NBA

"Die Welt ist einfach negativ"

Von Philipp Dornhegge
Evan Turner ist seit dieser Saison einer der Anführer der Philadelphia 76ers
© getty

Mit einem sensationellen 114:110-Sieg über die Miami Heat haben die Philadelphia 76ers gleich im ersten Saisonspiel für einen Paukenschlag gesorgt. Evan Turner war mit 26 Punkten Topscorer und sorgte per Dunk über LeBron James für eins der Highlights der Partie. Zuvor hatte SPOX mit dem 25-Jährigen über seine neue Rolle im Team, Trainer Brett Brown und Michael Carter-Williams gesprochen.

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SPOX: Die Sixers haben vor der Saison viel schlechte Presse bekommen, sie galten schon vorher als schlechtestes Team der Liga. Wie sehr beschäftigt sie das?

Evan Turner: Ich lese mir den ganzen Kram nicht durch. Ihr müsst auch alle Euer Geld verdienen. Ich sehe es so: Die Welt ist im Allgemeinen negativ. Wenn hundert Sachen super laufen und eine falsch, dann stürzen sich alle auf diese eine Sache. Eine Saison hat 82 Spiele, und die müssen erstmal gespielt werden. Wir lassen uns von äußeren Einflüssen nicht beeinträchtigen, sondern ziehen unser Ding durch.

SPOX: Wie sehen denn Ihre Erwartungen für die Saison aus?

Turner: Ich denke, dass wir in der Vorbereitung die Grundlagen für eine erfolgreiche Zukunft gelegt haben - für diese Saison und darüber hinaus. Wir haben hart gearbeitet und zusammengefunden. Ich möchte einfach nur, dass wir jeden Abend alles geben. Wenn wir zusammenhalten und den Plan des Trainers befolgen, dann sollten wir eine gute Saison haben.

SPOX: Sie sind selbst erst 25 Jahre alt, zählen in dieser Mannschaft aber zu den erfahrenen Spielern. Wie schätzen Sie die Rookies und die anderen Neuzugänge ein, speziell Michael Carter-Williams?

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Turner: Mir gefällt vor allem ihr Ehrgeiz. Sie alle sind hungrig und wollen um ihre Minuten kämpfen. Das ist schon beeindruckend und tut uns gut. Über Michael Carter-Williams kann ich sagen, dass er ohne Ego hier ankam, einfach dazugehören wollte. Und er entwickelt sich rasend schnell. Anfangs war er fast ein bisschen schüchtern, hat kaum etwas gesagt. Aber inzwischen wächst er immer mehr in seine Rolle als Anführer herein, der man als Starting-Point-Guard einfach sein muss. Dadurch, dass er sich jetzt zunehmend wohl fühlt, läuft es auch auf dem Court immer besser.

SPOX: Auch als Team scheint es besser zu laufen. Wie nehmen sie diese Verbesserungen wahr?

Turner: Für mich ist das, was auf dem Court passiert, nur ein Spiegel dessen, was abseits davon passiert. Wir sind eine verschworene Einheit, haben eine sehr positive Atmosphäre. Wir hauen uns im Training rein und haben Spaß, wollen uns entwickeln. Und so geht es fast automatisch auch auf dem Feld voran.

SPOX: Angesichts der neuen Teamstruktur ist es fast zwangsläufig so, dass Sie innerhalb des Teams eine andere Rolle einnehmen als bisher.

Turner: Klar versuche ich, als Leader voranzugehen. Das ist es, was der Coach von Spencer Hawes, Thaddeus Young und mir verlangt.

SPOX: Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Turner: Ich will es nicht übertreiben und gehe vor allem mit gutem Beispiel voran. Ich bin immer einer der ersten beim Training, ich bleibe länger als die meisten und arbeite hart. Ich bin kein Fan davon, rumzulaufen, mich aufzuspielen und dem Coach alles nachzuplappern. Ich stauche auch niemanden zusammen, wenn er einen Fehler macht. Ich begegne jedem Spieler mit Respekt, will ein Freund sein und Unterstützung geben, wo ich kann und wann immer ich darum gebeten werde.

SPOX: Zach Lowe (Journalist bei grantland.com, d. Red.) hat Sie in Ihr All-Intriguing Team der Saison aufgenommen. Sie gehören also zu den Spielern, die sich dieses Jahr beweisen müssen. Was erwarten Sie selbst von sich?

Turner: Ich will der Anführer der Truppe sein. Unsere jungen Kerle brauchen jemanden, der ihnen im ersten Jahr hilft und sie unterstützt. Und ich will mich natürlich selbst weiter verbessern, ich kann mich auch noch entwickeln. Verantwortung zu übernehmen, das kann mir nur helfen. Ich beschäftige mich viel mit dem Spiel. Ich suche immer nach Dingen, die ich mir abschauen und an denen ich arbeiten kann. Ich trainiere viel und arbeite hart.

SPOX: Brett Brown hat in San Antonio unter Gregg Popovich gearbeitet und soll jetzt die Sixers zu einem Topteam formen. Was hat er in der kurzen Zeit in Philadelphia schon verändert?

Turner: Er ist so ein positiver Kerl, und er legt Wert darauf, dass auch alle anderen positiv sind. Für ihn sind glückliche Spieler die besten Spieler, und in diesem Klima ist man auch am ehesten bereit, Ratschläge und Kritik anzunehmen. Besonders mit den jungen Kerlen kommt er super klar, er ist einer, der gern unfertige Leute entwickelt und ihnen etwas beibringt.

SPOX: Mit ihren Preseason-Auftritten in Bilbao und Manchester haben Sie viele neue Fans gewonnen. Wie hat Ihnen die Europareise gefallen?

Turner: Das war sehr cool, eine gute Erfahrung. Ich könnte mir vorstellen, das in der Zukunft zu wiederholen.

SPOX: Hat es Sie auch als Team weitergebracht?

Turner: Definitiv! Wir sind gern zusammen, begreifen uns als eine große Familie und nicht als Ansammlung von fünf oder sechs kleineren Gruppen. Dieser Trip hat uns noch mal richtig zusammengeschweißt. Für junge Spieler ist es immer wichtig, auch auf einem persönlichen Level Beziehungen mit den Mitspielern aufzubauen. Das bleibt natürlich nicht aus, wenn man seine Familie eine Weile nicht sieht und sich ganz automatisch an die Kollegen hält. Das war eine richtig runde Sache.

SPOX: Es wird immer mal wieder darüber gesprochen, dass London ein eigenes Team bekommen könnte. Was halten Sie von der Idee?

Turner: Das wäre cool! Ich könnte mir auf jeden Fall vorstellen, in England zu spielen. Solange sie irgendwo ein Waffle House hinstellen und andere amerikanische Läden, wo ich etwas Anständiges zu essen finde. Aber jetzt halte ich lieber den Mund, sonst kriege ich noch Ärger. Fragt lieber Adam Silver, der kann das beantworten (lacht).

Der Kader der Philadelphia 76ers