NBA

Die große Show eines Nobodys

Von Florian Regelmann
John Lucas führte die Bulls mit 24 Punkten zum Sieg gegen Miami
© Getty

Die Chicago Bulls (36-9) gewinnen den East-Showdown gegen die Miami Heat (31-11) mit 106:102 und bauen damit ihren Vorsprung in der Conference aus. MVP Derrick Rose fällt verletzt aus, dafür springt Nobody John Lucas III in die Bresche und liefert eine überragende Vorstellung ab.

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Lucas war mit 24 Punkten Topscorer einer Bulls-Mannschaft, bei der sechs Spieler zweistellig punkteten. Joakim Noah lieferte 14 Punkte, 6 Rebounds und 4 Blocks - Ronnie Brewer und Kyle Korver erzielten jeweils 12 Punkte. Für Chicago war es der elfte Sieg in den letzten zwölf Spielen.

Dwyane Wade (36 Punkte, 19 davon im letzten Viertel, 7 Rebounds, 2 Blocks) und LeBron James (35 Punkte, 5 Rebounds, 4 Assists, 4 Steals) machten Monster-Spiele für die Heat, hatten aber absolut keine Unterstützung.

Reaktionen:

John Lucas III (Chicago): "Wir sind alle wie Brüder. Wenn ein Bruder ausfällt, dann sind wir für ihn da."

Tom Thibodeau (Trainer Chicago): "Gegen James und Wade kannst du großartige Defense spielen und sie können trotzdem Würfe treffen. Deshalb ging es uns in erster Linie darum, dass wir dafür sorgen, dass außer ihnen niemand in Fahrt kommt."

Erik Spoelstra (Trainer Miami): "Wir kennen Lucas gut. Wir waren ja eines der Teams, die ihn rausgeschmissen haben. Er ist ein mental tougher Spieler. Er ist ein gutes Beispiel für viele junge Spieler da draußen, denen diese mentale Toughness fehlt. Ich weiß nicht, wie oft er von Teams entlassen wurde, aber es hat ihn stärker gemacht."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Tipoff: Der Hammer kommt vor dem Spiel: Derrick Rose, der am Dienstag in einen kleinen Autounfall verwickelt war, kann wegen einer Leistenverletzung aus dem Knicks-Spiel nicht spielen. Rip Hamilton (Schulter) fällt weiterhin aus, dafür kommt wenigstens Luol Deng (Handgelenk) zurück. C.J. Watson (Knöchel), der zuletzt ebenso passen musste, ist wieder fit und ersetzt Rose als Starting-Point-Guard. Chicago beginnt mit Watson, Brewer, Deng, Boozer und Noah. Bei Miami alles wie gewohnt in der ersten Fünf: Chalmers, Wade, James, Bosh und Anthony. Einziger Ausfall: Mike Miller (Knöchel).

7.: Wade und James, James und Wade: Bei den Heat läuft in der Anfangsphase alles über die beiden Superstars - beide stehen schon bei 6 Punkten. Vor allem Ronnie Brewer (6 Zähler) hält für die Bulls dagegen. 13:12 Chicago.

12.: James sorgt per Slam-Dunk für die letzten Heat-Punkte des ersten Viertels. Es bleibt dabei: Außer LeBron, der schon bei 14 Punkten angekommen ist, und D-Wade (9) scort bei Miami überhaupt niemand. Macht aber bis jetzt nichts. Miami führt mit 4 (23:19) - bei den Bulls geht offensiv ohne Rose wenig.

19.: Korver for three! Deng for three! 12:0-Run der Bulls - Chicago plötzlich 40:28 vorne. Insgesamt ein 21:5-Lauf im zweiten Viertel.

22.: John Lucas Superstar! Erst sitzt der Dreier, dann netzt der Backup-Point-Guard den Jumper, dann lässt er einen weiteren Dreier folgen - ein persönlicher 8:2-Run von Lucas baut die Bulls-Führung auf 16 Punkte aus. 50:34. Timeout Heat.

24.: Wade und James reagieren auf den Rückstand und drehen kurz vor der Pause noch mal auf. James mit 6 Zählern in den letzten 90 Sekunden. 53:42 Bulls.

31.: Miami kämpft sich zwischenzeitlich auf 4 Punkte ran (53:57), aber dann schlägt Chicago mal wieder von Downtown zu. Fast jeder Dreier ist drin. Watson, Deng und Brewer treffen aus der Distanz - schon sind die Bulls wieder auf 15 weg (72:57).

36.: Jetzt fallen die Dreier auch bei den Heat. James trifft die ersten beiden Dreier des Spiels von Miami, dann folgt noch ein Cole-Dreier. Miami wieder auf 9 dran. 79:70 Bulls.

45.: Es ist der absolute Wahnsinn! Es ist die reine John-Lucas-Show! Der Point Guard trifft die unglaublichsten Würfe. Jetzt haut er sogar den Fadeaway LeBron ins Gesicht. Überragend - das United Center kocht. Aber: James steckt nicht auf und hält weiter dagegen. 96:88 Bulls.

