NBA

Freshmen mit Vorgeschichte

Von David Digili
Vom Spieler zum Trainer: Nicht nur Jason Kidd (l.) und Mike Woodson (r.) verbindet der gemeinsame Karriereverlauf
© getty

Gerade noch am Ball, jetzt schon auf der Trainerbank: Jason Kidd ist das aktuellste Beispiel von nahtlosen Übergängen zwischen Spieler- und Coachingkarrieren. Viele große Namen haben sich bereits als Übungsleiter versucht - nicht alle konnten an die Erfolge ihrer aktiven Laufbahn anknüpfen. SPOX erinnert an die bekanntesten Fälle, von Bill Russell über Don Nelson bis Doc Rivers.

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"Jason Kidd's Jersey Retirement" wurde Anfang Oktober tagelang in großen Lettern auf der Homepage der Brooklyn Nets angepriesen. Kein Wunder: Der Point Guard steht für die mit Abstand erfolgreichste Zeit des Teams, führte die einstige graue Maus kurz nach der Jahrtausendwende gleich zwei Mal in die NBA Finals.

Dass das Leibchen mit der Nummer 5 nun also unter der Hallendecke des Barclays Center hängt, steht für die Wertschätzung, die der Playmaker-Grande noch heute entgegengebracht wird - wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen: Die Nets sind aus der Verbannung in New Jersey mittlerweile zurück in New York, spielen in einem wahren Palast - und die Erwartungen sind höher denn je. Umso passender, dass nun Kidd an der Seitenlinie seines alten Teams steht.

Kidd: "Habe über die Jahre viele Notizen gemacht"

Die Offseason war spektakulär, für den neuen starken Mann bisweilen auch turbulent. "Ich habe keine brandneuen Tricks und Kniffe", erklärte der 40-Jährige vorab schon in Interviews, "aber ich habe mir über die letzten Jahre viele Notizen gemacht - die richtige Wahl von Timeouts, Wechselmuster, wie man das Vertrauen der Spieler gewinnt. Das war und ist mir enorm hilfreich, die Philosophie eines Trainers zu verstehen und eine eigene zu entwickeln."

Indes ist Kidd nicht der erste, der quasi direkt vom Parkett auf die Trainerbank wechselt: Die Geschichte mehr oder weniger hoch dekorierter NBA-Stars, die fast umgehend den Schritt an die Seitenlinie gewagt haben, ist lang - und nicht immer von überwältigendem Erfolg gekrönt. SPOX hat zehn populäre Beispiele zusammengetragen:

George Mikan

Stationen als Spieler: Chicago American Gears (NBL, 1946/47), Minneapolis Lakers (1947-54, '56)

Stats: 23,1 Punkte, 9,5 Rebounds, 2,8 Assists pro Spiel

Erfolge: 7x Champion, MVP 1948, Rookie of the Year 1946, 4x All-Star, Hall of Fame 1959

Station als Trainer: Minneapolis Lakers (1957/58)

Bilanz: 9:30

Erfolge: -

Der Unglückliche: Mikan, der erste große NBA-Star, hatte nach seiner aktiven Laufbahn nur wenig Fortune. Ex-Coach Phil Kundla, nun GM der Kalifornier, setzte seinen gerade zurückgetretenen Franchise Player als Nachfolger auf die Lakers-Bank - es war ein einziges Missverständnis.

Die Zeit unter Mikan war rückblickend eine der schlechtesten der Lakers-Geschichte, schon nach nur 39 Spielen hatte sich das Experiment erledigt - und Kundla übernahm wieder als Head Coach. Immerhin: So ganz belanglos war die Funktionärskarriere des "Gentle Giant" dann doch nicht - Mikan war 1967 erster Commissioner der ABA und zeichnete sich somit verantwortlich für den legendären blau-weiß-roten Spielball sowie die Einführung der Dreierlinie.

Bill Russell

Station als Spieler: Boston Celtics (1956-69)

Stats: 15,1 Punkte, 22,5 Rebounds, 4,3 Assists pro Spiel

Erfolge: 9x Champion, 5x MVP, 12x All-Star, 1x All-Star Game MVP, Olympia-Gold '56, Hall of Fame 1975

Stationen als Trainer: Boston (Spielertrainer, 1966-69), Seattle Supersonics (1973-77), Sacramento Kings (1987/88)

Bilanz: 162:83 (Boston), 162:166 (Seattle), 17:41 (Sacramento)

Erfolge: NBA Champion 1968, '69

Der Eigenwillige: Center-Ikone Russell, in der Öffentlichkeit als schwierig verschrien, war gar nicht erste Wahl des Celtics-Frontoffice für die Nachfolge von Trainer-Denkmal Red Auerbach und vollbrachte doch das Kunststück, als Spielertrainer auf gleich zwei Posten zu überragen. In drei Jahren feierten die Neuengländer zwei Meisterschaften. Viel wichtiger noch: Russell war der erste afroamerikanische Coach der Liga, ebnete damit den Weg für viele, viele Kollegen, nicht nur in der NBA sondern auch in den anderen großen US-Sportarten.

Immer wieder betonte der Center damals: "Der Trainerjob wurde mir nicht wegen meiner Hautfarbe angeboten, sondern, weil Red fest daran glaubte, dass ich es kann." Kurios war der Abgang der Celtics-Ikone: Russell erschien nicht zur Meisterschaftsfeier 1969, brach jeden Kontakt zum Team ab. Im darauffolgenden Jahr verpasste Boston zum ersten Mal seit 1950 die Playoffs, bis heute nehmen die Fans aus "Beantown" ihrem Helden das abrupte Ende übel. Neustarts in Seattle und Sacramento verliefen im Sande.

