry waren stark und rechtfertigten die meisten ihrer Einsatzminuten. Aber auch Kidd kam auf 45 Minuten Spielzeit und das, obwohl er zahlreiche gute Würfe verweigerte und so die Mavs-Offense immer wieder ins Schwimmen brachte.

So mag es vielleicht auch an der Müdigkeit der Guards gelegen haben, dass sie in der Crunch Time selbst beste Wurfchancen nicht verwerten konnten.

"Wir haben halt die Leute spielen lassen, bei denen es lief", sagte Nowitzki zwar. Doch auch er musste letztlich eingestehen: "Das hat eine Weile gut funktioniert, aber vielleicht hatten wir am Ende nicht mehr die nötige Power."

Popovich sticht Carlisle aus

Gregg Popovich bewies in diesem Spiel einmal mehr, dass er seinem Gegenüber noch einiges voraus hat. Die Spurs hatten zu jeder Phase des Spiels wenigstens einen Scorer auf dem Platz, sei es Duncan, Parker oder Ginobili, und so hatten sie am Ende noch genügend Energie und Nervenstärke, um eine Reihe von Freiwürfen zu versenken und den Sieg perfekt zu machen.

Bei den Mavericks müssten nach dieser Pleite die Alarmglocken schrillen. Der 1:2-Rückstand in der Serie ist die eine Sache, aber dass von Butler und Marion gar nichts kommt und Carlisle, so hatte es phasenweise den Anschein, jegliches Vertrauen in die beiden verloren hat, ist eine Katastrophe.

Beide sind derzeit Spieler mit All-Star-Fähigkeiten, aber D-League-Leistungen. Wenn sich das nicht schnell ändert, hat Dallas keine Chance aufs Weiterkommen. Da kann Nowitzki noch so gut spielen.

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