48.: Wade verpasst einen Dreier, den Miami bis auf einen Punkt herangebracht hätte. Auf der Gegenseite schnappt sich Brewer einen ganz entscheidenden Offensiv-Rebound. Die Heat müssen foulen, Kyle Korver trifft beide Freiwürfe. 102:96 Bulls. 17 Sekunden noch.

48.: James Jones macht die Sache mit zwei irren Dreiern noch mal spannend, aber die Bulls behalten die Nerven von der Linie. 2/2 für Lucas. 106:102 Bulls.

Der Star des Spiels: John Lucas III. Der 29-Jährige ist nominell nur der dritte Point Guard der Bulls. Im Schnitt spielt er in dieser Saison gerade mal 11,7 Minuten pro Partie und macht 5,4 Punkte. Seit zwei Jahren hat Lucas in Chicago ein Zuhause gefunden, vorher war er jahrelang raus aus der NBA und spielte in Italien (Treviso), Spanien (Ceramica) oder China (Shanghai Sharks). Und jetzt wurde er für einen Abend vom Nobody zum großen NBA-Star, der mal eben die Heat nass machte. Lucas traf 9 seiner 12 Würfe (3/5 Dreier), eine Aktion war bald spektakulärer als die andere, und beendete das Spiel mit 24 Punkten in 27 Minuten Einsatzzeit. Wie Lucas gerade im letzten Viertel aufdrehte und unbedingt den Ball haben wollte, war phänomenal. Zum Schluss wurde er von James verteidigt, das änderte aber auch nichts. Dass er es kann, hatte Lucas in dieser Saison schon mal gezeigt, als Rose gegen Washington nur zuschauen konnte, Lucas 46 Minuten auf dem Feld stand und 25 Punkte erzielte. Tolle Geschichte von einem furchtlosen Spieler mit unglaublich viel Herz.

Der Flop des Spiels: Chris Bosh. LeBron James (35) und Dwyane Wade (36) erzielten zusammen 71 Punkte und trafen 30/51 aus dem Feld. 58,8 Prozent. Der Rest der Heat: 8/34. 23,5 Prozent. Und bei keinem war die Leistung so enttäuschend wie bei Bosh. Der dritte Teil der Big Three ließ James und Wade böse im Stich. 3/15 aus dem Feld, nur 12 Punkte, nur 3 Rebounds, dafür 4 Turnover und den schlechtesten Plus-Minus-Wert (-16) aller Spieler - Bosh erlebte einen miserablen Abend.

Die Analyse: Extrem beeindruckender Sieg der Bulls, die von einem sensationellen Point Guard zum Sieg getragen wurden, nur nicht von dem, der das sonst immer macht. Zudem zeigten die Rose-losen Bulls ohne ihren im Anzug auf der Bank sitzenden MVP alle Komponenten, die sie so stark machen. Defense, Rebounding, Einstellung, Kameradschaft. Es war der klassische Sieg einer überragenden Mannschaft auf der einen Seite gegen zwei völlig auf sich alleine gestellte Superstars auf der anderen Seite.

Es ist kein Zufall, dass Chicago 8 von 11 Spielen, bei denen Rose in dieser Saison nicht mitmachen konnte, gewonnen hat. Das Wichtigste: Jeder im Team kennt seine Rolle und füllt sie perfekt aus. Ob das ein John Lucas ist, der an diesem Abend offensiv das Team trägt, ob das Jimmy Butler, Taj Gibson und Ömer Asik sind, die reinkommen und den Bulls produktive Minuten geben, oder ein Kyle Korver, der als Shooting-Spezialist für Dreier und Freiwürfe Gold wert ist.

Bezeichnend: Die Bankspieler der Bulls steurten 56 Punkte zum Erfolg bei. Chicago hat zweifellos die tiefste Bank der Liga. Miamis Second Unit kam gerade mal auf 15 Zähler, und ohne die zwei späten Jones-Dreier würde die Statistik noch übler aussehen.

Die Bulls dominierten außerdem die Bretter (50:34-Boards) und bewiesen, warum sie das beste Rebounding-Team der NBA sind, warum vor allem die Offensiv-Rebounds (14 zu 11 der Heat) eine so große Stärke sind. Dazu schoss Chicago hochprozentig von der Dreierlinie (10/19).

Die Bulls haben mit dem Sieg ihre Nummer-eins-Position in der Eastern Conference untermauert - der Vorsprung auf die Heat, die jetzt zwei Spiele in Folge verloren haben, beträgt schon dreieinhalb Spiele. Es wäre überraschend, wenn Chicago nicht als Top Seed in die Playoffs gehen würden. Ob sie Miami in den Playoffs schlagen können, müssen sie erst noch zeigen, aber dieser Sieg wird den Bulls ein extrem gutes Gefühl für den Rest der Saison geben.

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