Dave DeBusschere

Stationen als Spieler: Detroit Pistons (1962-68), New York Knicks (1968-74)

Stats: 16,1 Punkte, 11,0 Rebounds, 2,9 Assists pro Spiel

Erfolge: NBA Champion 1970, '73, 8x All-Star, Hall of Fame 1983

Station als Trainer: Detroit Pistons (Spielertrainer, 1964-67)

Bilanz: 79:143

Erfolge: -

Der Jüngste: Als der Defense-Experte De Busschere die Detroit Pistons übernahm, war der Hometown-Hero erst 24 Jahre alt - aus heutiger Sicht unglaublich.

Fast liegt die Vermutung nahe, die damals zum Verzweifeln schlechten Pistons hatten keine andere Wahl - ein anderer Coach hätte sich sowieso nicht gefunden.

Bezeichnend: Auch das Experiment mit dem Youngster ging daneben, De Busschere wurde wieder zum Vollzeit-Akteur - und in einem harsch kritisierten Trade 1968 für die alternden Walt Bellamy und Howard Komives an die New York Knicks abgegeben.

Das Ergebnis? Die Pistons blieben schlecht wie eh und je, De Busschere feierte als wichtiger Baustein der Knicks um Willis Reed, Walt Frazier und Earl Monroe zwei Meisterschaften im Big Apple.

Lenny Wilkens

Stationen als Spieler: St. Louis Hawks (1960-68), Seattle SuperSonics (1968-72), Cleveland Cavaliers (1972-74), Portland Trail Blazers (1974/75)

Stats: 16,5 Punkte, 4,7 Rebounds, 6,7 Assists pro Spiel

Erfolge: 9x All-Star, All-Star Game MVP 1971, Hall of Fame 1989

Stationen als Trainer: Seattle (1969-72, Spielertrainer, 1977-85), Portland (1974-76), Cleveland (1986-93), Atlanta Hawks (1993-00), Toronto Raptors (2000-03), New York Knicks (2003-05)

Bilanz: 478:402 (Seattle), 316:258 (Cleveland), 310:232 (Atlanta), 113:133 (Toronto), 75:89 (Portland), 40:41 (New York)

Erfolge: NBA Champion '79, Coach of the Year '94, Olympia-Gold '96, Hall of Fame 1998

Der Marathon-Mann: Nach einer enttäuschenden Saison mit nur 30 Siegen setzte das Sonics-Management den erfahrenen Playmaker als Spielertrainer der jungen, vielversprechenden Mannschaft ein. Wilkens vollbrachte das Kunststück, trotz der Doppelposition in der Spielzeit 1969/70 die Liga bei den Assists anzuführen. Doch trotz erkennbar aufsteigender Tendenz - die Mannschaft wurde mit jedem Wilkens-Jahr besser und stand 1972 bei 47:35 Siegen - wurde der geschätzte Publikumsliebling nach Cleveland getradet.

Jahre später sollte er nach Seattle zurückkehren und David Thompson, Jack Sikma und Co. zur einzigen Meisterschaft führen. Der endgültige Start einer großen Laufbahn: Aufnahme in die Basketball Hall of Fame als Spieler und als Trainer, 1332 Siege in über drei Jahrzehnten als Basketball-Lehrer (Platz 2 All-Time), eine Meisterschaft, Verantwortlicher für das Team USA bei den Olympischen Spielen in Atlanta - alles ultimative Testamente an die Verdienste des NBA-Urgesteins Lenny Wilkens.

Jerry West

Station als Spieler: Los Angeles Lakers (1960-74)

Stats: 27,0 Punkte, 5,8 Rebounds, 6,7 Assists pro Spiel

Erfolge: NBA Champion 1972, Finals-MVP 1969, 14x All-Star, Olympia-Gold 1960, Hall of Fame 1979

Station als Trainer: Los Angeles Lakers (1976-79)

Bilanz: 145:101

Erfolge: Conference Finals 1977

Der Spätstarter: "The Logo" steuerte seine Lakers durch schwieriges Fahrwasser in die Showtime-Ära. Nach den Rücktritten von Elgin Baylor ('72), Wilt Chamberlain ('73) und West wurden in gleich zwei aufeinanderfolgenden Spielzeiten die Playoffs verpasst, auch die Ankunft von Kareem Abdul-Jabbar zahlte sich nicht sofort aus. Als der nunmehr glücklose einstige Erfolgscoach Bill Sharman, der die Gold-Violetten zuvor zu einer Championship und einer Finalteilnahme geführt hatte, ging, setzte Klubbesitzer Jack Kent Cooke den stillen West als neuen Übungsleiter ein.

Es sollten drei ordentliche Jahre an der Seitenlinie werden - ehe "Mr. Clutch" richtig durchstarten konnte. Erst kam der Wechsel in die Scouting-Abteilung, 1982 dann der General-Manager-Posten. Die Folgen sind bekannt: West gilt als Architekt der legendären Lakers der 80er um Magic, Abdul-Jabbar und James Worthy, die insgesamt fünf Titel gewinnen konnten. 1996 ein weiteres Meisterstück: Die Verpflichtung von Free Agent Shaquille O'Neal und ein Draft-Trade, der dem Team einen 18-jährigen High Schooler namens Kobe Bryant sicherte.

Seite 2: Don Nelson, Doc Rivers und Co